Die slowakische Audio-Manufaktur CANOR ist streng genommen kein Branchenneuling: CANOR entwickelt und baut seit gut 15 Jahren Audiokomponenten. Bis zum Jahre 2007 firmierte man noch unter dem Namen Edgar Ltd. Der TP106 VR+ ist der große Bruder des CANOR TP106 Vollverstärkers. Beide Vollverstärker sind als Push-Pull-Konzept ausgeführt. Während der TP106 mit 6L6GC Leistungsröhren 11 Watt pro Kanal zu liefern vermag, ist der TP106 VR+ mit einem Quartett Electro Harmonix 6550-Röhren ausgestattet. Bis zu einer Leistung von 20 Watt pro Kanal arbeitet dieser im reinen Class-A-Betrieb. 2 x 55 Watt Gesamtleistung an 4 Ohm sollten mehr als nur genügen, um Lautsprecher mit hohem Wirkungsgrad problemlos antreiben zu können. Ferner unterscheidet sich der TP106 VR+ von seinem kleinen Bruder durch hochwertigere Bauteile, wie beispielsweise die Verwendung von Mundorf-Koppelkondensatoren.
Die auf Basis der 6L6-Konstruktion weiterentwickelte Beam-Power-Tetrode 6550 wird in Röhrenkreisen besonders wegen ihres geringen Verzerrungsgrads geschätzt. Diese Eigenschaft macht sich auch CANOR zunutze und greift daher in der Ausgangsstufe des TP106 VR+ auf eine Schaltung im Ultralinear-Modus zurück. Auch wenn sich nach wie vor hartnäckig das Gerücht hält, dass es sich bei der 6550 und der KT88 um quasi ein und dieselbe Röhre handelt und diese untereinander austauschbar sind, sollte man sich bewusst machen, dass lediglich deren Sockel und Sockelbeschaltung identisch sind. Die 6550 läuft beinahe mit der Hälfte der KT88-Schirmgitterspannung (circa 300 Volt) und entsprechend deutlich geringerer Gittervorspannung. Wer sich also schon im unbegrenzten Tube-Roller-Nirvana wähnt, wird sich hier seine Passion abschminken müssen. Auch vom naiven Tausch gegen andere 6550-Fabrikate wird abgeraten, da ein solcher nicht nur den hinlänglich bekannten Garantieverlust nach sich zieht – man läuft Gefahr, den Erfahrungsschatz, den CANOR bei der Röhrenselektion gesammelt hat, unüberlegt zunichte zu machen.
Ich finde es beispielsweise durchaus ungewöhnlich, dass man beim Einsatz von insgesamt 4 ECC81- beziehungsweise 12AT7-Röhren – ein Paar dient als Treiber, ein Paar als Eingangsröhren – auf zwei unterschiedliche Röhrenfabrikanten zurückgreift. Der Grund dafür liegt nicht etwa darin, so teilte man mir bei einem Telefonat mit den Entwicklern mit, dass man sich dessen bediene, was man gerade vorrätig hat: Man beschäftige sich vielmehr seit über 12 Monaten intensiv mit den Themen Röhrenauswahl, -selektion und -werten. Aufgrund der überteuerten und der keinen sicheren Nachschub bürgenden Marktlage für NOS-Röhren fiel die Grundsatzentscheidung zugunsten der Verwendung von Röhren aus aktueller Produktion. So erhielt man die gewünschten Resultate mit 12AT7-Doppeltrioden von JJ Electronic für die Treiberstufe, entschied sich aber letztendlich für zusätzlich geschirmte 12AT7WC-Röhren von Electro Harmonix für die Eingangsstufe. Scheint zu passen – während der gesamten Testphase konnte ich kein Röhrenknacken oder eine Zunahme des ohnehin kaum wahrnehmbaren Röhrenrauschens ausmachen. CANOR geht beim Thema Röhren noch einen kleinen kundenfreundlichen Schritt weiter: Alle Röhren werden vor der Auslieferung eingebrannt – sehr löblich! Das Gros der sogenannten Burn-in-Phase entfällt somit und die klanglichen Eigenschaften des Verstärkers können ohne allzu langwierige Wartezeit eingeschätzt und beurteilt werden.
Bandscheibengepeinigte Audiophile sollten beim Tragen des CANOR Amps penibelst auf die klassische Rückenschule achten – der DuPont-mattschwarz lackierte Aluminiumkoloss bringt stattliche 26 Kilogramm auf die Waage. Für Luftzirkulation ist gesorgt: Mit 170 Millimetern baut der TP106 VR+ ein wenig höher als einige seiner Artgenossen. Nichtsdestotrotz sollte man bei einer Platzierung im Rack dafür Sorge tragen, dass er aufgrund seiner nicht gerade geringfügigen Wärmeentwicklung im Betrieb ausreichend Luft zum Atmen bekommt. Mit fünf asymmetrischen Line-Eingängen, einem Tape-Out und einem Lautsprecherausgang ist der CANOR Vollverstärker in Sachen Ausstattung eher puristisch gehalten.
Bei einer unverbindlichen Preisempfehlung von 4000 Euro symmetrische Eingänge oder gar einen Phonoeingang zu erwarten, wäre vielleicht auch ein wenig zu viel des Guten. Auch das äußere und für mein ästhetisches Empfinden durchaus ansprechende und moderne Erscheinungsbild des TP106 VR+ übt sich mit dezent orangefarben beleuchtetem Logo und LEDs in vornehmer Zurückhaltung. An der Verarbeitungsqualität gibt es nichts zu meckern: Sowohl das Gehäuse als auch der gesamte Innenaufbau zeugen von durchdachter Entwicklung und sorgfältigem Handwerk. Da, wie bereits erwähnt, der TP106 VR+ nur über ein Paar Lautsprecherausgänge verfügt, sollten potenzielle Interessenten mit aktiven Subwoofer-Verstärkern sich vergewissern, dass ihre Subwoofermodule über separate Lautsprechereingänge verfügen. Da ich ein weichenloses Lautsprecherkonzept mit getrennter Bassverstärkung betreibe, kommt eine direkte Ansteuerung meiner Bässe mit dem CANOR nicht in Frage. Dies bestätigte ein kurzer Versuch, der sich sofort in einer wenig kontrollierten und konturschwachen Bassperformance äußerte: Die Ausgangsleistung des TP106 VR+ reicht einfach nicht aus, um meine Bastanis 18“-Dipolbässe vernünftig anzutreiben – über die Lautsprechereingänge meiner XTZ Sub Amp 1 Verstärker angeschlossen … kein Problem!
Um Spannungsspitzen beim Einschalten zu vermeiden und den Stromverbrauch zu minimieren, verfügt der CANOR TP106 VR+ über eine Soft-Start- und Standby-Funktion. Nach dem Einschalten des Verstärkers auf der Gehäuserückseite schaltet dieser automatisch in den Standby-Modus. Der gesamte Vorgang, von der Aktivierung des Ringkerntrafos bis zum Erreichen der Röhrenbetriebstemperaturen nimmt circa 90 Sekunden in Anspruch und wird über rote und orangefarbene und in unterschiedlichen Geschwindigkeiten blinkende LEDs auch über dem CANOR-Logo und dem Lautstärkeregler, signalisiert – sinnvoll und sexy zugleich. Die Gleichrichtung übernehmen übrigens zwei Electro Harmonix 5AR4/GZ34.
Es sind die geliebten schwarzen Scheiben, die mich den nicht allzu langen Weg vom Sofa zum Plattenspieler und zurück noch in Kauf nehmen lassen. Die Sarkasten unter meinen Freunden behaupten, diese Betätigung sei inzwischen die einzig wirklich physische Ertüchtigung, die an meine ehemalige Profession als Leistungssportler erinnere. Sollte ich die Beschäftigung mit dem Medium Schallplatte eines Tages aufgeben, fürchte man gar eine Verschmelzung von Fernbedienung, Hörplatz und meiner Person zu einer symbiotischen Einheit, die sich endgültig dem Gesetz der Trägheit ergeben hat. Man kann mir sagen was man will, aber Fernbedienungen sind schon eine coole Sache – wenn sie nicht zu einem Großteil so zickig wären. Zickig ist leider auch die Fernbedienung des TP106 VR+, denn wieder einmal geben sich die üblichen Verdächtigen ein Stelldichein: keine 100 % präzisen Druckpunkte, verbesserungswürdiges Toleranzverhalten in puncto Zielgenauigkeit und knarzendes Plastik – wenn auch nur geringfügig, durch die Unterseite der Fernbedienung bedingt.
Habe ich sonst noch was am CANOR zu meckern? Die Antwortet lautet nein! Eigentlich könnte ich an dieser Stelle meinen Beitrag, ohne den leisesten Anflug eines schlechten Gewissens, beenden. Dem CANOR TP106 VR+ fehlt es, abgesehen vom bereits erwähnten, aber beinahe schon üblichen Fernbedienungsmanko an Nichts – wenn man denn klare Vorstellungen davon hat wie man hören möchte. Aber mal ehrlich: Wer unter uns Betschwestern hat denn schon die Suche nach dem Besseren endgültig ad acta gelegt? Wie oft habe ich gelesen und selbst geschrieben „mehr HiFi braucht kein Mensch“? So oft, dass ich selbst nicht mehr daran glauben mag. Und doch bin ich der Ansicht, dass auf den CANOR eben genau diese abgedroschene Rezensenten-Floskel passt wie die noch öfter zitierte Faust aufs Auge.
Wie unser Chefredakteur bereits in der Vorschau angedeutet hatte: Die Bühne, die sich vor mir bei den ersten Takten von „Hyperballad“ auf Marcin Wasilewskis ECM-Triodebüt auftat, ist so einnehmend, die Präsentation so involvierend, dass das geplante Hören nach routinemäßiger Checkliste sofort einem genießerischen sich Einlassen wich. Beschreibende oder beurteilende Kriterien wie Auflösung, Dynamik, Plastizität, Musikalität et cetera verloren über eine komplette Albumlänge an Bedeutung und Gewicht. Erst mit dem Ausklingen des letzten Tons des Albums schaltete sich das analytische Ohr wieder ein. Nur selten war mir bislang ein Hören ohne sofortiges Sezieren des dargebotenen Klangbildes in dessen vermeintliche Stärken und Schwächen möglich. Hier stellte sich mir nicht die Frage von Pro und Contra, denn die Präsentation des CANOR TP106 VR + ist in sich schlüssig und stimmig. Der CANOR punktet genau dort, wo meine eigenen Amps dazu tendieren, ein klein wenig über das Ziel hinauszuschießen: Zwar kann ich über meine Tubeguru Telefunken EL156 Monos auch noch das Ameisengetrappel in der fernsten Lichtung des Waldes vernehmen, doch kann dies zuweilen zu einer Art Überforderung der Gehörgänge führen. Auch Wasilewskis Fingerübungen auf Trio sind nicht frei von Dynamikausbrüchen, die den Hoch-/Mitteltonbereich an hochauflösenden Ketten, besonders bei hoher Lautstärke, durchaus strapazieren können. Ein Zerren am Nervenkostüm ist die Sache des CANOR nicht: Das liegt keinesfalls an mangelndem Auflösungsvermögen oder fehlender Dynamik, sondern an der etwas „dunkleren Temperierung“ des Amps. Eine weitere ECM-Veröffentlichung, die ich gerne verwende, um Extreme auszuloten, ist Manu Katchés Third Round. Hier empfinde ich vor allem Tore Brunborgs Sopransaxofon als zu hell, zu direkt und dadurch zu präsent. Nicht, dass der CANOR die Helligkeit wegradiert, aber er ist dazu imstande, der Präsenz des Soprans eine Spur seiner Aufdringlichkeit beziehungsweise Schärfe zu nehmen – gerade so viel wie nötig, um tonal richtig zu liegen und ein angenehmes Hörerlebnis zu zaubern – diese außerordentliche Fähigkeit bewies er bei allen grenzwertigen Aufnahmen, mit denen ich ihn fütterte. Björks „Joga“ aus dem Album Homogenic empfinde ich nach wie vor als eine der aufnahmetechnisch komplexesten Gratwanderungen zeitgenössischer U-Musik.
Der spannungsgeladene und gleichzeitig kühle Soundwall aus opulenter Orchestrierung, abgrundtiefen Subbässen und messerscharfer Beat-Electronica macht es keinem Verstärker einfach, die Übersicht zu behalten. Fast immer gerät irgendetwas bei der Wiedergabe des Tracks aus den Fugen. Nun, Röhrenkonzepte sind per se nicht unbedingt dafür ausgelegt, die metallische Soundästhetik der Produktionen von Künstlern wie Aphex Twin, Autechre oder stellenweise auch Björk adäquat zu transportieren, dafür fehlt ihnen schlichtweg die nötige Kühle oder Distanz. Obwohl auch der CANOR hier keine Ausnahme von der Regel bildet, gelingt es ihm scheinbar mühelos, das komplette Geschehen zu kontrollieren, die richtige Balance zwischen Organischem und Anorganischem herzustellen, die goldenen Mitte zwischen Menschlichem und Unmenschlichem zu finden und das Klangbild nicht zu einem ungenießbaren Klangbrei mutieren zu lassen – Kompliment! Freilich ist der TP106 VR+ kein Alchimist, der Dreck in Gold zu wandeln vermag. Heaven 17s The Luxury Gap klingt in der Original 80er-Jahre-Pressung mit dem CANOR genauso dünn wie auf allen anderen Verstärkern. Die unsäglich schlechten US-LP-Remaster der Jimi Hendrix Alben, bei denen man das Gefühl bekommt, dass man Höhen und Bässe beim Mastern im völlig zugedröhnten Zustand anhob, klingen mit dem TP106 VR+ auch nicht besser – aber die akustischen Missstände werden durch den CANOR etwas erträglicher.
Der CANOR TP106 VR+ ist ein Meister der Ausgewogenheit, der einen festen Platz unter den Vollverstärkern verdient. Ich kann mir gut vorstellen, dass er gerade im Zusammenspiel mit hochauflösenden Quellgeräten, Kabeln und Lautsprechern als homogenisierende und harmonisierende Schnittstelle wirken und den eventuell fehlenden Hauch von Magie in eine Kette transportieren kann.
Gehört mit
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Lautsprecher | Bastanis Mandala Atlas (Crystal-Upgrade) |
Phono-Preamps | J. Binder (Tubeguru) Phono Stage, Brocksieper Phonomax |
Übertrager | Analog Tube Audio MCT 2 |
Laufwerke | Nottingham Analogue Hyperspace mit Origin Live Encounter MK2 Tonarm, Garrard 301 mit Thomas Schick Tonarm |
Tonabnehmer | Lignolab Denon DL-103, Audio Technica AT33PTG |
CD-Player | Panasonic DVD-S75 |
Kabel NF | TMR Ramses, Acoustic System Int’l Liveline Series |
Kabel LS | TMR Ramses, HMS Concertato |
Netzkabel | Oyaide Tunami GPX, HMS Gran Finale Jubilee |
Stromversorgung | HMS Energia, HMS RC 1/1, AHP Klangmodul3 |
Racks | Finite Elemente Tragwerk |
Zubehör | Schallwand Little Foot & Big Foot |
Herstellerangaben
CANOR TP106 VR+
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Herstellerland | Slowakei |
Röhren | 4 x 12AT7/ECC81, 4 x 6550, 2 x 5AR4/GZ34 |
Schaltungskonzept | Push-Pull |
Ausgangsleistung | 2 x 55 W / 4 Ohm (2 x 20 W Class A) |
Eingangsempfindlichkeit | 400 mV / 40 W / 1 kHz |
Eingangsimpedanz | 60 kOhm |
Eingänge | 5 x Line (Cinch) |
Klirrfaktor | < 0,05 % (1 kHz, 5 W) |
Geräuschabstand | > 93 dB |
Netzspannung | 230V/50Hz |
Abmessung (B/H/T) | 430/170/390 mm |
Gewicht | 26 kg |
Gehäuseausführungen | Silber oder Schwarz |
Zubehör | Fernbedienung |
Listenpreis | 4000 Euro |
Vertrieb
EMPIRE Deutschland
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Anschrift | Jürgen Welte Am Rembergsee 20 47259 Duisburg |
Fon | +49(0)203/75 999 004 |
info@empire-hifi.com | |
Internet | www.empire-hifi.com |
Klangbibliothek.
Tonabnehmer | Brinkmann EMT ti |
Tonarm | SME V |
Verkabelung | Force Lines |
Phonostufe | Einstein The Turntable‘s Choice (300 Ohm) |
Musik | „How Deep Is The Ocean‟ |
Downloadgröße | 111,8 mb |
Klangbibliothek.
Tonabnehmer | Brinkmann EMT ti |
Tonarm | SME V |
Verkabelung | Force Lines |
Phonostufe | Einstein The Turntable‘s Choice (300 Ohm) |
Musik | „Duet‟ |
Downloadgröße | 129 mb |
Klangbibliothek.
Tonabnehmer | Brinkmann EMT ti |
Tonarm | SME V |
Verkabelung | Force Lines |
Phonostufe | Einstein The Turntable‘s Choice (300 Ohm) |
Musik | „Griff‟ |
Downloadgröße | 156,3 mb |
Natürlich werden wir uns hin und wieder den Spaß erlauben, auch einmal eine Komponente mit ins Spiel zu bringen, die nicht dem standardisierten Versuchsaufbau entspricht. Das kann die gesamte Bibliothek nur spannender machen. Bei den selbstgewählten Regeln werden wir auch nicht päpstlicher sein als das Oberhaupt der katholischen Kirche. Sonst könnten uns selbst winzige Schrauben in arge Gewissenskonflikte stürzen: So setzt Brinkmann beispielsweise auf ganz bestimmte Schräubchen, die über einen Kupferring Kontakt mit dem Tonarm aufnehmen. Soll man nun für sein EMT ti diese Befestigungselemente verwenden oder doch lieber die Schrauben, die dem Lyra beigepackt waren und die ich fast automatisch nehme, wenn ich mir um solche Details gerade mal keine Gedanken mache? Ich habe das Brinkmann-System mit den dafür bestimmen Schräubchen befestigt, da sie auch im Brinkmann 12.1-Arm das System gehalten haben, bin aber der Meinung, dass die klanglichen Auswirkungen der Entscheidung wohl in der digitalen Unschärfe untergehen dürften. Es ging mir lediglich darum, der Vollständigkeit halber auf diese marginale zweite Veränderung beim Systemtausch hingewiesen zu haben.
Einen kleinen Nachtrag gibt es auch zum Lyra Olympos: Bei meinem Exemplar handelt es sich um die SL-Variante, wobei die beiden Großbuchstaben für Single Layer stehen: Die Spulen wurden aus nur einer Lage Draht gewickelt, was laut Lyra-Chef Stig Bjørge ein noch reineres, aber auch schwächeres Signal zur Folge haben soll. Aber die geringere Ausgangsspannung haben wir natürlich mit dem Pegelregler der Nagra LB penibel auf unseren Soll-Wert gebraucht, so dass Sie die klanglichen Unterschiede beurteilen können, ohne dabei von unterschiedlichen Pegeln abgelenkt zu werden.
Klangbibliothek.
Tonabnehmer | Lyra Olympos SL |
Tonarm | SME V |
Verkabelung | Force Lines |
Phonostufe | Einstein The Turntable‘s Choice (85 Ohm) |
Musik | „How Deep Is The Ocean‟ |
Downloadgröße | 111,5 mb |
Klangbibliothek.
Tonabnehmer | Lyra Olympos SL |
Tonarm | SME V |
Verkabelung | Force Lines |
Phonostufe | Einstein The Turntable‘s Choice (85 Ohm) |
Musik | „Duet‟ |
Downloadgröße | 129 mb |
Klangbibliothek.
Tonabnehmer | Lyra Olympos SL |
Tonarm | SME V |
Verkabelung | Force Lines |
Phonostufe | Einstein The Turntable‘s Choice (85 Ohm) |
Musik | „Griff‟ |
Downloadgröße | 156 mb |
Ich bin auf dem Weg zu einem wunderschönen Lautsprecher. Der SLS von Boenicke Audio. Klingen Lautsprecher besser, wenn sie gut aussehen?
Ein trüber Herbsttag in Brilon im Sauerland. An einem langen Holztisch sitzen Joachim Gerhard, die Ikone des deutschen Lautsprecher-Baus und Sven Boenicke, der Kopf der gleichnamigen Schweizer Lautsprecher-Manufaktur. Seit der High-End in München verbindet die beiden mehr als die totale Hingabe zum Lautsprecherbau. „Ich bin am Stand von Sven vorbei gekommen und dachte mir: Genau das ist es, diese Ideen könnten auch meine sein.“ Starke Worte von einem, der eine Spur im kommerziellen deutschen Lautsprecherbau hinterlassen hat wie kaum ein anderer. Legendär seine ästhetisch und akustisch richtungsweisende Arbeit unter dem Label Audio Physic und später bei Sonics. Ihm gegenüber Sven Boenicke, der noch die Schule besuchte, als Joachim Gerhards Werke schon die Welt eroberten.
Zwei Generationen, zwei unterschiedliche Klangfarben der deutschen Sprache, zwei unterschiedliche Stationen in der individuellen Lebensplanung. Und dennoch: Das Gespräch verbindet. Da können zwei miteinander, zollen sich Respekt, sind frei von Neid und Imponiergehabe. Sven Boenicke hat gerade 600 Kilometer im Auto zugebracht, um seine neuen Entwicklungen in einer speziellen Hinsicht messtechnisch beurteilen zu lassen. Zur Diskussion steht, ob seine Lautsprecher mit dem revolutionären neuen elektronischen Bass-Management von Joachim Gerhard ausgestattet werden. Keine Spur von wechselseitigem Bedürfnis nach Geheimhaltung und Eigenlob, im Dialog entstehen technische Skizzen bei Tisch, gemeinsam wird gelötet und gemessen.
„Sven Boenicke gehört für mich zu den maximal fünf Entwicklern weltweit, die derzeit den Lautsprecherbau tatsächlich innovativ voranbringen.“ Der blickt bescheiden zu Boden und schweigt. Was sollte man an Lob auch einem Mann gleichwertig zurück geben, der zu besten Audio Physic Zeiten bereits Stückzahlen an hochwertigen Schallwandlern verkauft hat, die heute noch jeden Marketing-Guru zu Freudentränen rühren.
Zum Grundvokabular des Marketings gehört das Bewusstsein, auf Alleinstellungsmerkmale zu setzen, gerne auch USPs (Unique Selling Propositions) genannt. Bei Joachim Gerhard war es seine optisch-ästhetische Designkompetenz, die ihn in Verbindung mit der technischen Brillanz seiner Lautsprecher von den Konkurrenzprodukten unterschieden hat. Das Thema Ästhetik prägt den Abend; Steaks werden gebrutzelt, eine Flasche Wein geöffnet, Joachim Gerhard greift zu Rauchwaren.
Die Assoziation zu Grundfragen von Design und Ästhetik wird auch jeden erreichen, der sich mit Boenicke Audio beschäftigt. Alleine die Fotos auf seiner Webseite, die den Fertigungsprozess seines Modells SLS dokumentieren, könnten in jeder Kunstgalerie Platz finden. Seine SLS spiegelt genau jenes intuitive Verständnis für Gestaltung wieder, das die Sehnsucht von Klangästheten und Musikern auf den Punkt trifft. Genau diese SLS ist es, die nunmehr den Weg nach Brilon gefunden hat und von Joachim Gerhard messtechnisch bezüglich seines elektronischen Bass-Managements ausgelotet wird. Jene SLS, um die sich die Kritiker reißen – ein durchaus Prominenter hat sie nicht mehr hergegeben und sogar ordentlich dafür bezahlt. Jene SLS, die bei den High-End-Messen in Zürich und Wien für Furore gesorgt hat. In Zürich rührte sie einen hart gesottenen Manager öffentlich zu Tränen, der davon so betroffen war, dass er wenige Tage später um eine private Vorführung in Boenickes Showroom in Basel bat. Als er dort neuerlich heulte, nahm er das letzte vorrätige Paar kurzer Hand an sich.
In Wien wagte Boenicke den Vergleich mit Live-Musik. Als Teil seiner professionellen Arbeit macht er regelmäßig Aufnahmen und zieht diese zur endgültigen Abstimmung und Beurteilung seiner Lautsprecher heran. Auch diesmal nahm er die Performance der Musiker mit dem eigenen Equipment auf und spielte sie umgehend über die SLS wieder ab. In der Folge war der Vorführraum weit über die Veranstaltung hinaus Tummelplatz für Musiker und Kritiker, die auch um 4 Uhr morgens noch darum buhlten, wer als nächster den Plattenspieler mit Vinyl versorgen durfte.
Welchen Platz hat das Gerede um Ästhetik in einem Umfeld, dessen Fokus auf der unverfälschten Wiedergabe von akustischen Eindrücken liegt? Ohne Zweifel gibt es eine Ästhetik des Echten, Unverfälschten. Etwas, worüber man nicht nachdenken muss, das so ist wie es ist, und keine Begründung braucht. Musikhören mit der SLS entspricht diesem Eindruck.
Auf den ersten Blick ist die Boenicke Audio SLS lediglich eine schmale Säule, kaum zehn Zentimeter breit, dafür mit 150 Zentimetern ungewöhnlich hoch. Die geringe Tiefe von 23,5 Zentimetern macht die SLS zum Wohnraumobjekt, das Besuchern auffällt und neugierige Fragen nach sich zieht. Die Schallfront zieren zwei Acht-Zentimeter-Aluminium-Wabensandwich-Chassis, die sehr breitbandig Mitten und Höhen abstrahlen. Seitlich sorgt ein ebenfalls als Breitbänder eingesetztes Papierchassis für den Anschluss zu je zwei Sieben-Zoll-Basslautsprechern pro Kanal, die mittels einer externen Digitalweiche aktiv angesteuert werden. Fünf Chassis pro Seite lassen eine komplexe Schaltungstechnik erwarten.
„Das Gegenteil ist der Fall“ meint Boenicke entschieden. „Wir suchen so lange nach geeigneten Treibern, bis wir genau das haben, was wir wollen.“
„Was genau muss ein Treiber können, dass er für eine Boenicke Audio Konstruktion in Frage kommt?“
„Wir verwenden Treiber, die einen möglichst breiten nutzbaren Frequenzbereich aufweisen und gleichzeitig eine Frequenzganglinearität bieten, die in der Weiche nicht korrigiert werden muss.“
„Was heißt das für die SLS konkret?“
„Bei uns findet man keine im Signalteil liegenden Bauteile in der Weiche.“
„Gar keine?“
„Die Ausnahme bilden Bauteile, denen wir eine klangsteigernde Wirkung attestieren, wie den Bybee Quantum Purifiern. Und den Hochtöner müssen wir natürlich vor tiefen Frequenzen schützen, aber dafür genügt ein qualitativ herausragender Kondensator.“
„Gehören die Bybee Quantum Purifiers nicht eher in die Rubrik Tuning?“
„Ja, das stimmt. Wir verwenden sogar eine ganze Reihe von Tuning Maßnahmen, quasi als Standard. Dazu gehören die Marigo Audio Labs VTS Dots, Harmonix Tuning Bases und einiges mehr“.
„Das klingt aufwändig.“
„Ist es auch. Die SLS ist jedoch das Paradebeispiel eines cost-no-object Ansatzes. Die Innenverkabelung etwa besteht aus massivem Feinsilber, das kryogenisch behandelt ist.“
„Machen wir einen Schritt zurück, bevor wir ins Detail gehen. Was war der grundsätzliche Design Ansatz?“
„Das ursprüngliche Ziel war die Gestaltung eines wohnraumfreundlichen Lautsprechers, der höchsten Klangansprüchen genügt. Wohnraumfreundlich bedeutet, dass der WAF hoch ist.“
„Kein ernsthafter audiophiler wird seine Lautsprecherwahl allein mit einem hohen WAF begründen!“
„Sicher, klein und audiophil können viele, und akzeptieren dabei notgedrungen fehlendes Fundament und geringe dynamische Fähigkeiten. Die SLS wurde aber als dynamischer Schallwandler mit Blickrichtung auf eine klanglich beeindruckende untere Grenzfrequenz konstruiert.“
„Wie genau wurden die technischen Designentscheidungen getroffen?“
„Eine Überlegung war, hochspezialisierte Treiber in sehr kleinen geschlossenen Gehäusen einzubauen. Der Nachteil einer solchen Konstruktion ist, dass der Wirkungsgrad des Gesamtsystems sehr gering ist. Man bräuchte dann locker einige hundert Watt, um genügend Luft zu bewegen, wenn das Musikmaterial einmal dynamisch und laut wird. So mussten wir ganz neue Wege gehen, um aus dem geringen Volumen tiefen Bass heraus zu holen.“
„Hat die auffällige äußere Form etwas mit diesem neuen Weg zu tun?“
„Ja, wir sahen eine Option darin, die rückwärtig abgestrahlte Energie der Treiber nicht nutzlos im Inneren des Gehäuses zu vernichten, sondern sie an der Schallabstrahlung des Lautsprechers teilhaben zu lassen. Die SLS besitzt dazu eine innere Struktur, die mittels einer CNC Maschine ins Massivholz gefräst ist.“
„Eine Transmission Line?“
„Genau genommen eine Mischung aus Transmission Line und Back Loaded Horn. Der Punkt ist, dass diese Struktur völlig ohne Bedämpfung auskommt. Dieses Horn ermöglicht eine Anpassung der akustischen Impedanz, die die Treiber sehen. Mit der SLS können somit verhältnismäßig große Pegel gefahren werden, ehe die Membranauslenkung ans Limit kommt.“
„Die schlanke Form der SLS macht es nötig, dass die Konustreiber seitlich montiert sind. Lautet hier der Grundsatz „Form follows aesthetics“ anstelle von „Form follows function?“
„Das ist gar nicht eindeutig zu beantworten. Je nach dem, welche klangästhetischen Vorlieben man hat, ist die seitliche Montage sogar ein großer Vorteil, der die SLS in gewissen Bereichen fast unschlagbar macht. Eine seitliche und damit eher indirekte Abstrahlung ist immer dann ein Vorteil, wenn es um geringe Hördistanzen geht. Das bedeutet, die Lautsprecher stehen frei im Raum und der Hörplatz ist recht nahe vor dem Lautsprecher. Die SLS ist dann in der Lage, akustisch zu verschwinden und somit als technisches Medium in den Hintergrund zu rücken.“
„Was ist der Nachteil dieser Konstruktion?“
„Ein Nachteil jedes indirekt strahlenden Speakers tritt bei großen Hördistanzen auf. Subjektiv ist dann eine geringere „physische“ Attacke im Grundtonbereich und Bass erfahrbar. Obwohl solch tiefe Frequenzen sich kugelförmig ausbauen, scheint es doch eine Art Energievektor zu geben, der sich geradeaus ausbreitet.“
„Was an der SLS sofort auffällt, ist die ungemein hochwertige Optik. Immer wieder kommt es vor, dass Messe-Besucher vortreten und das Massivholz der SLS haptisch im wahrsten Sinne des Wortes „begreifen“ wollen.“
„Wir legen ja auch weiße Handschuhe bei jeder Auslieferung bei, damit die geölten Oberflächen makellos bleiben.“
„Warum wählt Boenicke Audio Massivholz? Wahrscheinlich gibt es Materialien, die fertigungstechnisch weniger Risiken bergen.“
„Es hat auch eine Weile gedauert, bis wir die Produktion in den Griff bekommen haben. Das Geheimnis liegt in der Auswahl des Holzes, des Trocknungsgrades und der Art der Verleimung.“
„War die Entscheidung für Massivholz rein klanglich bedingt?“
„Definitiv. Ich bin der Auffassung, dass es so etwas wie einen spezifischen Klang jedes Materials gibt, nennen wir es Materialklang. Ich meine damit, den besonderen Klang eines Materials unabhängig von dessen Form, Dimension oder Abmessung. Und da ragt für mich im Lautsprecherbau Massivholz heraus, wir haben besonders mit Fruchtbäumen wie Kirsche, aber auch Ahorn und Nussbaum sehr erfreuliche Erfahrungen gemacht. Aluminium, Kunststoffe oder auch das im Lautsprecherbau weit verbreitete MDF fallen klanglich so deutlich ins Kalte und Technische ab, dass sie für Boenicke Audio keine Option sind.“
„Wodurch ist der spezifische Materialklang denn dann beeinflusst, wenn nicht durch Form, Dimension oder Abmessung?“
„Der Materialklang ist sicher von der inneren Spannung des Materials beeinflusst und von der Umgebungstemperatur. Wir empfehlen unseren Kunden auch, die Lautsprecher erst einige Tage „ankommen“ zu lassen. Um die Wirkung des Materialklangs zu beschreiben, führe ich meinen Kunden auch gern den Unterschied zwischen einem Mitteltöner mit einem Aluminium Phaseplug und einem Holz Phaseplug vor. Obwohl sämtliche Chassisparameter identisch sind und auch Aluminium und Holzphaseplug dieselbe Form und dieselben Masse haben, klingt die Holzvariante signifikant natürlicher und schöner in den Klangfarben. Das interessante ist, dass die Zuhörer subjektiv in der Folge auch ein Mehr an Auflösung wahrnehmen.“
„Die HiFi-Welt ist ja bekanntlich voller psychoakustischer Phänomene, die auch gerne durch geschicktes Marketing bedient werden. Wie lässt sich denn dieses Materialklang Phänomen von der Theorie her erklären?“
„Dieter Ennemoser hat mit seiner C-37 Soundtheorie die entscheidenden Erklärungshinweise geliefert. Unser Gehirn scheint Obertonresonanzstrukturen, die durch Schwingungsanregung von natürlichem Material entstehen, auf Dauer unangestrengter verarbeiten zu können. Zu den natürlichen Materialien zählen eben insbesondere Holz oder körpereigene Strukturen wie die Knochen. Ennemoser stellte fest, dass unser Ohr selbst, insbesondere die Bestandteile des Innenohrs, spezielle Resonanzstrukturen aufweist, wenn es seine Arbeit verrichtet - wenn also der Schall von der Umgebung, vom Konzert oder vom Lautsprecher aufgenommen und mechanisch weitergeleitet wird. Will das Gehirn nun aber bloß die Nutzgeräusche und Töne der Außenwelt, nicht aber die durch die Bestandteile des Ohrs selbst hinzugemischten Resonanzanteile „hören“ und verwerten, so muss das Gehirn diese Resonanz-Zugaben des Hörapparates subtrahieren, wegfiltern. Dies scheint es im Laufe der Zeit sehr gut gelernt zu haben.“
„In einer Anlage und besonders im Lautsprecher hat man es ja immer mit Resonanzen zu tun. Das Nutzsignal wäre also das theoretisch unverfälschte Musiksignal, das „Störsignal“ die Resonanzen der gesamten Anlage, des Hörraumes, der unnatürlichen Materialien der Umgebung und so weiter?“
„Ja. Will man einen subjektiv weitgehend unverfärbten Klang, so muss man die Resonanzerscheinungen des Lautsprechers eliminieren – was in der Praxis niemals vollständig gelingt – oder denjenigen im Hörapparat angleichen. Das Gehirn wertet Vollholz als maximal unverfärbt und somit als maximal natürlich. Unser Massivholzgehäuse bietet in Sachen Wärme und Echtheit der Klangfarben einen Materialklang, der mit Glas, Aluminium oder MDF in keiner Weise zu erreichen wäre. Wir verzichten auch ganz bewusst auf eine Lackschicht, die klanglich nicht zuträglich wäre, der Eindruck der edlen Oberfläche entsteht durch mehrfaches Ölen.“
Joachim Gerhard unterbricht das Gespräch und lädt in seinen Hörraum. „Da haben sie alle schon gesessen“ verweist er schmunzelnd auf den besten Hörplatz und zählt so nebenbei eine Handvoll der international bekanntesten Namen der HiFi-Welt auf. Aufgebaut sind Prototypen eines völlig neu konstruierten Breitbänders. Dieser ruht auf der SwingBase, einer von Boenicke Audio entwickelten intelligenten Geräteplattform zur Entkoppelung von Geräten und Lautsprechern. „Die Wirkung der SwingBase kann ich messtechnisch ganz leicht nachweisen“ meint Joachim Gerhard, „deswegen verwende ich sie und würde sie nur unter Androhung von Gewalt wieder wegnehmen! Sie ist für mich der Tuningartikel des Jahrzehnts.“
Sven Boenicke wiederum ist vom Breitbandchassis von Joachim Gerhard angetan und erwirbt gleich ein Paar für ein eventuelles zukünftiges Projekt. Die Höreindrücke bei Joachim Gerhard hinterlassen die Gewissheit, dass in naher Zukunft wieder eine breite Öffentlichkeit über eine Kreation aus Brilon staunen darf.
In der eigenen gewohnten Hörumgebung erinnern die SLS von Boenicke Audio dann tatsächlich in einigen Punkten an eine der prägenden Entwicklungen von Joachim Gerhard, die Avanti von Audio Physic. Ich hatte lange die Gelegenheit, die Performance der Avanti II zu schätzen, die für mich die gelungenste Symbiose aus Wohnraumfreundlichkeit und Musikwiedergabe darstellte.
Die SLS eignet sich ebenso wie die Avanti für die Aufstellung frei im Raum, mit möglichst viel Luft hinter dem Lautsprecher. Die Basis des Stereodreiecks kann dabei sehr breit gewählt werden, die Hördistanz zum Lautsprecher liefert schon ab 1,5 Metern einen schlicht atemberaubenden Eindruck an räumlicher Staffelung. Bei geringen Hördistanzen liefert der seitlich montierte Breitbänder vor allem bei natürlichen Instrumenten eine plastisch realistische Raumdarstellung. Wer es schätzt, in die Musikdarbietung gleichsam hineinzuschauen und ein Teil davon zu werden, hat hier seinen Lautsprecher gefunden. Die SLS baut ihre Darstellung aus der Raumtiefe heraus auf – je freier die SLS zur Rückwand steht, desto eindrucksvoller wird dieser Effekt. Gut nachvollziehbar ist diese Erfahrung auf der LP Antiphone Blues von Arne Domnerus. Die Orgel kommt voll und substantiell aus der scheinbar unendlichen Raumtiefe der Organin Spanga Church, während Domnerus´ Alt-Saxophon sich plastisch im Vordergrund abbildet. Immer wieder fasziniert es, wie die Orgel subjektiv viele Meter hinter dem eigentlichen Lautsprecher abgebildet wird.
Beim Vergleich verschiedener Aufnahmetechniken bestätigte sich der Eindruck, dass die SLS besonders Musik, die in tatsächlich akustisch mitwirkenden Räumen mit wenigen Mikrofonen aufgenommen wurde, in eindringlicher Authentizität wiederzugeben vermag.
Dieses Potenzial zu räumlicher Tiefenstaffelung und Loslösung unterscheidet sie grundlegend von der Philosophie manch anderer Entwickler und Musikliebhaber, die eine „anspringende“ Abbildung noch möglichst vor dem Lautsprecher vorziehen. Eine Audio Note AN/E etwa, die zur Bassunterstützung eine wandnahe Positionierung nützen kann, vermittelt den Röhrenklang einer guten Audio Note Kette bevorzugt durch eine nach vorne gerichteten Abbildung. Wie bei vielen Aspekten der Musikwiedergabe geht es hierbei um subjektive Präferenzen, beide Arten der Darstellung haben ihren spezifischen Reiz und ihre überzeugten Anhänger.
Bei Hördistanzen über zweieinhalb Meter ergibt sich eine interessante Erfahrung. Audiophile Aufnahmen, die wiederum mit wenigen Mikrofonen möglichst „natürlich“ realisiert wurden, klingen aus meiner Sicht über die SLS realistischer als über herkömmliche Lautsprecher. Meine Vermutung geht dahin, dass diese Aufnahmen den Aufnahmeraum meist mit einbeziehen oder ihn zumindest nicht nachträglich verändern wollen. Boenicke geht davon aus, dass eine ausgeprägte Räumlichkeit, die auf einer Aufnahme vorhanden ist, wiederum eines Raumes, des Hörraumes bedarf, um den speziellen Charme dieser Räumlichkeit wiederzugeben. Der Hörraum müsste möglichst homogen mit einbezogen werden, was bei Direktstrahlern prinzipbedingt schwerer möglich ist.
Hört man mit der SLS bei größeren Hördistanzen etwa elektronische Musik, so ist das Einbeziehen des Hörraumes durch die seitliche Abstrahlung gewöhnungsbedürftig. Bei dieser Musikrichtung wünscht man sich Direktschall und somit direkte Energie, die beim Hörer ankommt. Das vertraute, anspringende Klangbild einer Yello Aufnahme etwa rastet sofort wieder ein, wenn die Hördistanz verringert wird – aber auch hier werden plötzlich Klangelemente, die von Meier und Blank offenbar deutlich hinter den Hauptmix platziert wurden, tatsächlich auch in dieser dazugewonnenen räumlichen Dimension abgebildet. Freunde von orchestraler Musik finden auch relativ unabhängig von der Hördistanz ihre Erfüllung, besonders dann, wenn man die Breitbandchassis nach außen dreht, wenn also die Seitenwände gezielt als Reflektionsfläche miteinbezogen werden. Dann werden Effekte erfahrbar, deren Herbeiwünschen bei der Entwicklung des Surround-Sounds Pate gestanden haben mag. Die Musik umgibt den Hörer, erfüllt auch den Raum hinter der Sitzposition mit Leben. Dies hat weniger mit klassischer HiFi-Stereowiedergabe zu tun, entspricht aber auf erstaunliche Weise der Erfahrung in einem akustisch mitwirkenden Konzertsaal.
Die SLS-Tonalität und Klangfarben sind über jeden Zweifel erhaben, hier geht das Konzept von Boenicke Audio sofort wahrnehmbar auf. Wie lässt sich der klangfarbliche Unterschied zwischen der Massivholz-SLS und den größtenteils aus MDF hergestellten Großserienlautsprechern beschreiben? Der Meister greift zu einem Bild:
„Stellen sie sich zwei Räume vor. Der eine hat kein echtes Tageslicht und ist mit einer kühlen Leuchtstoffröhre erhellt. Der andere Raum hat ein grosses Fenster, das Sonnenlicht eines wolkenlosen Nachmittags strömt herein. Es können in beiden Räumen dieselben Gegenstände sein, und doch erscheinen sie alle – und die Räume selber – anders in ihrer Ausstrahlung“.
„Es geht hier aber nicht um besser oder schlechter, um richtig oder falsch?“
„Ich will hier nicht behaupten, das eine sei besser als das andere, aber es gibt da einen Unterschied in meiner Wahrnehmung der Umgebung. Ich fühle mich im Raum mit Fenster erheblich wohler und heiterer. Raum und Gegenstände erscheinen in einer Schwingung, die mir gut tut.“
„Die SLS, der Wohlfühllautsprecher für LOHAS?“ (Anm. “lifestile of health and sustainability”)
„Ein Ton gespielt über die SLS ist das Sonnenlicht fürs Ohr“ (lacht).
„Woran genau kann man das festmachen?“ (sehr ernst).
„Je simpler eine Musik ist, nehmen wir einen einzelnen gestrichenen Ton eines Cellos, desto essentieller ist es, dass der Ton stimmt. Dies wiederum ist untrennbar mit echtem Auflösungsvermögen in der Elektronik der Kette, aber auch jeden Kabels und jeden passiven Bauteils im Lautsprecher verbunden. Deswegen legen wir so grossen Wert auf die Qualität jedes einzelnen Bauteils – ja wir überprüfen sogar die Orientierung (auch bei den Treibern selber!), in welcher das Bauteil in den Signalweg eingeschleift wird.“
„Mir fällt auf, dass im Gespräch auch andere Wahrnehmungskanäle als die akustische Erfahrung über das menschliche Gehör herangezogen werden, um auf die Besonderheit der Entwicklungen von Boenicke Audio hinzuweisen.“
„Wir arbeiten daran, dass der Ton als dreidimensionales Gebilde im Raum optisch wahrnehmbar ist. Er soll, um im obigen Bild zu bleiben, dasselbe Licht abstrahlen wie das Original. Wenn das stimmt, folgt bei klangfarbenschöner Musik sofort eine körperliche Reaktion. Der Körper muss sich nicht wehren.“
„Der Körper lügt nicht … Welche Konzerterfahrungen beziehungsweise welche Art von Musik ziehen Sie für Ihre Arbeit heran?“
„Den Gang in einen Konzertsaal kann nichts ersetzen. Ich kann mir Klangfarben in Form eines bildlichen Farbtones beinahe fotografisch über lange Zeit merken.“
„Können Sie uns ein Beispiel nennen?“
„Bei Arvo Pärt wird deutlich, wie sehr Musik von der Entdeckbarkeit feiner und feinster Klangfarbenunterschiede, ja vom in echter Musik immanenten Licht, der Klangfarbe an sich, lebt. Bei Pärts meist sehr getragen und langsam gespielten Werken bleibt genügend Zeit, in Schwingungen und Klangfarben einzutauchen. Dann tut sich ein Universum an dichtesten Sinneseindrücken auf, in dem sich Zeit und Raum tatsächlich manchmal verflüchtigen.“
Um die Eindrücke von Boenicke selbst nachzuvollziehen, empfiehlt sich eine sorgsame Auswahl möglicher Verstärkerkombinationen. Dies können qualitativ hochwertige Transistoren ebenso sein wie die guten alten Röhren, die gar keine Leistungsriesen sein müssen. Aus reiner Neugierde habe ich den Mittelhochtonbereich mit einer 8 Watt Sun-Audio 300B Röhre bestritten, was zu meinem Erstaunen leistungsmäßig für den Großteil der Musikauswahl genügte.
Man freut sich also über Klangfarben von scheinbar echten Instrumenten und zieht intuitiv alte Aufnahmen aus der Plattensammlung hervor. Die Freude an der natürlichen Wiedergabe von Stimmen bestimmt ebenso die Musikauswahl wie die Neugierde über die Entdeckbarkeit unterschiedlicher Abmischungsvorlieben der Toningenieure.
Tatsächlich finden sich Boenicke Audio Lautsprecher ob ihrer Wiedergabetreue in Tonstudios, dann allerdings mit stattlichen Chassisdurchmessern und geradezu brachialen dynamischen Fähigkeiten. Als ich einem audiophilen Freund, der ob seiner Vorliebe für laute Musikwiedergabe alle paar Wochen einen durchgebrannten Widerstand in seiner Frequenzweiche ersetzen muss, einen Studio Prototypen von Boenicke Audio vorführte, wurden derart hohe Lautstärken erreicht, dass der gute Mann erstmalig hinter seinem Sofa Zuflucht suchte.
Boenicke Audio Kunden finden sich auch unter Musikkritikern, auch bei HiFi-Statement, die einen unverfälschten Standard für ihre Arbeit brauchen. Bei meiner Recherche fand sich auch eine spezielle Form der Mass-Customization. Ein Bankdirektor in Oberösterreich führt Interessierten auf unnachahmliche Weise seine Boenicke Audio Einzelanfertigung vor, die die Grenzen der Wirtschaftlichkeit herkömmlicher Großserien-Produkte sprengt: Aktive 48- ZentimeterBässe, 28- Zentimeter-Bassmitteltöner mit Elektromagneten, Mundorf Dipol Air Motion Transformer, alles in edelstem Holz und mit Bienenwachs innwändig gedämmt.
Für Normalsterbliche bietet die SLS das beste Kondensat dieser spektakulären Sonderanfertigungen. Doch auch um sie muss man sich ein wenig bemühen, bevor sie ihre Qualitäten voll entfaltet.
Wie erwähnt, wird die SLS mit einer aktiven Digitalweiche für den Bass ausgeliefert. Das bedingt neben einem eigenen Verstärker für die tiefen Töne auch die Bereitschaft, sich auf die optimale Anpassung des SLS Bassmoduls an die persönlichen Raumgegebenheiten einzulassen. Wer nicht das Glück hat, dass der Meister selbst vorbeikommt und unterschiedliche Filtercharakteristiken, Flankensteilheiten und Trennfrequenzen per Fernbedienung und absolutem Gehör binnen Minuten einstellt, sollte einige Geduld investieren.
Was bekommt man dafür?
Die Abbildungspräzision eines Minimonitors gepaart mit der Autorität eines großen Lautsprechers. Die SLS ist ein ästhetisches Statement des Lautsprecherbaus in der Formensprache des 21. Jahrhunderts. Definitiv keine Schlachtplatte, sondern ein Amuse Gueule für den großen Hörgenuss. Das Auge hört mit.
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Internet | www.boenicke-audio.ch |
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