Hätten Sie zu einem Hersteller so viel Vertrauen, dass Sie sich von ihm eine Komponente ohne vorherigen Hörtest bestellen würden? Einen Lautsprecher zum Beispiel, den es noch nicht einmal gibt, weil er noch nicht fertig entwickelt ist und von dem der Preis noch nicht feststeht? Natürlich nicht! Ich schon: die Odeon Rigoletto 2020.
Eins muss ich vorab gleich klarstellen: Dies ist kein klassischer Test, sondern eine Geschichte. Und zwar meine persönliche Geschichte darüber, wie nach weit über einem Jahrzehnt endlich einmal wieder ein professioneller Lautsprecher in mein Heim einziehen durfte. Und das auf Dauer. Meine Liaison mit der Odeon Rigoletto 2020 besteht nun schon seit über einem halben Jahr und unsere Beziehung wird immer fester. Meine Schreinerwerkzeuge liegen seit Monaten ungenutzt herum – jedenfalls verwende ich sie derzeit nicht mehr zum Fertigen eigener Lautsprechergehäuse –, was nicht unbedingt zum Missfallen meiner besseren Hälfte ist… Doch ich greife vor, der Reihe nach!
Für HiFi-Bastler, die immer wieder Löcher in Holzbretter sägen, diese zusammenleimen, Watte reinstopfen, Chassis reinschrauben, Strippen hindurchziehen und vielleicht sogar noch ein paar elektrische Bauteile zusammenbrutzeln, für die gibt es eine schöne umgangssprachliche Bezeichnung: „Frickler“. Der gemeine Frickler verbringt in der Regel viel mehr Zeit mit dem Basteln als mit dem Musikhören an sich. Quasi wie ein Kreuzritter ist er auf der Suche nach dem Heiligen klanglichen Gral und glaubt in seiner grenzenlosen Naivität tatsächlich, diesen auch finden zu können. Genauso einer war ich bis vor kurzem, und zwar ungefähr zweieinhalb Jahrzehnte lang. Denn wenn du einmal zum Kleinleistungs-Junkie geworden und auf Trioden-Droge bist, dann gibt es kein Zurück mehr und du hast ein grundsätzliches Problem: den geeigneten Lautsprecher für deine leistungsarmen Verstärkerchen zu finden. Der Markt war und ist in Bezug auf Single Ended Trioden affine Lautsprecher eher überschaubar und du selbst kannst es ja sowieso viel besser, also hackst du immer wieder die Thiele-Small-Parameter aller potentiell geeigneten Chassis in eine Berechnungssoftware wie zum Beispiel AJ-Horn, interpretierst die Ergebnisse und baust munter Hörner, Transmissionlines oder andere, eher exotische Gehäuse wie zum Beispiel Open-Baffle-Wände. Auf diese Weise produzierst du natürlich ganz nebenbei viel Kaminholz, aber das sei nur mal so am Rande erwähnt. Und irgendwann dünkt dir: Das alles ist ein von Vornherein zum Scheitern verurteiltes Unterfangen, den Heiligen Lautsprecher-Gral, die klangliche Perfektion für eine Handvoll Triodenwatt, die wirst du nicht finden. Niemals. Da gibt es halt einfach einige Profis, die können das eben doch besser als du.
Etwas ernüchtert ob der neu gewonnenen Ehrlichkeit mir selbst gegenüber, letztlich resultierend aus dem Missverhältnis zwischen meiner zu hohen Erwartungshaltung in Bezug auf das klangliche Endergebnis einerseits und meiner wahrscheinlich limitierten Kompetenz in Sachen High-End-Lautsprecherbau andererseits, sondierte ich also den professionellen Lautsprechermarkt vor mittlerweile ziemlich genau einem Jahr mal wieder etwas intensiver. Ich machte mich auf die Suche nach einem geeigneten Spielpartner für meine Single Ended Trioden mit ihren mickrigen Ausgangsleistungen in der Spanne irgendwo zwischen einskommairgendwas und vier Watt. Häufig landete ich bei den mir bekannten Herstellern, hörte mich aber auch bei Redaktionskollegen nach vielversprechenden Newcomern um. So richtig konnte mich jedoch nichts begeistern, was aber durchaus an der relativ konkreten Konzeption lag, die mir grundsätzlich als Ideal für meine Kleinleistungstrioden vorschwebte: ein wirkungsgradstarkes Zweiwegsystem bestehend aus einem Hochtonhorn und einem Backloaded-Tiefmitteltonhorn. Bitteschön mit acht Ohm Nennimpedanz, einem maximal acht Zoll großen, hart aufgehängten Tiefmitteltöner aus Papier, möglichst einfacher Frequenzweiche ohne Korrekturglieder und ohne fiese Sauereien im Phasen- beziehungsweise Impedanzverlauf. Ach ja, ein Wirkungsgrad von nicht unbedingt weniger als 94 Dezibel pro Watt und Meter ist natürlich obligatorisch. Habe ich einfach nicht gefunden. Womöglich doch zu speziell?
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