Verzweifelt klammerte ich mich quasi an den einzigen Strohhalm, den ich noch zu fassen bekam und rief im Februar 2020 initiativ bei Odeon Audio an. Unter anderem deshalb, weil mir das leider in 2016 eingestellte Modell Rigoletto stets in sehr guter Erinnerung geblieben war und ich es schlicht versäumt habe, rechtzeitig zuzugreifen. Und außerdem, weil ich auf den Hamburger HiFi-Tagen am Anfang des gleichen Monats fast eine auf einem Flur umherstehende Odeon Audio Midas in wunderbarem Pappelfurnier umgerannt hätte… Der wahre Grund ist natürlich, dass Axel Gersdorff die drei wichtigsten Dinge mitbringt, die wesentliche Voraussetzungen für erfolgreichen Lautsprecherbau sind: Erfahrung, Erfahrung und nochmals Erfahrung, und davon mittlerweile über 40 Jahre. Zudem steht Odeon Audio für eine mir persönlich ganz besonders wichtige, heutzutage immer seltener anzutreffende Eigenschaft: Authentizität. Hektische, kurze Produktzyklen sind hier ein Fremdwort, bei Odeon Audio wird einfach nicht jedem kurzlebigen Modetrend hinterher gehechelt. Gut so! Und vielleicht am wichtigsten: Odeon Audio baut schicke, wirkungsgradstarke Hornlautsprecher.
An irgendeinem Vormittag im besagten Februar 2020 hatte ich also Constantin Buchholz an der Strippe und schilderte mein Problem. Die Midas mit ihren sechs Ohm und den beiden parallelen Tiefmitteltönern auf Bassreflex war nicht so ganz nach meinem persönlichen technischen Geschmack und bei den größeren Modellen in Odeons Portfolio hatte ich etwas Sorge, dass meine Single Ended Trioden mit ihren kaum nennenswerten Dämpfungsfaktoren die großen Tieftöner unter Kontrolle bekommen würden, Stichwort: Rückinduktion. Herr Buchholz entgegnete, dass Odeon Audio tatsächlich ein neues Modell bereits fast fertig entwickelt habe. Mit dem für Odeon typischen, klassischen Hochtonhörnchen – hier experimentierte man noch mit zwei unterschiedlichen Treibervarianten – und einem 18 Zentimeter großen Tiefmitteltöner aus Papier mit mehrfach gefalteter Sicke als Backloaded Horn. Ich war mehr als baff! Zu behaupten, dass mein Interesse geweckt war, wäre die Untertreibung des Jahrhunderts, ich war furchtbar aufgeregt! Sicher, ich hätte mich einfach darauf beschränken können, diesen Lautsprecher, sobald verfügbar, bei Odeon zum Test vorzumerken. Aber ich habe ihn sofort bestellt. Ich wusste sofort mit jeder Faser meines Körpers: Das ist mein Ding! Ein Blindkauf eines Modells also, das noch keinen Namen hatte, noch nicht zu Ende entwickelt war und von dem der Marktpreis noch nicht feststand. Aber ich war der festen Überzeugung, dass auch hier Odeons klangliches Erbgut wieder fest verankert sein würde und habe daher keine Sekunde gezögert. Um ehrlich zu sein, fällt mir aber auf die Schnelle kein anderer Hersteller ein, bei dem ich auch so gehandelt hätte.
Natürlich tauschte ich mich in der Folge sowohl mit Axel Gersdorff als auch mit Constantin Buchholz regelmäßig telefonisch aus und blieb hinsichtlich der Entwicklung und Fertigstellung „meines“ Lautsprechers immer eng am Ball. Selbst Fotos der ersten vom Schreiner gefertigten Rohgehäuse bekam ich zugeschickt. Unnötig zu erwähnen, dass beide stets auskunftsfreudig waren und es ein Genuss war, mit ihnen über Details, Kniffe und Finessen des Lautsprecherbaus zu fachsimpeln. So sind wir zum Beispiel der gemeinsamen Auffassung, dass man einen erstklassigen Tiefmitteltöner daran erkennt, dass er bereits ohne weitere Beschaltung direkt an eine Endstufe gehängt eine gute Figur macht – übrigens ohne Schallwand, auf dem Tisch liegend.
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