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MPS ist cool! Diesen Spruch kenne ich noch aus Jazzkreisen Ende der 60er Jahre, nur in einem anderen, damals aktuellen Wortlaut. MPS steht für Musikproduktion Schwarzwald. Es geht also um ein Jazzlabel aus deutschen Landen, das zunächst in Form von sechs Oscar Peterson LPs wieder zum Leben erweckt wurde.

Oscar Peterson diskutiert mit Brunner-Schwer am Mischpult. Er war für die Auswahl der Stücke extra nach Villingen gekommen. (Foto: Josef Werkmeister)
Oscar Peterson diskutiert mit Brunner-Schwer am Mischpult. Er war für die Auswahl der Stücke extra nach Villingen gekommen. (Foto: Josef Werkmeister)

MPS ist Kult! Obwohl ja meist etwas Kult ist, das bereits nicht mehr existiert, und MPS gibt es wieder. Das Label wurde 1968 von Hans Georg Brunner-Schwer gegründet. Seine Mutter war Erbin des Unternehmens SABA. SABA war die Abkürzung für Schwarzwälder Apparate Bau Anstalt; so würde man heutzutage wohl auch keine Firma mehr nennen. Für die jüngeren Leser unter uns: Damals hatte jeder ein Radio der Firma SABA, Nordmende, Metz oder Telefunken im Wohnzimmer stehen. Beliebt war damals das sogenannte „Gebissradio“, genannt nach den beige-farbigen Drucktasten zum Umschalten der Wellenbänder und Eingänge. Liebevolle Sprüche zu den Geräten gab es damals auch: „ Hats gequalmt und hats gestunken, wars ein Gerät von Telefunken“. Der Opa hatte sich damals noch fein gemacht, wenn es ans Fernsehgucken ging...

Quelle: SABA, hier das Modell Wildbad. Die „Zahnlücke“ in der Mitte kann man gut erkennen
Quelle: SABA, hier das Modell Wildbad. Die „Zahnlücke“ in der Mitte kann man gut erkennen

Diese Geräte hatten übrigens teilweise einen sehr guten Sound. Jedenfalls war die Mutter von Brunner-Schwer Erbin des Unternehmens. Er selbst war technischer Geschäftsführer der Firma, hatte aber 1963 angefangen, unter dem Label SABA Schallplatten eigene Tonträger zu produzieren. Als dann später SABA verkauft wurde, konnte er sich hauptberuflich seiner Leidenschaft, dem Tonstudio widmen. Neben einigen Aufnahmen in den Räumen des ehemaligen SABA-Geländes lud er auch Jazzmusiker wie Duke Ellington, Teddy Wilson, Oscar Peterson und fast die gesamte Crème der deutschen Jazzszene zu sich nach Hause ein. Damit verwandelte sich der großräumige, behagliche Salon der Familie Brunner-Schwer in einen intimen Konzertsaal. Oscar Peterson hatte er seit 1961 jedes Jahr zu sich nach Villingen eingeladen und bezahlte das Trio, als würde es tatsächlich im Konzertsaal spielen. Diese Hauskonzerte erinnerten ein wenig an die Salons des 19. Jahrhunderts, an Konzerte mit Frédéric Chopin oder Franz Liszt.

Nun ist es mit Aufnahmen im Jazz immer so eine Sache gewesen, im Tonstudio könnte man zwar den Klang optimieren, die sterile Studioatmosphäre wirkte sich aber hemmend auf die Performance der Musiker aus. Zudem wollten die Toningenieure seinerzeit die Instrumente weit auseinander ziehen, um zu demonstrieren, was man mit Stereoaufnahmen für tolle Effekte erzielen kann. Links das Klavier, rechts das Schlagzeug und in der Mitte das große schwarze Loch. Brunner-Schwer hätte dies zunächst auch nicht anders gemacht, wenn nicht Oscar Peterson Einspruch erhoben hätte und das Trio so aufgestellt, wie die Musiker eben am besten untereinander kommunizieren konnten. So entstand eine Sammlung der besten Aufnahmen, die Oscar Peterson je gemacht hatte.


Action war die erste LP der Serie „exclusively for my friends“, erschienen 1968. Diese war noch mit Peterson ursprünglichem Trio mit Ray Brown und Ed Thigpen eingespielt worden. Für viele war dies das beste Trio, das Peterson jemals hatte. Er selbst sah das anders
Action war die erste LP der Serie „exclusively for my friends“, erschienen 1968. Diese war noch mit Peterson ursprünglichem Trio mit Ray Brown und Ed Thigpen eingespielt worden. Für viele war dies das beste Trio, das Peterson jemals hatte. Er selbst sah das anders

Eine der Sessions mit Oscar Peterson wurde 1967 mitgeschnitten. Aufschluss über die grandiose Stimmung unter den Musikern gibt ein Interview von Egbert Hoehl:

Ich sagte Oscar Peterson u.a., dass ich die neuen Einspielungen noch mitreißender und grandioser als frühere Aufnahmen finde.
P: Wenn das so ist, wie Sie sagen, dann hat das mit dem Milieu zu tun, in dem die Aufnahmen entstanden. Es sind Trio-Aufnahmen und ein Trio fühlt sich in einem Wohnzimmer wohler als in einem großen Konzertsaal. Denken Sie an die privaten Sessions, die die Musiker zu ihrem eigenen Vergnügen veranstalten. Man kommt zusammen und spielt und hat seinen Spaß daran. Da ergibt sich die Stimmung von selbst und die Inspiration sprudelt nur so. Man braucht keine kommerziellen Rücksichten zu nehmen.
Frage: War also zunächst gar nicht an eine Auswertung gedacht?
P: Wir haben gespielt, sonst nichts. Es war eine großartige Atmosphäre.
Frage: Aber ich finde auch, dass die Aufnahmen technisch unerhört perfekt sind.
P: Ja, ich habe noch nie mit einem so einfühlsamen Toningenieur gearbeitet. Das wird’s sein. Und was mein Spiel angeht, man versucht natürlich immer besser zu werden. Und dann habe ich jetzt das beste Trio meiner ganzen Laufbahn. Sam Jones und Bobby Durham lassen sich vom Piano mitreißen und ich kann mich ihnen blind anvertrauen.
Frage: Perfekte Integration also? Verzeihen Sie das abgenutzte Wort.
P: Wieso abgenutzt? Es gibt so wenig echte Integration, dass man ruhig darüber sprechen kann. Ja, Dank Sam und Bobby ist die Integration jetzt optimal, wobei ich aber absolut nichts gegen die Freunde sagen will, die früher mit mir spielten. Das mit der Integration lässt sich nicht ganz rational erklären. Es hängt vielleicht vom Grad der Kommunikation ab. Jeder Mensch ist anders...
Als ich mir jetzt die Bänder erstmals anhörte, und zwar aus der Distanz von vier Monaten, die seit der Aufnahme vergangen sind, war ich regelrecht betroffen.

Peterson bei der Aufnahme von Action im Salon von Brunner-Schwer. Alle Musiker mit Kravatte! Aufgenommen wurden die Titel bereits ab 1963, aus vertraglichen Gründen konnten die LPs erst 1968 veröffentlicht werden. (Foto: Josef Werkmeister)
Peterson bei der Aufnahme von Action im Salon von Brunner-Schwer. Alle Musiker mit Kravatte! Aufgenommen wurden die Titel bereits ab 1963, aus vertraglichen Gründen konnten die LPs erst 1968 veröffentlicht werden. (Foto: Josef Werkmeister)

Frage: Betroffen? Sie meinen im positiven Sinne?
P: Ja, positiv. Das ist die hundertprozentige Realisierung dessen, was ich schon immer machen wollte. Dieses Trio ist wirklich das beste, das ich je hatte. Wir hatten von Anfang an ein Zusammengehörigkeitsgefühl, das sich bei den früheren Trios erst im Laufe der Zeit einstellte. Und so konnte ich diesmal in absoluter Weise meine persönlichen Gefühle ausdrücken.
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Firma Edel.

Peterson war ein bescheidener Mensch, diese überschwänglichen Äußerungen zeigen aber, welch grandiose Stimmung seinerzeit im Hause Brunner-Schwer vorgeherrscht haben muss. Und wie Petersons Musik hier klingt, war sie bisher nur den Hausgästen zugänglich, die eben das Glück hatten mit dabei gewesen zu sein.

Aber es ist nicht nur die Performance der Musiker, die herausragt, sondern auch die Aufnahmetechnik von Brunner-Schwer – damals auch gerne einmal Millionen-Schwer genannt. Der Jazz Experte Joachim Ernst Behrend hatte seinerzeit den Schallplattenproduzenten zu den Jazzparties im Schwarzwald befragt:

Joachim Ernst Behrend: Man hat einmal gesagt, ein guter Toningenieur sei so etwas wie das vierte, anonyme Mitglied eines Trios oder das fünfte Mitglied eines Quartetts. Er macht Musik auf seinem Aussteuerungstisch – wie die Musiker auf ihren Instrumenten. Ich glaube, dass gerade Ihre Beziehung zu Oscar Peterson so gesehen werden sollte – also nicht nur als technische, sondern auch als künstlerische und musikalische Beziehung.
Horst Georg Brunner-Schwer: Ich glaube, es war Mitte der 50er Jahre, als ich die erste Oscar Peterson Platte bekam. Peterson hat mich sofort ungeheuer fasziniert. Vor allem frappiert haben mich seine sogenannten „locked hands“ – ähnlich wie Milt Buckner und George Shearing sie brachten – und die ungeheure Dynamik. Oscar kann flüstern in leisen, ganz zarten, pastellfarbenen Tönen, um dann im nächsten Augenblick „brüllend“ zu werden, meinetwegen wie die ganze Count Basie Bigband.
JEB: Nun, Sie sind selbst Pianist, und ich glaube, das spielt bei Ihrer Art Pianisten aufzunehmen, eine besondere Rolle.


Girl Talk war die zweite Veröffentlichung der Serie, sie erschien noch im selben Jahr wie Action. Peterson spielt hier mit drei unterschiedlichen Trios, offensichtlich hatte er seine optimale Formation noch nicht gefunden. Die Aufnahmen wurden dementsprechend auch zu unterschiedlichen Zeiten gemacht
Girl Talk war die zweite Veröffentlichung der Serie, sie erschien noch im selben Jahr wie Action. Peterson spielt hier mit drei unterschiedlichen Trios, offensichtlich hatte er seine optimale Formation noch nicht gefunden. Die Aufnahmen wurden dementsprechend auch zu unterschiedlichen Zeiten gemacht

HGBS: Das ist richtig. Ich nehme das Klavier so auf, als wenn ich unmittelbar daran sitzen würde...als ob ich selbst spielte. Erst an den Nahtstellen, wo sich nämlich Kunst mit dem Mischpult verbindet, entscheidet es sich, ob man die Einstellung des Tones, die Abmischung der einzelnen Instrumente und speziell den richtigen Pianosound findet. Ich habe für jede Aufnahme eine ganz bestimmte Vorstellung, wie ein Flügel klingen muss. Und natürlich muss berücksichtigt werden, wer den Flügel spielt.
JEB: Man muss beispielsweise, wie Sie es getan haben, Bill Evans anders aufnehmen als Oscar Peterson und Milt Buckner und wieder anders als Wolfgang Dauner oder Friedrich Gulda. Früher hat man ja einmal gesagt, dass ein Orchester oder ein Piano so aufgenommen werden sollten, wie sie in Wirklichkeit klingen. Heute ist man da weiter. Die Berliner Philharmoniker unter Karajan klingen auf ihren Platten besser als in der Philharmonie. Yehudi Menuhins Geigenton kann niemand im Konzertsaal in so vollendeter Reinheit und Kraft hören, wie man es von seinen Platten her kennt. Ähnlich ist es bei Ihren Peterson Aufnahmen. Ich höre Peterson seit mehr als 15 Jahren – in Konzerten, auf Festivals, in Nightclubs und natürlich auch auf Platten. Aber ich habe ihn noch nie so brillant gehört, wie auf Ihren Aufnahmen.
HGBS: Ich erinnere mich noch, wie ich anfing, Oscar aufzunehmen. Es war 1963 und ich war natürlich sehr aufgeregt, einen so großen Star vor den Mikrofonen zu haben. Ich weiß noch, gleich am Anfang gab es ein paar Schwierigkeiten. Oscar sah die Trennwände und dass ich das Schlagzeug in eine Ecke stellte und den Bass ihm entgegengesetzt platziert hatte und er sagte gleich „No – das kommt nicht in Frage“. Ich habe dann alles so arrangiert, wie Oscar es sich vorstellte und bereits damals, bei dieser ersten Aufnahme, fand er, er habe noch nie so gut geklungen.
JEB: Das war das Trio mit Ray Brown und Ed Thigpen?
HGBS: Ja, auf dieser Platte sind es die Stücke der zweiten Seite (der LP Action) vor allem das phantastische „Foggy Day“
JEB: Sie haben ja nun im Laufe der Jahre ein wirklich repräsentatives Oscar Peterson Archiv geschaffen – wahrscheinlich das repräsentativste, das es gibt. Wie viele Sessions haben Sie gemacht?
HGBS: Von 1963 bis jetzt jedes Jahr eine. Also sechs Sessions. Ich glaube, es sind etwa 60 Titel.

Der zufriedene Gesichtsausdruck von Peterson spricht Bände! (Foto: Josef Werkmeister)
Der zufriedene Gesichtsausdruck von Peterson spricht Bände! (Foto: Josef Werkmeister)

JEB: Und daraus hat sich nun eine wirkliche Freundschaft entwickelt, was ja auch wieder der musikalischen Zusammenarbeit zugute kommt.
HGBS: Diese Freundschaft ist eigentlich ein Rätsel. Ich spreche so gut englisch, wie Oscar deutsch, das heißt, wir können uns verbal nicht verständigen. Und doch haben wir in allen Punkten die gleichen Interessen und Ambitionen. Er ist – genau wie ich – ein Klavierfan, was ja interessant ist, denn er kommt ja nicht vom Klavier her, sondern von der Klarinette. Er liebt die Natur, die Landschaft, hier bei uns den Schwarzwald, das Wasser – den Bodensee – er ist leidenschaftlicher Wassersportler, wie ich auch. Auch in politischer Hinsicht – etwa was das Rassenproblem betrifft – haben wir die gleichen Anschauungen. Sandy, Oscars Frau, hat einmal gesagt, wir seien „soul brothers“.
JEB: Wie ist es überhaupt möglich, dass diese Platten erscheinen können? Man weiß: Oscar ist an eine große amerikanische Plattenfirma exklusiv gebunden.
HGBS: Die Initiative ist eigentlich mehr von Oscar ausgegangen – einfach weil er hört, dass dies nicht nur von der Aufnahme, sondern auch von der Interpretation her das Maximale darstellt, was er überhaupt gespielt hat. Oscar hat oft darunter gelitten, dass sein Produzent Norman Granz ihn aus erklärlichen Gründen häufig bitten musste, kurze Stücke von nur 3 – 4 Minuten Dauer zu spielen. Er hat dann keine Entfaltungsmöglichkeit. Deshalb sagt er auch, dass seine guten Interpretationen in Amerika meist in Nightclubs zustande gekommen seien. Andererseits wird die Aufnahme dort dann wieder gestört durch das Reden der Gäste, durch Lachen und Gläserklirren – die Leute hören in den USA ja oft gar nicht richtig zu. Man sollte, glaube ich, nicht alles auf die Technik alleine schieben. Es kommt auf die ganze Atmosphäre an, die bei den Aufnahmen herrscht. Wir haben alle Aufnahmen in meinem Privathaus gemacht – auch die Soloplatte, jedoch ohne Publikum. Alle anderen Stücke – also auch diejenigen dieser Platte – entstanden bei Parties. Das hängt schon mit den ersten Aufnahmen zusammen, die wir gemacht haben, 1963. Die Agentur, die mir damals Peterson vermittelte, sagte: „Studioaufnahmen kommen nicht in Frage, Mr. Peterson ist exklusiv verpflichtet, er kann nur ein Hauskonzert machen.“ Ich habe mir dann gesagt, wir machen einfach eine Party. Und ich habe Leute eingeladen, von denen ich glaubte, dass sie Verständnis für diese Sache haben und das ist dann ein wirklicher Erfolg geworden.


In Jazzkreisen galt The Way I Really Play als eine seiner besten Arbeiten. Auch mit ein Verdienst von Brunner-Schwer. Die kraftvolle Spielweise von Peterson war bei Aufnahmen bisheriger Label nicht in dieser Form zu hören.
In Jazzkreisen galt The Way I Really Play als eine seiner besten Arbeiten. Auch mit ein Verdienst von Brunner-Schwer. Die kraftvolle Spielweise von Peterson war bei Aufnahmen bisheriger Label nicht in dieser Form zu hören.

JEB: Können Sie mir etwas über das Programm Ihrer Oscar Peterson Platten sagen?
HGBS: Also die erste ist mit dem Trio – Ray Brown und ED Thigpen. Auf der zweiten Platte gibt es noch einige Aufnahmen mit Brown und Thigpen, aber dann ist auch ein anderer Schlagzeuger mit dabei, Louis Hayes – er hatte ihn nur vorübergehend. Das dritte Album spielt das neue Trio, das Oscar jetzt hat, mit Sam Jones am Bass und Bob Durham Drums. Er sagt, das wäre das beste, was er je gehabt hätte, und ich glaube, das liegt im wesentlichen daran, dass seine beiden Musiker in erster Linie Begleiter sind – keine Solisten im Sinne wie Ray Brown es war.
JEB: Ja, es ist auffällig, dass sich die Peterson-Musik immer stärker zu einer solistischen Musik entwickelt hat. Am Anfang, bei dem Trio mit Barney Kessel, bzw. Herb Ellis auf der Gitarre und Ray Brown am Bass stand noch die Combo-Idee im Mittelpunkt – fast ein wenig im Sinne jener Integration, wie John Lewis sie für das Modern Jazz Quartet damals geprägt hatte.
HGBS: Ich glaube, das hat im Laufe der Jahre zu Schwierigkeiten geführt – in dem gleichen Maße, indem sich die überragende Solistenpersönlichkeit von Oscar Peterson immer mehr ausprägte.
JEB: Haben Sie alle Stücke allein oder mit Oscar Peterson ausgewählt?
HGBS: Natürlich mit Oscar. Er ist hierher nach Villingen gekommen und wir haben tagelang alles durchgehört. Und es war auffällig – fast immer waren wir einer Meinung, fast immer wollten wir die gleichen Stücke. Am Schluss war Oscar so begeistert, dass er mich mit nach Amerika nehmen wollte. Er sagte: „I’ll have to kidnap you.“
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Firma Edel.

Der seinerzeit grandiose Erfolg der MPS Einspielungen beruhte nun nicht nur auf der Performance von Oscar Peterson, sondern auch auf der Aufnahmetechnik von Brunner-Schwer. Wir erinnern uns, zu Beginn der Stereotechnik hatte man jedes Instrument einem der beiden Kanäle zugeordnet. Ping-Pong-Stereo hieß das dann später. Brunner-Schwer, der ja selbst Pianist war, hatte nun überlegt, wie er den Klang eines Flügels so aufnehmen kann, dass es so klingt, als würde er selbst am Klavier sitzen. Er wollte, dass links die Bässe, rechts der Diskant und in der Mitte der Rest erklingt. Dazu benutzte er drei Mikrofone, die unmittelbar über den Saiten platziert wurden. Diese musste er modifizieren, damit sie von dem direkten Klang nicht übersteuert wurden. Er nahm dafür eine geringere Empfindlichkeit in Kauf. Durch diese Aufnahmetechnik konnte die fulminante Spielweise von Peterson überhaupt erst auf einer Musikanlage wiedergegeben werden. Brunner-Schwer war auch sehr an Innovationen interessiert, so hatte er eines der ersten 16-Kanal-Mischpulte der Firma Ampex in Deutschland.

Oscar Peterson hatte Brunner-Schwer als einen Mann beschrieben, der von der Idee besessen war, auf Schallplatte wiederzugeben, was er in seinem Wohnzimmer gehört hatte.

Die Soloeinspielung My favorite instrument blieb Petersons eigener Favorit dieser Serie. Die Empfehlung, eine Soloplatte einzuspielen, hatte er von seinem Freund, Duke Ellington
Die Soloeinspielung My favorite instrument blieb Petersons eigener Favorit dieser Serie. Die Empfehlung, eine Soloplatte einzuspielen, hatte er von seinem Freund, Duke Ellington

Die Serie „exclusively for my friends“ wurde 1968 erstmals während der Europatournee des neuen Trios angekündigt. Es erschienen zunächst vier LPs mit bisher unveröffentlichten Aufnahmen: Action, Girl Talk, The Way I Really Play und My Favorite Instrument. Diese wurden später ergänzt durch zwei weitere LPs: Mellow Mood und Travellin’ On.

Als Brunner-Schwer von Petersons Vorliebe für Flügel der Firma Steinway erfuhr, wurde das bisher benutzte Modell Sauter durch einen Steinway 220 ersetzt. Der ganz große Flügel Steinway 270 wäre nicht unterzubringen gewesen. Dies gelang erst später, nachdem ein studioartiger Bungalow angebaut wurde. Die zweite Solo-LP Tracks ist mit diesem wesentlich größeren Flügel aufgenommen worden. Dies ist auch ganz klar zu hören, der Flügel hat mehr Grundton und vollere Bässe, wirkt irgendwie souveräner. Ein tolles Instrument!

Und zum Schluss die gute Nachricht, in dem Villinger Studio wird seit 2010 wieder aufgenommen! Ganz im Sinne der Philosophie von Brunner-Schwer. Glanzstück des Studios ist ein Bösendorfer Grand Imperial Flügel.

Zum Schluss noch einmal die ganze Serie mit dem dazugehörigen Schuber
Zum Schluss noch einmal die ganze Serie mit dem dazugehörigen Schuber

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Unser Röhrenspezialist Jürgen Saile zieht die Musikwiedergabe per CD-Player oder Laufwerk/Wandler-Kombination schnödem Computer-Hifi weiterhin vor. Und für diese Haltung fand er in Wojtek Pacula einen Bruder im Geiste. Dessen Ansichten wollen wir Ihnen nicht vorenthalten, auch wenn der polnische Kollege seine Meinung schon vor ein paar Monaten formulierte

Nach der Encyclopedia Britannica ist die kritische Masse die geringste Menge eines bestimmten spaltbaren Materials, das notwendig ist, um unter festgelegten Bedingungen eine sich selbst erhaltende Kettenreaktion zu erzielen. Das ist die klassische Definition. Am 25. Dezember 2012 wurde eine kritische Masse in San Francisco erreicht, die nur einen gemeinsamen Kern mit der klassischen Definition hat: Es versammelte sich eine Menge von Menschen (Radfahrern), die groß genug war, eine Kettenreaktion zu beginnen, die dazu führte, dass Radfahrer in die Verkehrsinfrastruktur der Stadt miteinbezogen wurden. Kritische Masse ist demnach ein Synonym für Wendepunkt. Stehen wir an einem solchen Wendepunkt?

Das ist es, was sich alle am Audio-Markt Beteiligten fragen. Im Großen und Ganzen ist es klar, dass wir kurz vor dem Ende der Lebenszeit physikalischer Medien stehen. Vor zwei Jahren, direkt nach der High End in München traf ich einen Vertreter von Cambridge Audio und fragte ihn: Bedeutet die jüngste Vorstellung des NP30 Audio-File-Players den Niedergang des CD-Players? Ich bekam eine unglaublich pragmatische Antwort: So lange wie die Leute CD-Player kaufen möchten, werden wir sie auch herstellen. Punktum. Nun, es sieht so aus, dass der Tag, an dem das nicht mehr so ist, eher früher als später kommen wird.

Anfangs schien das alles so fern, praktisch unwirklich. Am 24.November 2009 veröffentlichte Linn Audio die schockierende Aussage, dass man die Produktion von CD-Playern einstellen und sich völlig Musikservern zuwenden werde. Der Online-Shop der Schwesterfirma Linn Records – zur Zeit eine der besten Quellen für Klassische Musik – wurde genau aus diesem Grund verbessert und erweitert. Die meisten Hersteller von Audio-Elektronik rollten ungläubig die Augen, während sie sich am Kopf kratzten und verzweifelt herauszufinden versuchten, was passiert und wirklich dumm gelaufen war. Direkt vor unseren Augen findet ein Paradigmenwechsel statt: Der betrifft nicht nur die Kanäle, über die Musik verteilt und verkauft wird, auch nicht nur die Rechte an der Musik, die auf diese Art gekauft wird, sondern es geht um die gänzliche Transformation dessen, wie wir mit dem Hören von Musik umgehen, wie Witek Kaminski in seinem Artikel Musik sehen – die einfache Geschichte der Augen der Ohren und ein paar anderer Organe, die für das Hören verantwortlich sind aufzeigt.

Philips CD Pro-2M – Der Letzte der Großen, ausgenommen CEC. Worauf ich meine Ansicht stütze? Auf die Tatsache, dass da einer der letzten, wenn nicht der letzte Markstein des reinen High-End-Audio geht: Philips beendete die Produktion des CD Pro-2M Laufwerks, in anderen Worten: des CD-Mechanismus', der von der Mehrzahl der High-End-Hersteller in ihren CD-Playern verwendet wurde. Einige Beispiele: Audio Research CD-9, Ayon Audio CD-5 und CD-T, Ancient Audio in der Lektor-Serie, Jadis Calliope, Metronome Technologie Kalista Ultimate SE, Moon, LOIT Passeri, Reimyo CDT-777, Vitus Audio Signature SCD-010 und viele, viele mehr.


Dieses Kapitel der holländischen Firmengeschichte zu schließen, hat Symbolkraft, bedeutet es doch das Ende eines für alle verfügbaren Laufwerks dieser Klasse, das speziell für Anforderungen des Compact Disc Formats entwickelt wurde. Dadurch wird der einzige Player, der auf der Szene übrig bleibt, der riemengetriebene, japanische C.E.C. sein – und der Player von Burmester, der seine eigene Version davon verwendet. OEM-Geräte fertigt C.E.C. jedoch nicht. Paradoxerweise überlebten den Philips CD-Laufwerke der mittleren und unteren Preislage – OEM-Versionen, die einst Sony produzierte und die nun in den CD-Playern von Cambridge Audio verwendet werden, sowie Eigenentwicklungen von Cyrus und Naim. Das ist aber eine Übergangsphase, da auch diese Firmen schon seit Jahren mit Musikservern experimentieren. So scheint es, dass die Hersteller gezwungen sind, Lösungen zu verwenden, die für das SACD-Format entwickelt wurden – die hochwertigen VRDS-NEO-Laufwerke, die von der japanischen Firma TEAC/Esoteric gebaut und verkauft werden. Deren Produkte werden bereits von folgenden Firmen eingesetzt: Mark Levinson, Soulution, McIntosh und dCS. Das Vorgängermodell, das VRDS-Compact-Disc-Laufwerk wurde von Wadia bekannt gemacht, das heute DVD-ROM-Laufwerke verwendet. All das ist ganz klar ein letztes Goodbye zum reinen Compact Disc Format. Es ist schon fast Ironie, dass Linn, während man die Herstellung von Playern einstellte, auch die Produktion der selbst entwickelten, großen Silver Disk Engine, einem Multi-Format-Laufwerk, stoppte, das unter anderem auch bei McIntosh Verwendung fand.

Wenn nicht ein CD-Transport, was dann? Compact-Disc-Player werden offenbar noch einige – vielleicht sogar Dutzende – Jahre in Produktion bleiben. Das sich am schnellsten entwickelnde Element ihrer Konstruktion wird der D/A-Wandler sein, und diese Veränderungen werden vom Computer-Audio-Markt und dem für Musikserver erzwungen. Man sollte sich keinen Illusionen über das CD-Laufwerk hingeben: Es wird nicht weiter entwickelt und – da bin ich mir sicher – mehr und mehr vernachlässigt werden.

Eine steigende Zahl von High-End-Herstellern wird unter anderem nach DVD-ROM- und sogar nach BD-ROM-Laufwerken greifen. Wenn man mit verschiedenen Ingenieuren spricht, die digitale Quellen entwickeln, erkennt man große Gemeinsamkeiten in ihrer Einstellung gegenüber dem Drehmechanismus und dem System, das die empfangenen Daten bearbeitet. Kurz gesagt glauben sie, dass es der digitale Teil ist, der zählt. Das Laufwerk ist eine zweitrangige Komponente. Deren Job ist es, Daten von einem Medium zu lesen und sogar Computer-Laufwerke können das. Übrigens wird ein solches gerne mit dieser Aufgabe betraut: MSB Technology verwendet die Lösung bereits in seinem Universal Audio Transport plus.

Und wieder frage ich: Spielen Laufwerke wirklich keine Rolle? Während meiner jahrzehntelangen Beschäftigung mit Audio und High End bin ich sehr oft auf diese Meinung gestoßen. Perfekte D/A-Wandler werden häufig mit Signalen von minderwertigen Laufwerken gefüttert, die oft Teil eines CD-Players sind. All jene, die Lukasz Fikus Artikel The First Battle Of Transports von März 2009 – das ist exakt das Jahr, seit dem für Linn, den Hersteller des legendären CD 12 Sondek HDCD-Players, physikalische Medien keine Rolle mehr spielen – gelesen haben, müssen sich verwundert die Augen gerieben haben.

Das Experiment zeigte, dass unterschiedliche Laufwerke unterschiedliche klangliche Ergebnisse brachten, auch dann wenn sie mit D/A-Wandlern verbunden waren, die Schaltungen zur Jitter-Eliminierung besaßen. Jitter wird üblicherweise für klangliche Unterschiede verantwortlich gemacht – zumindest von denen, die akzeptieren, dass diese möglich sind. Eigentlich hätte die Frage nach dem Einfluss des Laufwerks schon nach dem Test des DAC64 der englischen Firma Chord Electronics in Stereophile geklärt und mit einer dicken Staubschicht bedeckt sein sollen: Der Wandler basierte auf einem Digitalprozessor mit RAM-Speicher und Watts-Transient-Aligned Digitalfilter. Das Signal vom CD-Laufwerk wurde erst zwischengespeichert (in den RAM geschrieben), gefiltert, um den Jitter zu minimalisieren, dann von einer ultrastabilen Masterclock neu getaktet und erst dann zum D/A-Wandler geschickt. Trotz heftiger Werbung und Marketing wurde bald klar, dass jeder Wechsel von einem hochwertigen zu einem mittelmäßigen Laufwerk zu einer signifikanten klanglichen Verschlechterung führte. Und das gab die Firma – natürlich nicht offen – zu, indem sie das CD Pro-2M in ihrem integrierten Red-Book-Standard-CD-Player einbaute.


Transport oder Drive? Wie üblich ist es auch bei einem bestimmten Teil der Audio-Welt gut zu wissen, worüber man redet. Bedenken Sie: Man denkt, indem man Sprache benutzt, und es sind Worte, die den Horizont unseres Verständnisses begrenzen. Deswegen kann man Bezeichnung und Terminologie nicht einfach ignorieren, auch nicht beim CD-Transport. Oder besser: dem Drive. Ein Mechanismus, einfach ausgedrückt. Traditionell benutzen wir die Worte Transport, Drive und Mechanismus. Indes sind diese Worte nicht komplett austauschbar. Wir benutzen sie, weil sich ihre Bedeutungen irgendwo überschneiden. Aber sie sind nicht ein und dasselbe.

Das Wort Transport stammt vom lateinischen transportare und bedeutet übertragen oder herüberziehen, wobei die Vorsilbe trans für auf die andere Seite oder von her steht. Das Oxford English Dictionary definiert Transport als die Aktion, eine Person oder einen Gegenstand von einem Ort zum einem anderen zu befördern oder zu übertragen und die Mittel der Beförderung oder Übertragung, manchmal auch die beförderten Dinge einschließend. Das würde bedeuten, dass der Mechanismus, der dafür benutzt wird, Daten von einer CD herunterzuziehen, sie in PCM umzuwandeln und das Signal nach draußen zu schicken, ein ideales Beispiel für eine Art von Transport ist. Es erfüllt das Kriterium, etwas zu übertragen (in diesem Fall die Daten) und das zusätzliche Kriterium, das heißt, alles andere zu tun, das nötig ist, damit es geschieht. Im Fall eines optischen CD-Transports bedeutet das, die CD zu drehen und das Signal zu decodieren.

Seit einiger Zeit gewinnt der Begriff Transport eine breitere, nicht streng mechanisch orientiert Bedeutung. Immer häufiger verfallen wir in die Wendung Digital-Transport, wenn wir über Streamer ohne eingebauten D/A-Wandler sprechen. Es ist interessant, dass das Wort sogar in diesem Fall treffend ist: Die Daten werden aus dem internen oder externen Speicher gelesen, decodiert und dann nach draußen geschickt. Diese Wendung wird von Firmen, die solche Geräte produzieren, genauso benutzt wie von Audio-Magazinen, obwohl Hersteller oft nach ungewöhnlichen, kreativen Namen für ihre Produkte suchen. Mit ist schon ein paar Mal das Wort Transporter aufgefallen, das ziemlich passend den Gegenstand eines Transports beschreibt.

Nun sollte offenkundig sein, was ein Drive ist: das Mittel oder der Mechanismus, von dem etwas angetrieben wird, besonders ein Gerät, bei dem Kraft von einem Teil auf das andere übertragen wird; ebenso die Tätigkeit des Antreiben oder Zustand angetrieben zu werden (Oxford English Dictionary). In der Audio-Welt ist der Drive der mechanische Teil des Transports, der die Aufgabe hat, die optische Scheibe zu drehen. Transport wäre ein übergeordneter Begriff: ein Gerät, das sich aus verschiedenen Teilen wie dem Drive, dem Decoder und der Ausgangsstufe zusammensetzt.

Das Ende. Aber was ist das wirklich? In der neuen, „nicht physikalischen“ Welt findet das Wort Transport seinen Platz ohne Probleme. Andererseits wird der Drive mit seinem Mechanismus verschwinden. Bevor das jedoch passiert, werden wir so viel mehr Musik von CDs lesen, als wir uns überhaupt vorstellen können. Es wird weitere Verbesserungen bei der Herstellung von CDs und Abspielssystemen geben. Freilich könnte Philips' Entscheidung, die Produktion des CD Pro-2M Transports einzustellen, dies deutlich schwieriger machen und eine Kettenreaktion auslösen. Die Erfahrung lehrt uns, dass die einfachsten Lösungen die besten Ergebnisse bringen. Und es gibt keine einfacherer Art eine CD zu lesen als sie sich auf einem CD-Transport drehen zu lassen. High-End-Hersteller, die zuvor einen leichten und komfortablen Zugang zu einem exzellenten mechanisch-elektrischen Gerät hatten – den CD Pro-2M zu kaufen war relativ simpel –, sehen sich nun einem großen Problem gegenüber. Wenn sie es schafften, ein Lager von CD-Drives anzulegen, und nicht zu viele fertige Produkte verkaufen, können sie so lange weitermachen, wie jemand noch Laufwerke und CD-Player kaufen möchte. Die übrigen Herstellen müssen das Problem frontal angehen und anfangen, mit SACD-Laufwerken zu experimentieren – vermutlich mit denen von TEAC/Esoteric, weil CEC, Burmester, Accuphase und Luxman, die ihre Laufwerke betriebsintern herstellen, sie nicht als OEM an andere Hersteller verkaufen. Ich bin gespannt, wie es ausgehen wird. Wenn man es pessimistisch sieht, muss man mit einer Menge sehr teurer Player mit aufgemotzten Laufwerken rechnen, die dafür entwickelte wurden, Computer-Daten (DVD-ROM, BD-ROM) zu lesen.

Schlussbemerkung: Am 1. Oktober 2009 nahm Gilad Tiefenbrun an einer von Linn organisierten Live-Debatte mit dem Titel Der Tod des CD-Players teil. Auch vier Jahre später ist die Antwort auf diese Frage Nein, auch wenn es nicht mehr so stark ist wie damals. Und das zu einem Zeitpunkt, wo die CD endlich so klingt, wie es eine High-End-Quelle tun sollte. Das ist wirklich schade.

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