Als ich den Verstärker erstmals in Betrieb nahm, eigentlich nur um zu prüfen, ob alles korrekt verkabelt ist und funktioniert, – im Wadia CD-Laufwerk befand sich The Well von Jennifer Warnes – war ich überrascht. Soviel Geschmeidigkeit und Klangfarbenpracht, auf der tiefen Bühne wohlgeordnet, hatte ich nicht erwartet und mit meinen „ehrlich“ klingenden Air Tight Monos so auch noch nicht erlebt. Der Lautsprecher-Spielpartner ist die Analysis Audio Epsilon, ein Planar/Bändchen-Konzept mit gutmütigem Impedanzverlauf bei nominal fünf Ohm und einem nicht gerade hohen Wirkungsgrad von 86 Dezibel. Die 50 Watt des Cayin reichen in meiner Audio-Kette im gut 20 Quadratmeter großen Hörraum völlig aus. Meine Air Tights liefern im Trioden-Betrieb auch nur 55 Watt und beheizen meinen Hörraum übrigens deutlich intensiver als es der CS-805A macht. Ich habe nicht das Gefühl, dass der CS-805A bei großen Lautstärken auch nur ansatzweise in Bedrängnis gerät. Egal, ob bei niedrigem Pegel oder weit aufgedreht, seine Musikalität stellt er immer in gleicher Weise betörend zur Schau. Betörend oder auch charmant scheint mir die passende Charakterisierung, weil dieser Cayin mir jede Art von Musik emotional vermittelt. Ich bin sofort dabei, höre hin, glaube das Wesen des Stückes zu verstehen oder bin von der Schönheit der Musik hingerissen. Meine Ehefrau kam vor ein paar Tagen mit Kaffee und Kuchen in den Hörraum. Sie ist an audiophilen Klängen nach unserer Definition nicht interessiert, liebt aber die Texte vornehmlich französischsprachiger Chansoniers wie Jaques Brel oder Charles Aznavour. Weil wir einige Abende zuvor, ich glaube es war in Arte TV, gemeinsam eine Reportage über das Leben von Salvatore Adamo gesehen hatten, wählte ich willkürlich ein Best Of-Album auf Qobuz. Adamos Gesang klang für mich so glaubwürdig, klar und fein artikuliert, die Instrumentierung bei den meisten Liedern zwar eher hintergründig und wenig plastisch, dass ich noch lange den teils beeindruckenden Texten Adamos gelauscht habe, nachdem meine Gattin längst wieder davongeschwebt war. Zuvor sprach sie ihre Anerkennung für die hervorragende Verständlichkeit aus und freute sich darüber, dass Adamos Stimme „wie echt“ klang.
Kürzlich beschäftigte ich mich an dieser Stelle mit dem hervorragend klingenden Soundastic Reference Vollverstärker, der mit 6500 Euro etwa gleich teuer ist wie der Cayin. Von diesem war ich damals ebenfalls sehr angetan und wäre es heute sicher auch noch. Aber zwischen beiden Vollverstärkern liegen Welten, wenn man sie charakterisieren soll. Musikalisch Freude bereiten sie beide. Sie sind wie zwei Musikinstrumente, sagen wir eine Klavier und ein Saxophon. Beide faszinieren auf ihre Art. Der Cayin CS-805A ist der wohlklingende, schmeichelhafte. Er arbeitet ebenfalls die Nuancen des musikalischen Geschehens fein säuberlich aus, ordnet sie aber anders in das Ganzheitliche ein. In diesem Falle möchte ich mal von Röhrenklang sprechen, wenn ich so das gewisse Etwas an Wärme und Atmosphäre beschreiben darf. Das Klangbild des Soundastic ist ebenfalls fesselnd, ich möchte es eher als etwas sachlicher bezeichnen. Der Soundastic klingt sehr akkurat und aufgeräumt – das hat ebenfalls seinen Reiz. Der Cayin fasziniert. Es ist egal, ob ich mit diesem Verstärker kleine Klassik-Ensembles genieße oder Musiker wie Led Zeppelin auf die ausladende Bühne lasse. Er macht weniger den Eindruck des Sezierenden. Dennoch klingt er schön und lässt gleichzeitig hinsichtlich Feinzeichnung meine Erwartungen niemals unerfüllt – ganz im Gegenteil. Die virtuelle Bühne gestaltet er tief und ordnet die Instrumente oder Stimmen nicht allein tief räumlich hinter, sondern auch ein klein wenig mehr vor den Lautsprechern an, so dass das Gefühl der Nähe ausgeprägter ist. Ordnung und Konturenschärfe sind hier allemal gegeben. Jedes Instrument hat genug eigenen Raum, um körperlich zu wirken. Ob ich den CS-805A nun betörend oder charmant nenne, einher geht dieser Charakter mit einer frappierenden Durchleuchtung der Musik. Vor allem bei den Becken eines Schlagzeugs ist dies auffällig. Gegen den Cayin haben die dreimal so kostspieligen Air Tight ATM-3 in Sachen Feinzeichnung, Nachschwingen und Plastizität keine Chance. Das Metall wirkt da geradezu stumpf und blass. Die Art des Musizierens des CS-805A bringt umgehend Entspannung mit sich, das bewusste Lauschen in die Musik hinein strengt dabei überhaupt nicht an.
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