Emilie-Claire Barlow steht bei „The very thought of you“ exakt zwischen den Lautsprechern in meinem Hörraum und ich kann ihre Präsenz geradezu fühlen (Jazz Ballads - 2xHD 24/44,1). Doch keine Sorge: es wird jetzt nicht alles unterschiedslos in die Mitte gezogen und zentriert. Auf dem Live-Album VH-1 Storytellers teilen sich die beiden Protagonisten Johnny Cash und Willie Nelson die Bühne, erzählen kurze Geschichten über ihre Arbeit und tauschen Komplimente aus, während sie eine Auswahl sowohl berühmter als auch mitunter obskurer Songs spielen. Bei „Ghost Riders In The Sky“ besteht mit der FR5 kein Zweifel, dass Johnny Cash halb links und Willie Nelson halb rechts auf der Bühne sitzen; das bleibt auch an den wenigen Stellen so, an denen beide wirklich gemeinsam singen. Und hier kann die FR5 gleich noch eine weitere Stärke ausspielen. Die Wiedergabe der beiden markanten, aber doch so verschiedenen Stimmen gelingt der FR5 großartig, was eine besondere Verbindung mit dem Zuhörer schafft. Genauso beeindruckend ist, wie die FR5 im Sampler Best Audiophile Voices V die Unterschiede in den Stimmen einer Emi Fujita, Emilie-Claire Barlow oder Eva Cassidy herausarbeitet. Die Fähigkeit, im Mittenbereich kleinste Details freizulegen, kommt auch der Wiedergabe akustischer Instrumente in besonderer Weise zugute. Bei „Ida y Vueta“ mit Gino D‘ Auri (Flamenco Passion - FIM XRCD) haben die Instrumente viel Substanz, sind farbig und greifbar. Auch Kleinigkeiten, wie ein Klopfen auf dem Korpus der Instrumente, sind klar hörbar und verleihen dem musikalischen Gesamteindruck das gewisse Extra.
Überzeugend ist, wie der Hochtonbereich nahtlos an den ausgezeichneten Mitteltonbereich anschließen kann. In den Streichersonaten von G.A. Rossini für zwei Violinen, Cello und Kontrabass (Salvatore Accardo: Rossini: 5 Sonate a Quattro - LIM UHD) ist mit der FR5 der Klang der Streicher weich, flüssig und strahlend, aber zugleich völlig frei auch nur eines Anflugs von Härte. Die Musik fließt in allen Tonlagen mit großer Anmut dahin. Hinzu kommt die außerordentliche Schnelligkeit in der Wiedergabe. In der ausgezeichneten Aufnahme des „Streichquartetts Op. 76, No. 5, Finale“ von Joseph Haydn (The Nordic Sound: 2L audiophile reference recordings - 24/192) sprüht das Engegård Quartet nur so vor Spielfreude und die FR5 versetzt uns regelrecht ins Zentrum des Streichquartetts. Dazu trägt bei, dass die klanglichen Ecken und Kanten so ganz und gar nicht glattgebügelt werden. Begeben wir uns ans andere Ende des Frequenzspektrums und kommen zum vermeintlichen Schwachpunkt der FR5. Ich höre schon die Stimmen, die sagen, dass ein so kleiner Lautsprecher – ich finde die FR5 gar nicht so klein – keine überzeugende Basswiedergabe haben kann. Kann er doch – die FR5 ist der überzeugende Beweis. In „The Expert“ breitet Yello einen Bassteppich nach dem anderen vor uns aus (Yello: Yello 40 Years – 24/48). Die FR5 schafft deutlich mehr, als die untersten Lagen nur anzudeuten, sondern lässt uns exakt zwischen den verschiedenen – auch den ganz tiefen – Basslagen unterscheiden. Auch die Titel auf dem bekannten Album Hell Freezes Over von den Eagles (Eagles: Hell Freezes Over - XRCD) kommen mit einem knackigen und fülligen Bass daher. Man muss zwar nicht gleich nach einem verborgenen Subwoofer suchen, aber was die FR5 hier abliefert, ist sauber und hat ordentlich Tiefgang. Damit kann sich auch Dee Dee Bridgewater in „I'm Ready“ (Dee Dee Bridgewater: Memphis … Yes, I'm Ready; 24/96) auf ein sattes tonales Fundament in den unteren Oktaven stützen. Und bei höherer Lautstärke geht es mit der FR5 richtig schön zur Sache.
Wenn Sie nun den Eindruck haben, dass die FR5 nur bei der Wiedergabe von Stimmen, Soloinstrumenten oder kleinen Besetzungen ihre Stärken hat, kann ich Sie beruhigen. In der klanglich exzellenten Einspielung der „7. Symphonie“ von Ludwig van Beethoven mit dem Budapest Festival Orchestra (Beethoven: Symphony No. 7 - Channel Classics, 24/96) unter Iván Fischer entwirft die FR5 nicht nur in der Tiefe, sondern auch in der Breite eine richtig große Klangbühne. Die Tiefenstaffelung der einzelnen Instrumentengruppen ist exzellent und auch in den großen Fortissimo-Passagen kommt niemals ein Zweifel auf, wo welches Instrument seinen Platz auf der Bühne hat. Das geht weit über das hinaus, was man von einem „kleinen“ Lautsprecher gemeinhin erwartet. Hören wir, weil es gerade so viel Spaß macht, noch die „Spanischen Ouvertüre Nr. 1: Capriccio brillante über La Jota Aragonesa“ von Mikhail Glinka mit Vladimir Jurowski und dem London Philharmonic Orchestra (Valdimir Jurowski: 10 years). Die Fähigkeit der FR5 zu feindynamischen Abstufungen ist bei dieser Aufnahme beeindruckend. Das Schöne dabei ist, dass die bereits im Fortissimo angelangten Pauken die noch leise im Piano verweilenden und im Orchester vorne sitzenden Violinen nicht verdecken. An dieser Stelle noch ein paar Hinweise, die auf meinen Erfahrungen nach mehreren Wochen intensiver Beschäftigung mit der FR5 beruhen: Erstens: Die FR5 verlangt nach kräftigen Verstärkern, PS Audio selbst empfiehlt Leistungen zwischen 50 und 150 Watt. Die FR5 lässt sich mit meiner Omtec CA 25, die etwa 25 Watt pro Kanal im reinen Class A-Betrieb liefert, problemlos betreiben. Aber: Sie fühlt sich an meiner Stax DA-80M, die etwa 80 Watt pro Kanal, ebenfalls im Class A-Betrieb, bereitstellt, hörbar wohler. Das mehr an Leistung führt zu einem weitläufigeren Klangbild in allen Dimensionen und zu mehr Kraft im Bassbereich.