Ein Blick ins Zentrum der Tief/Mitteltöner zeigt, wie viel Beachtung bei den Tactic-3.0-Treibern auch dem Bauteil geschenkt wird, das andernorts schlicht als „Dust Cap“ oder Staubschutzkappe bezeichnet wird und meist recht schlicht daher kommt. Im 3D-Druck wird hier unter Verwendung von fünf Materialien und Klebestoffen ein Objekt mit einer Gitterstruktur erstellt, das nicht nur den Frequenzgang linearisieren und Verzerrungen vermindern, sondern auch einen positiven Einfluss auf die Dämpfung der Membran haben und für einen harmonischeren Übergang zum Abstrahlverhalten des Hochtöners sorgen soll. Für die allertiefsten Frequenzen ist in der A.C.T. 3Zero ein Tactic-3.0-Isobaric-Drive-System zuständig: Zwei Tiefton-Chassis werden dafür mit einander zugewandten Membranen miteinander verschraubt. Das eingeschlossene Luftvolumen kann als Verbundstruktur mit einem hervorragenden Verhältnis zwischen Steifigkeit und Gewicht betrachtet werden. Während der Basstreiber im Inneren gegen das Gehäusevolumen arbeitet, steht dem, den man hört, nur der Druck des Hörraumes entgegen, woraus eine sehr niedrige Resonanzfrequenz resultiert. In einem konventionellen System wäre diese nur durch das Hinzufügen von Masse zu erreichen, was allerdings zu Lasten der Dynamik ginge. Beim Isobarik-Drive-System hingegen soll der Bass in seiner Sprungantwort sogar schneller sein als der Mitteltöner. Zudem ist das System kompakt im Aufbau und kommt bei gleichem Bassfrequenzgang mit der Hälfte des Gehäusevolumens einer sonst üblichen Lösung aus. Den Hochtonbereich ab fünf Kilohertz gibt der Fibonacci-Hochtöner wieder, der auch der gesamten Lautsprecher-Linie ihren Namen gibt. Wilson Benesch wählte den Namen als Hommage an den italienischen Mathematiker aus dem 12. Jahrhundert. Genau genommen werden damit die im 3D-Druck erstellten runden Elemente bezeichnet, die die Hochtonkalotte umgeben und die anstelle einer Staubschutzkappe in der Mitte der Tief/Mitteltöner sitzen und die die Vorteile der natürlichen Geometrie, die sich über Jahrtausende entwickelt hat, nachahmen und nutzen. Die direkt an die Hochtonkalotte angrenzende Fläche hat einen großen Einfluss auf den Frequenzgang des Tweeters, da die von dort reflektierten Schallwellen mit denen von der Kalotte direkt abgestrahlten interagieren. Dank der Fibonacci-Elemente wird ein linearerer Frequenzverlauf erreicht.
Die Kalotte ist wie die des Vorgängers, des Semisphere-Hochtöners, weder eine Soft-Dome-Konstruktion noch eine extrem harte Variante wie etwa eine aus Beryllium, weswegen Wilson Benesch hier auch vom weltweit ersten Hybridkalotten-Hochtöner spricht. Der Frequenzgang des Fibonacci-Hochtöner reicht deutlich über 30 Kilohertz hinaus – ein Wert, den Soft-Dome-Kalotten nicht erreichen. Noch wichtiger sei allerdings das Fehlen der üblichen Hard-Dome-Resonanzen. Die Steifigkeit und die innere Dämpfung der Kalotte des Wilson-Benesch-Hochtöners wird wie auch die seiner Schwingspule durch Kohlefasern erhöht. Doch genug der technischen Details. Als ich eher aus nostalgischen Gründen entschied, die A.C.T. 3Zero im Wohnzimmer zu testen, war mir wohl bewusst, dass Lautsprecher dort keine optimalen akustischen Bedingungen vorfinden. Anders als im Hörraum, wo beide Schallwandler denselben Abstand zu Seiten- und Rückwänden sowie zur Decke haben, steht die linke Box im Wohnzimmer näher an der Seitenwand und unter einer Dachgaube, während die rechte etwa zwei Meter Abstand zur Seite und einen ebenso großen zur Dachschräge hat. Bei der Acapella Violon VI mit ihrem großen Mitteltonhorn und – deutlich weniger stark ausgeprägt – bei der Göbel Epoque Aeon Fine führt das dazu, dass sich die Stereo-Balance ein Stückchen nach links verschiebt, da hier schneller und mehr Reflexionen entstehen. Wenn man jedoch darum weiß, kann man damit ganz gut leben. Außerdem werden auch nicht alle unsere Leser ohne Rücksicht auf Mitbewohner oder die optische Anmutung des Raumes hundertprozentig ideale Bedingungen für ihre Lautsprecher geschaffen haben.
Zur Akklimatisierung der A.C.T. 3Zero in ihrer neuen Umgebung hatte ich ein Album des Tord Gustavsen Trio gewählt, diesmal nicht Changing Places, sondern The Other Side. Schon die ersten Tönen von „The Tunnel“ machen klar, dass sich die Wilson Benesch an ihrer neuen Wirkungsstätte sehr wohlfühlten: Ihre vergleichsweise geringe Höhe und die Abstrahlcharakteristik der drei frontseitig montierten Chassis sorgten dafür, dass es nur eine minimale Verschiebung des musikalischen Geschehens nach links gab. Ich kann mich an keinen Lautsprecher erinnern, der die nicht ideale Aufstellung so wenig ins klangliche Ergebnis einfließen lies. Aber dass sich eine A.C.T, hervorragend akustisch in ihre Umgebung integriert, hatte ich schon bei der Begegnung mit dem Vorgängerrnodell beim Besuch Julian Sojas von der Krakow Sonic Society festgestellt.