Weiter geht’s mit einem Gitarristen, dessen ECM-Duo-Alben mit John Abercrombie, Saragossa Sea und Ten Years Later, immer noch zu meinen Favoriten zählen: Ralph Towner. Auf seinem Solo-Album Diary von 1973 ist er dank Multitrack-Technik am Flügel und der Gitarre zu hören. Auf „Images Unseen“ kommen zu seiner Gitarre noch Gongs hinzu, die das Crimson mir einer Menge Schub im Hochtonbereich fordern. Aber sowohl von diesen als auch von den Impulsen der tiefen Saiten der Gitarre zeigt sich das Stradivarius völlig unbeeindruckt. Selbst bei den heftigsten Transienten bleiben die Klangfarben kräftig und der beigemischte Hall stets gut hörbar. Sehr beeindruckend! Auch die Sologitarre mit dem feinen Hall auf „Mon Enfant“ macht einfach Lust auf mehr: Das Crimson zeigt die sehr unterschiedliche Kraft, mit der die Seiten angerissen werden, präzise auf. Toll, welche Energie der Tonabnehmer an die nachfolgende Kette zu liefern vermag. Minimale Unsauberkeiten und Griffgeräusche werden ungeschminkt dargestellt und lenken dennoch nicht von der Melodie ab. Gut, dass sich das System noch in der Einspielphase befindet, und ich statt noch so aufschlussreicher Teststücke einfach in Ruhe längst vergessene LPs genießen kann.
Doch damit ist dann leider doch irgendwann Schluss, und ich ergebe mit dem Unvermeidlichen, zum Beispiel Jonas Hellborgs Elegant Punk: Doch sollte ich mich nicht beschweren, wenn ich mit einer so tiefen, sauberen, detailreichen und ungewohnt knisterfreien Wiedergabe verwöhnt werde. Da passt einfach alles, egal ob bei „Drone“ die bestens definierte unterste Oktave, bei „Little Wing“ die melodiöse Abfolge von Impulsen im virtuellen Raum oder das ebenso präzise wie druckvolle Slap-Gewitter bei „It's The Pits, Slight Return“. Die Scheibe wirkt, wie speziell für das van den Hul aufgenommen. Klasse!
Dass das Crimson im Bassbereich brilliert, hatte sich ja schon in der Einspielphase angedeutet. Joaquin Rodrigos Concerto Andaluz in der Interpretation der Academy of St. Martin-in-the-Fields unter Neville Marriner hingegen lebt vor allem von Streichern, Flöten und den vier Gitarren der Los Romeros. Das Stradivarius differenziert die Instrumentengruppen und die Solisten – auch untereinander – ganz hervorragend. Die Raumdarstellung gelingt überzeugend und die Wiedergabe ist tonal stimmig. Was ich bei dieser Aufnahme allerdings so nicht gewohnt bin, dass sie einem zum Fußwippen verführt. Das Crimson rückt die rhythmische Finesse des Stücks ein Stückchen weiter in den Vordergrund als viele andere Tonabnehmer. Zumindest für einen eingeschworenen Jazz-Fan ist das schlicht großartig.
Dick Schorys Bang Baaroom and Harp darf natürlich nicht fehlen. Auch hier verblüfft, wie „leise“ der Diamant durch die bestimmte tausendmal gespielte Rille gleitet. Die Pauken zu Beginn des „Buck Dance“ kommen mit Macht, der Raum erstreckt sich weit in die Tiefe, auch wenn der ein oder andere – deutlich teurere – Tonabnehmer hier noch ein kleines Stückchen mehr Distanz zur Rückwand suggeriert. Beim Stradivarius wirken die Instrumente so plastisch, dass man meint, sie greifen zu können: eine glaubwürdige Abbildung, die sich nicht in den Untiefen des Raumes verliert. Die Differenzierung der Instrumente gelingt dem van den Hul ganz hervorragend. Und obwohl die Bühne extrem aufgeräumt und sauber zu sein scheint, haftet der Wiedergabe nichts Steriles an: Vor allem der Kontrabass kreiert einen packenden Groove, dem man sich einfach nicht verweigern kann. Das „Duell On The Skins“ macht dann noch einmal nachdrücklich klar, dass Dynamik zu den Paradedisziplinen des Crimson zählt.
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