In seiner Broschüre zum Mystere betont Hartmut Roemer mehrfach, dass er bei seinem Laufwerk auf die sonst oft zu findenden Dämpfungsmaßnahmen und den Einsatz großer Masse verzichtet hat. Dadurch würde ein „Verschmieren“ im Zeitbereich durch Energiespeicher-Effekte genauso verhindert wie die Verschleierung des Obertonspektrums und der Verlust von für die Emotion entscheidenden feinstofflichen musikalischen Inhalten. Leider gibt es auch auf Nachfrage keine genaueren Materialangaben oder Konstruktionsdetails – im Gegenteil: Unser Fotograf wurde sogar gebeten, eine bestimmte Ansicht nicht explizit ins Bild zu rücken. Aber an die Tatsache, dass LumenWhite-Produkte viel stärker durch ihre Anmutung und ihre klanglichen Leistungen bedrucken als durch die Auskunftsfreude ihrer Schöpfer, konnte ich mich ja in den vergangenen 15 Jahren schon ein wenig gewöhnen.
Wenn Laufwerk und die Kompressor/Controller-Einheit erst einmal im Hörraum angekommen sind, ist der Aufbau des Mystere eine Kleinigkeit: Der etwa zwei Meter lange, direkt aus dem Plattenspieler herausführende Geflechtschlauch wird zum Kompressorgehäuse verlegt, mit dem der Luftschlauch und die beiden mächtigen Stecker mit den Kabeln für die Laufwerkssteuerung verbunden werden. Die Länge der Kabel legt nahe, Laufwerk und Kompressor-Einheit im selben Raum zu verwenden. Das ist akustisch auch kein Problem, denn der Kompressor arbeitet extrem leise, fast könnte man sagen: geräuschlos. Am Kompressor gibt es unter dem Netzschalter die übliche IEC-Netzbuchse. Der Standby-Schalter befindet sich am Laufwerk. Nach dem Einschalten dauert es wenig, bis der nötige Luftdruck aufgebaut ist, einige Prüfroutinen abgearbeitet sind und der Teller durch den Druck auf eine der beiden Tasten zur Geschwindigkeitswahl gestartet werden kann.
Wenn der Arm montiert ist, lässt sich LumenWhites Hightech-Maschine ebenso leicht bedienen wie etwa ein Thorens TD126. Nur eines nimmt der Mystere krumm: schüsselförmig gebogene Schallplatten. Die lassen sich mit dem Gewicht in der Mitte zumindest in einer Richtung nicht anpressen. Aber wem seine Analog-Liebhaberei die Investition in einen Mystere wert ist, der wird auch vor der Ausgabe für einen Plattenbügler nicht zu zurückschrecken, zumal man lange darüber diskutieren kann, wie sich die Materialspannungen im Vinyl klanglich auswirken, die beim kräftigen Andrücken welliger oder schüsselförmiger LPs mit Vorrichtungen wie beispielsweise der des LaGrange entstehen.
Schon beim Warmspielen des Lyra Etna war mir bei Art Farmer und Jim Halls Big Blues aufgefallen, dass die Kombination aus Mystere, Thales und Etna ganz besondere grob- und feindynamische Fähigkeiten entwickelt und immer mal wieder Transienten mit nie zuvor gehörter Intensität rüberbringt. Nach dem Wechsel auf das Lyra Olympos waren diese besonderen „Energieleistungen“ dann immer noch zu vernehmen. Nach der Beschäftigung mit der technischen Beschreibung des Mystere würde ich mich fast trauen, das enorme Drehmoment des Spezialmotors für diese klangliche Phänomen verantwortlich zu machen. Andererseits hatte ich mir schon vor Jahren vorgenommen, technische Besonderheiten einer Komponente nicht mehr klanglichen Eindrücken zuzuordnen. Denn glücklicherweise funktioniert weder die Musikreproduktion noch die Wahrnehmung von Musik monokausal. Also formuliere ich es lieber von irgendwelchen Konstruktionsmerkmalen unabhängig: Dem Mystere gelingt es, selbst wohlvertraute Stücke durch dynamische – und rhythmische – Akzente spannender wiederzugeben als die allermeisten mir bekannten Laufwerke. Ob dies am überaus kräftigen Motor oder vielleicht an der größtmöglichen Freiheit von Resonanzen und einem daher tiefschwarzen Hintergrund liegt, vor dem die Klänge entstehen, lasse ich mal dahingestellt.
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