boulevard/22-12-16_xmems
 

Erlkönig: xMEMS Montara

16.12.2022 // Finn Corvin Gallowsky

Zunächst nehme ich mir die Gehäuse mit den normalen Montara-Treibern vor. Dies war auch auf der CanJam mein erster Berührungspunkt mit xMEMS und löste sofort Begeisterung aus. Bereits ohne Equalizer klingt der Prototyp beeindruckend. Das Gehäusedesign samt akustischem Filter formt den Frequenzverlauf in eine sehr lineare Richtung, was mir grundsätzlich bereits sehr entgegenkommt. Die besonderen technischen Eckdaten, wie die bereits erwähnte Gruppenlaufzeit und der Phasenverlauf, resultieren in einer vollkommen neuen und ungewohnten Auflösungsfähigkeit. Der Hochton ist ohne Equalizer trotzdem noch nicht genießbar. Es ist einfach zu viel des Guten. Dass ein einziger Treiber in der Lage ist, ein derartiges Hochtonspektakel abzufeiern und gleichzeitig bis zu 20 Hertz hinabspielt ist nach wie vor schwer zu begreifen. Das erste vordergründige Tuningziel ist die Reduktion des Hochtons. Beim Tuning selbst verlasse ich mich ausschließlich auf mein Gehör, und mir wird schnell bewusst, dass das Unterfangen anspruchsvoller ist, als zunächst angenommen. Es hilft wenig, mit nur einem besonders hochauflösenden und gut aufgenommenen Referenztitel die eine perfekte Equalizer-Einstellung zu ermitteln. Selbst eine noch so hochwertige Aufnahme hat trotzdem ihren individuellen Sound und kleine Unzulänglichkeiten. Letztendlich würde ich damit weniger den In-Ear tunen, als eher die Unzulänglichkeiten oder den Stil der Aufnahme ausgleichen. Ein gutes Beispiel dafür ist „Jack of Speed“ von Steely Dans Two Against Nature. Es ist genial aufgenommene Musik, aber ob die Hi-Hat bissig oder die Abstimmung einfach noch zu hochtonlastig ist, lässt sich nur im Vergleich mit anderen Tracks ausloten. Ich muss einen Mittelweg finden und behutsam vorgehen. Ich möchte auf keinen Fall auch nur das geringste bisschen der Auflösungsfähigkeit des Montara einbüßen. Deshalb suche ich mir die besonders störenden Frequenzen im Hochton und reduziere ihren Pegel mit Glockenfiltern. Zusätzlich senke ich den gesamten Hochtonbereich ab 16.000 Kilohertz mit einem Shelving-Filter mit einer Flankensteilheit von 12 Dezibel ab. Bei 30.000 Hertz (der EQ ermöglicht tatsächlich diese ungewöhnliche Einstellung) setze ich einen Tiefpassfilter mit einer besonders steil abfallenden Flanke von 24 Dezibel. Der Filter beeinflusst für mich durchaus noch Frequenzen im hörbaren Spektrum, im Gesamtgefüge nehme ich ihn aber nicht mehr wahr. Er dient letztendlich nur dem Aussortieren von meiner Meinung nach eh nicht benötigtem. Setze ich ihn jedoch tiefer an, wird er je nach meiner Tagesform und dem Stück auch im Gesamtkontext hörbar. Der Hochton bleibt in meinem finalen Filter bissig, wenn es das Quellmaterial verlangt. Jeder Versuch den Hochton weiter zu zähmen, resultiert in einem Verlust von Auflösung. Hier vollführt jeder Hersteller wahrscheinlich auch bei bisher genutzten Treibern einen individuellen Balanceakt. Ich achte sicherheitshalber penibel auf den Abhörpegel und die Rückmeldung meiner Ohren. Die Faszination für diese Abstimmung hält über Wochen an und ich kann ihr länger am Stück zuhören, als ich selbst zunächst vermutete. So habe ich Becken, Glöckchen, Triangeln und dergleichen vorher einfach noch nie gehört.

Mit dieser Kurve habe ich den Montara überwiegend gehört
Mit dieser Kurve habe ich den Montara überwiegend gehört

Das Tuningziel der Hochtonreduktion ist erfüllt. Ziel zwei ist das Erzielen von einer etwas größeren Bühnentiefe und Instrumentenseparation. Dies geht Hand in Hand mit der geschmacklichen Anpassung des Mittenbereichs, denn dieser ist eigentlich schon sehr linear. Hierbei ist eine weitere Erkenntnis, dass gemeinhin als audiophil geltende Aufnahmen nicht uneingeschränkt für ein Tuning geeignet sind. Ironischerweise stelle ich fest, dass sie aufgrund ihrer besonders gewissenhaften Produktion oft sogar weniger anspruchsvoll sind als durchschnittliches Material. Sie umgehen Problembereiche im Frequenzverlauf von vornherein und so fallen diese auch im Frequenzverlauf der Treiber weniger auf. Als wunderbarer Tuning-Track kristallisiert sich Rammsteins „Zeit“ vom gleichnamigen aktuellen Album heraus. Komprimiert bis ans Limit, zeigt er mir im Abschnitt ab 2:30 besonders schnell auf, wo ich mir Veränderungen wünsche. Mit einigen Glockenfiltern mit verschieden Bandbreiten gelingt es mir, sowohl Till Lindemanns Stimme etwas weiter aus meinem Kopf heraus zu rücken, als auch mehr Platz im Stereopanorama für die verschiedenen Instrumente zu schaffen. Zwischen Stimme und Gitarren entsteht regelrecht Raum und Weite, die Gitarren treten allerdings auch etwas hinter den Gesang zurück. Die extrem komprimierte Stimme weist sämtliche unschön auffallenden Artikulationslaute in explosiver Manier auf. Ähnlich wie im Hochton resultieren Besänftigungsversuche in Auflösungsverlust. Im Bereich etwa zwischen 2 und 6 Kilohertz sind teilweise Absenkungen von lediglich einem halben Dezibel hörbar. Sogar bei solch geringer Absenkung sind verschiedene Bandbreiten der Filter hörbar. Keine Aufnahme birgt mehr ein Geheimnis. Jede noch so kleine Übersteuerung, wenn Sänger ihren Kopf bei der Aufnahme bewegt haben, digitale Klicks, alles wird in einer bisher nicht gekannten Deutlichkeit offengelegt.

Links wird das Quellsignal und die Spannungsversorgung angeschlossen, rechts ist der Ausgang für die In-Ears. Der klitzekleine Aptos-Chip ist an der Bezeichnung IC1, respektive IC2 auszumachen
Links wird das Quellsignal und die Spannungsversorgung angeschlossen, rechts ist der Ausgang für die In-Ears. Der klitzekleine Aptos-Chip ist an der Bezeichnung IC1, respektive IC2 auszumachen

Der Bassbereich schlussendlich spielt, wie erwähnt, sehr tief, jedoch im Verhältnis zum oberen Mittel- und Hochton mit eher geringem Pegel. Ich habe nicht das Bedürfnis, dies zu ändern. Lediglich nutze ich eine Absenkung bei 80 Hertz, um den Bass noch etwas trockener zu gestalten und eine Anhebung bei 25 Hertz für eine minimale Kompensation der verlorenen Fülle. Insgesamt, und dies war ja bereits auf der CanJam mein Eindruck, erinnert der Charakter des Montara-Prototyps sehr an den Etymotic ER4SE. Auch er ist ein Single-Driver IEM, allerdings auf vollkommen anderer Treibertechnologie basierend, mit einer für meinen Geschmack bisher unerreichten Natürlichkeit. Nicht nur offenbaren die Mitten wunderbar viele Stimmdetails, sondern auch die Anbindung des zurückhaltenden Bassbereichs ist unvergleichlich geschmeidig. Bereits das XR-Modell mit leicht erhöhtem Bass-Pegel wirft die Balance des ER4SR aus der Bahn. Liebhaber des ER4SR werden genau wissen, wovon ich rede. Diese Fähigkeiten teilen der Etymotic und der Montara Prototyp. Lediglich habe ich beim Montara noch mehr das Gefühl, nach Hause zu kommen. Alles scheint noch richtiger, noch echter und noch lebendiger. Die Wahrnehmung der verschiedenen Frequenzbereiche erfolgt auf eine schwer zu beschreibende Art gleichzeitiger als gewohnt. Durch diese Gleichzeitigkeit passiert es, dass Frequenzbereiche mir trotz ihrer Anwesenheit weniger aktiv auffallen. So frage ich mich zwischendurch, ob mein Tuning nicht doch etwas mehr Bass vertragen könnte. Höre ich dann aber beispielsweise „bury a friend“ von Billie Eilishs When We All Fall Asleep, Where Do We Go? offenbart sich ein Bassfundament, das sich gewaschen hat. Bis in die tiefsten Lagen agiert der Treiber hochimpulsiv und präzise.


  • Andante-Largo-Chef Suzuki san zu Besuch

    Mika Dauphins Drei H Vertrieb hat eine neue Marke in sein Portfolio aufgenommen: Andante Largo mit seinen Racks, Spike-Aufnahmen und einem Kontaktverbesserer. Wie könnte man die Produkte besser kennenlernen als bei einem Besuch von Inhaber Suzuki san und seinem Sales Manager Kai Endo im heimischen Hörraum? An einem Freitagabend schaute Thomas Heckel, der Drei H in Süddeutschland vertritt, in Gröbenzell vorbei und stellte mir die beiden Japaner vor. Das Trio hatte auch jede Menge Taschen…
    07.03.2025
  • WestminsterLab Omne: Premiere in Hamburg

    IAD, der deutsche Vertrieb von WestminsterLab, hatte eine Weltpremiere im Vorfeld der Norddeutschen Hifi-Tage angekündigt: Firmenchef Angus Leung würde aus Hong Kong anreisen und seine neuste Kreation, den Vollverstärker Omne, im Hifi-Studio Wisseling High End vorstellen. Sehen konnte man den Omne, hören leider noch nicht. Nachdem die geladenen Gäste die Möglichkeit erhalten und größtenteils wahrgenommen hatten, die beeindruckenden Räumlichkeiten in der Große Bleichen 34 mit den ebenso beeindruckenden Hifi- und Heimkinoinstallationen zu besichtigen, begann Angus…
    03.02.2025
  • Ein wenig Raumakustik

    Auch wenn man sich über 30 Jahre beruflich mit Hifi beschäftigt, ist man vor Überraschungen nicht gefeit. Tauscht man eine Komponente für einen Test in der stimmig spielenden Kette aus, ist das eben ein Teil des Jobs und man muss auf einiges gefasst sein. Diesmal wollte ich aber nur ein bisschen aufräumen – mit ungeahnten akustischen Folgen. Natürlich habe ich ein wenig zur klanglichen Optimierung meines Hörraums getan: So hängen an den Wänden das ein…
    30.12.2024
  • AIM Kabel: Interview mit Akira Oshima und Johnny Lee

    Bei der Verteilung von Kabeltests duckt sich Roland Dietl gern mal weg, was bei den AIM Ethernet-Kabeln aber nicht klappte. Dann beeindruckten sie ihn derart, dass er den Artikel über AIMs Top-USB-Kabel selbst initiierte – und sie später erwarb. Auf der Messe in Wien hatte ich die Gelegenheit, mehr über den Japanischen Kabelhersteller zu erfahren. Wenn sich ein nicht gerade als Kabel-affin bekannter schreibender Kollege – und darüberhinaus auch Helmut Baumgartner, der die Strippen nach…
    20.12.2024
  • High End Wien 26

    Im kommenden Jahr wird noch einmal alles so sein, wie es war. Zumindest, was die wichtigste Messe unserer Branche angeht, die High End in München. Das wird dann die 21. Messe dort sein, nach ebenso vielen Veranstaltungen zuvor, einmal in Düsseldorf und danach in Frankfurt. Nach der magischen Zahl 42 geht es dann im Austria Center Vienna weiter. Am besten wäre es, man beginnt in Vorbereitung der High End in Wien schon heute mit leichtem…
    06.12.2024
  • Interview mit Jean-Pascal Panchard – Teil 2

    Nach den Ausführungen zu seinem beruflichen Werdegang und einigen Stenheim-Modellen in Teil eins wird Jean-Pascal Panchard auch hier noch über das ein oder andere Modell aus dem Portfolio sprechen, bevor er Fragen zur internationalen Aufstellung der Firma, dem Audio-Club und seinen Lieblings-Medien für Tests und den privaten Hörgenuss beantwortet. Als Jean-Pascal Panchard Stenheim erwarb, hatte man lediglich die Alumine Two mit der optional zu ergänzenden Basssektion im Angebot. Um der Marke internationale Beachtung zu verschaffen,…
    25.11.2024

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.