Eine weitere Besonderheit ist der Frequenzgang der Treiber. Er ist über weite Strecken linear und fällt im Hochton nicht ab, wie es bei konventionellen dynamischen oder Balanced-Armature-Treibern der Fall ist. Auch die Resonanzfrequenz der Treiber liegt ungewöhnlich hoch. Damit lässt sich der Zielfrequenzgang eines fertigen Produkts viel freier gestalten. Für ein optimales Tuning ist der Einsatz von DSPs sehr hilfreich. Die Gruppenlaufzeit der Montaras ist mit etwa 15 Mikrosekunden zwischen 100 und mindestens 10.000 Hertz unglaublich gering und die Phasenlage zwischen 60 und mindestens 10.000 Hertz liegt nur etwa zwei +-1 Grad daneben. All dies sind mehr als ideale Voraussetzungen für eine erfolgreiche Anpassung nach individuellem Geschmack. Der xMEMS-Verstärker Aptos entspricht ebenfalls dem Formfaktor Mikro und dürfte für Hersteller kaum schwierig unterzubringen sein. Aufgrund der notwendigen externen Spannungsversorgung der xMEMS-Treiber von zehn Volt, bietet sich ihr Einsatz besonders in Bluetooth-In-Ears an. Es besteht ohnehin eine vom Zuspielgerät isolierte Spannungsversorgung und die benötigten zehn Volt können leicht bereitgestellt werden. Die Verfügbarkeit und Integration eines DSP-Chips zur Entzerrung sind ebenfalls unproblematisch. Bei kabelgebundener Nutzung müssen sich die Hersteller bei der Abstimmung entweder ausschließlich auf mechanische und passive Entzerrung verlassen oder ebenfalls einen DSP einbinden. Eine für die Einbindung eines DSPs notwendige, zusätzliche Analog-Digital- und Digital-Analog-Wandlung nach einem hochwertigen DAP oder einer Wandler-Kopfhörerverstärker-Kombi ist aus unserer High-Ender-Sicht weniger erstrebenswert. Ich bin gespannt, wie die Hersteller diesen Umstand handhaben werden. Die Einbindung des speziellen Verstärkers samt nötiger Versorgungsspannung bei kabelgebundener Nutzung ist hingegen nicht schwierig, wie das Evaluation Board zeigt. Für den portablen Gebrauch müsste die Lösung nur platzsparender ausfallen. Dass es xMEMS seit unserer Begegnung auf der CanJam erfolgreich gelungen ist, die Treiber direkt und ohne den hauseigenen Mikroamp Aptos an verschiedenen herkömmlichen Kopfhörerverstärkern zu betreiben, werte ich als großen Erfolg. Lediglich die Betriebsspannung muss dann noch eingeschleift werden. Auf lange Sicht ist es sogar denkbar, dass bereits die Quellgeräte die Betriebsspannung zur Verfügung stellen könnten. Ich habe den Eindruck, dass die Technologie sehr positiv aufgenommen wird und sich in dieser Hinsicht einiges entwickeln könnte.
Bewegen wir uns mit xMEMS letztendlich ein Stück weiter in Richtung individueller Hörkurven, die jeder Nutzer sich selbst erstellen kann? Die Technologie ist hierfür aufgrund ihrer hohen Flexibilität geradezu prädestiniert. Doch wie gestaltet man den Zugang dazu möglichst unkompliziert? Sicher können viele von uns mit einem Equalizer umgehen und verstehen ihn Klang gestaltend einzusetzen, aber das heißt ja noch lange nicht, dass man schnell, unkompliziert und frustfrei eine perfekt nach den eigenen Wünschen gestaltete Hörkurve für einen In-Ear mit seinen spezifischen Eigenschaften und Eigenarten erstellen kann. Für mich gilt ähnliches. Ein Equalizer gehört zwar zu meinem täglichen Arbeitswerkzeug, was aber noch lange nicht heißt, dass ich ein Spezialist im Abstimmen von Hörkurven für In-Ears bin. Dennoch nehme ich die Herausforderung an. Falsch machen kann ich nicht viel, außer es im Pegel maßlos zu übertreiben.
Zunächst gilt es, eine möglichst perfekte Arbeitsumgebung herzustellen. xMEMS sieht zur ersten Annäherung eine besonders zugängliche EQ-Variante zur Anpassung auf Freeware-Basis vor. EqualizerAPO ist ein kleines Programm, das auf Windows-Ebene sämtliche vom Computer ausgegebene Signale mit Filtern versehen kann. Es bietet einen 31-Band-Equalizer mit feststehenden oder wahlweise einstellbaren Frequenzen, die abgesenkt oder angehoben werden können. Bei dieser Art Equalizer ist der sogenannte Gütefaktor, auch Q respektive Q-Faktor genannt, also die „Regelbreite“ der einzelnen Frequenzen festgelegt. Zusätzlich bietet EqualizerAPO neben Hoch- und Tiefpässen und High- und Low-Shelves, vollparametrische Glockenfilter. Bei dieser Art von Filtern kann die abzusenkende oder anzuhebende Frequenz vollkommen frei bestimmt und zusätzlich der Q-Faktor verändert werden. Ein Q-Faktor von 1,414 entspricht dabei einer Bandbreite einer Oktave. Am -3 Dezibel Punkt des Filters beeinflusst dieser also genau eine Oktave. So weit so gut, EqualizerAPO bietet alles, was ich zur Frequenzgangkorrektur benötige. Der 31-Band-EQ kann jedoch lediglich einer Annäherung dienen, für ein perfektes Feintuning ist er mir nicht flexibel genug. Zusätzlich kann EqualizerAPO meinen Soncoz DAC nicht direkt über den ASIO-Treiber, sondern nur den Windows-Umweg ansteuern. Somit muss ich bei jedem Frequenzwechsel meines Testmaterials die Samplerate des DACs manuell ändern. Dieses „Problem“ lässt sich recht leicht lösen. Ein Player mit Equalizer-Funktion und direktem Zugriff auf den ASIO-Treiber muss her. Prädestiniert hierfür ist Roon, ein vollparametrischer Equalizer ist bereits eingebaut. Ich möchte jedoch gerne meinen Lieblings-EQ, den FabFilter Pro-Q 3 nutzen. Er bietet mit Abstand die komfortabelste Bedienoberfläche, eine A/B-Vergleichsfunktion und auf Wunsch Filter mit linearer Phase. Da Roon leider keine VST-Filter einbinden kann, bleibt nur foobar2000 oder Audirvana Studio. Um auf Songs aus meiner Streamingbibliothek nicht verzichten zu müssen, entscheide ich mich für Audirvana Studio. Da softwareseitig nun alles sitzt, geht es daran, hardwareseitig eine optimale Umgebung herzustellen. Zur Signalausgabe nutze ich wie bereits erwähnt meinen Soncoz SGD1 DAC, der gemeinsam mit dem Violectric V630 in meinem Arbeitszimmer normalerweise meine Neumann KH 120 A antreibt. Jetzt verbinde ich den Analogausgang des DACs aber direkt mit dem iFi Micro iDSD Black Label, an dessen Ausgang wiederum das Verstärkerboard von xMEMS hängt. Am DAC wähle ich den Linear Phase Fast Roll-Off Filter, da dieser, klangliche Qualitäten anderer Filter hin oder her, den geringsten Höhenabfall aufweist.