10.860 Besucher aus 71 Ländern, 10.746 Fachbesucher aus 90 Ländern, 529 Medienvertreter aus 43 Ländern addieren sich insgesamt zu genau 22.137 Besuchern. Dies bestätigt meinen Eindruck: Nachdem sich die Rückkehr der High End letztes Jahr noch etwas holprig anfühlte, ist die Messe dieses Jahr mit voller Stärke zurück.
Es würde mich wundern, wenn jemand die Messe in einer anderen Laune als der Oktopus auf meinem Cover-Foto verlassen hat. Die Stimmung dieses Jahr war ausgezeichnet gut. Während 2022 noch die bedrohliche Pandemie-Wolke über den Köpfen von Besuchern und Austellern schwebte, herrschte dieses Jahr Sonnenschein. Schon beim ersten Betreten der Hallen war eine deutlich positivere Stimmung als letztes Jahr wahrzunehmen – der Optimismus kehrt zurück. Dennoch hat sich das Erscheinungsbild der Messe verändert. Auch hier lassen sich große Marken dieses Jahr nicht blicken. Dynaudio und Bowers & Wilkins fehlen beispielsweise vollständig. Dafür ist China endlich wieder mit dabei. Auf der einen Seite freue ich mich darüber, dass einige chinesische Hersteller zeigen, wie innovativ und hochwertig in China auch eigenständig und nicht nur als Auftragsfertiger gearbeitet werden kann. Andererseits sorge ich mich ein wenig darum, wie gerade deutsche Firmen dem Preisdruck standhalten sollen. Trotz guter Stimmung hat High End Audio gerade eine schwere Zeit und die Messe zeigt nochmals eindrücklich, dass der Nachwuchs fehlt. Das Geld ist knapp und mit Systemen jenseits mehrerer Tausend Euro werden Einsteiger nicht gelockt. Die Sounds-Clever-Initiative möchte dem entgegenwirken und lädt dazu ein, Anlagen zu einem Gesamtpreis von maximal 5.000 Euro auszustellen. Leider muss man diese Anlagen oft suchen. Die Hersteller stellen verständlicherweise ihr Maximalmögliches in den Mittelpunkt. Deshalb halte ich Lokalmessen und HiFi-Studios als enorm wichtige Schnittstelle zum Nachwuchspublikum. Es ist so gesehen also durchaus in Ordnung, dass die High End eben diesem vorbehalten ist. Lediglich die Musikauswahl hat für meinen Geschmack dieses Jahr definitiv einen Tiefpunkt erreicht. Als positiv wahrgenommen habe ich die stärkere Verflechtung von Pro-Audio mit unserer Szene. Zum einen war das Treffen der Redaktion mit Christoph Stickel für mich unheimlich spannend. Es war erfrischend, unsere Szene durch seine Augen zu sehen und gleichzeitig aufschlussreich einen Einblick in die Musikindustrie zu bekommen. Zum anderen wurde auf der High End selbst am Donnerstag eine Podiumsdiskussion vom Verband Deutscher Tonmeister abgehalten. Gäste waren die Vorsitzende des Verbandes Ulrike Schwarz, der Produzent Jim Anderson (ihr Mann) und Michael Fremer.
Es wurde schnell klar, dass Ulrike und Jim sehr wohl Wert auf kompromisslos hochwertige Wiedergabe legen. Es gibt folglich definitiv Menschen in der Musikindustrie, denen Soundqualität am Herzen liegt. Je lauter ihre Stimme wird, desto eher können große Labels dazu bewegt werden, umzudenken und Klasse statt Masse produzieren. Auch wir können sicher dazu beitragen. Laden sie doch einfach mal eine Freundin oder einen Freund, die sonst nichts mit HiFi am Hut haben zu einer Hörsession ein. Lassen sie dabei dann aber keinesfalls ihre Anlage und die Technik im Mittelpunkt stehen, sondern die Musik. Denn am Ende des Tages ist sie es, die dieses Hobby für uns so lebendig und wunderbar macht. Sie ist ein Stück Lebensqualität, die wie alle schönen Dinge – ein köstliches Essen, ein stimmungsvoller Theaterabend, ein spannendes Buch, ein guter Wein, geschmackvolle Kleidung, ein langer Spaziergang durch den Wald oder ein Bad im erfrischenden Meer – gepflegt, zelebriert und geteilt werden sollte. Diese Dinge wertzuschätzen, muss manchmal erst gelernt werden. Andere haben die Chance von uns über unser Spezialgebiet zu lernen und wir von anderen beispielsweise, wo der Ärmel eines Sakkos enden sollte. Als High Ender sind wir definitiv nicht allwissend, das dürfen wir manchmal nicht vergessen. Ich wünsche mir von der High End Szene ein noch größeres gemeinsames Miteinander, in dem auch einander zugehört wird, andere Ansichten und Geschmäcker nicht für nichtig erklärt werden und eine offene Diskussionskultur gepflegt wird. Ich habe in diesem Jahr nochmals realisiert, dass es nicht um das Preisschild der eigenen Anlage geht, sondern wie viel Spaß man mit ihr hat. Die sündhaft teuren, ausgestellten Anlagen, von denen ich mir 90 Prozent sowieso nie leisten können werde, verstehe ich einfach als Anregung und freue mich gleichzeitig für diejenigen, die das nötige Kleingeld dafür übrig haben, und wünsche Ihnen, dass sie genauso viel Spaß mit ihrer Anlage haben wie ich mit meiner oder jemand anderes mit seiner, der als Einsteiger gerade erst ein paar hundert Euro investieren konnte. Freude lässt sich letztendlich nicht durch Geld aufwiegen oder quantifizieren. Deshalb lade ich sie jetzt dazu ein, mit mir einen Messerundgang von erschwinglich bis unbezahlbar zu genießen. Viel Spaß!
Ich möchte mit der beeindruckendsten, verrücktesten und gleichzeitig unerreichbarsten HiFi-Erfahrung beginnen, die ich bisher machen durfte. Ich danke der Firma ESD Acoustic aus China dafür, ihren Hörpalast mit uns geteilt zu haben. Die junge Marke hatte ihren ersten Messeauftritt 2019 und existiert auch erst seitdem. CEO David Dai führte selbst vor. Der CD-Player mit abhebbarem Deckel machte aus dem CD-Wechsel eine Art Zeremonie. Das monströse 6-Wege-Hornsystem besteht überwiegend aus Kohlefaser, wurde aber mit einer traditionellen chinesischen Lackierung versehen. Alle Treiber basieren auf dem Feldspulenprinzip. Hierbei befindet sich die Schwingspule nicht im Zentrum eines Permanentmagneten, sondern eine geladene Spule übernimmt den Job des Magneten. Die Speisenetzeile der Spulen verfügen über einen Rückkopplungskreis, um induktive Effekte während der Audiowiedergabe auszugleichen. Für den Bereich bis zu 50 Hertz waren zwei Subwoofer mit jeweils drei Treibern zuständig. Drei Hörner spielen bis 140, 800 und 8.000 Hertz. Die Hochtonhörner sind pro Seite jeweils zwei Mal vorhanden und spielen über Kreuz angeordnet, damit ihre Abstrahlung mit dem oberen Mittenhorn zentriert wird. Die an eine Verstärkerwand erinnernde Elektronik war gleichermaßen ein seltener Anblick. Neben den für die Feldspulen benötigten Netzteilen standen hier ein CD-Player, zwei DACs, zwei aktive Frequenzweichen und mehrere single-ended Class-A-Röhrenverstärker. Interessanterweise schwört ESD auf Schaltnetzteile. Richtig gemacht, können sie Linearnetzteilen durchaus voraus sein. Ein Standpunkt, den auf der High End mehr und mehr Hersteller vertreten. Der vollkommen irrationale Maßstab des Super Dragon Systems bei ESD lässt sich kaum in Fotos oder Worte übersetzen. Allein der Preis von 3,6 Millionen ist astronomisch hoch. Mit welcher Macht, Autorität und raumgreifender Größe Orchester abgebildet wurden, werde ich allerdings nie mehr vergessen. Nach 18 Uhr wurde täglich zu einer EDM-Party geladen. Aufgrund anderer Termine konnte ich leider weder überprüfen, ob diese tatsächlich stattgefunden hat, noch erfahren, wie ein System dieser Größe mit elektronischer Musik umgeht.