Erfreulich ist die auch an der Veritas p4.2 Next vorhandene Option, durch Umstecken eines Jumpers am Terminal den Hochtöner plus oder minus eineinhalb Dezibel lauter oder leiser spielen zu lassen und so an die Raumakustik und den Hörgeschmack anzupassen. Der Hochtöner ist ein D2604 von Scan-Speak mit 27-Millimeter-Textil-Kalotte aus der Discovery-Serie der Dänen. Er besitzt eine hohe Empfindlichkeit von 92 Dezibel und kann bei niedrigen Verzerrungen mit weitem Abstrahlwinkel bis über 30 Kilohertz spielen. Die beiden 130-Millimeter-Tiefmitteltöner, die Peerless HDS, leisten teils unterschiedliche Arbeit. HDS steht für ein hochdichtes, leichtes Papier, welches laut Phonar ein als natürlicher empfundenes Eigenresonanzverhalten der Membran mit sich bringen soll. Der obere Bassmitteltöner läuft ab seiner Übernahmefrequenz zum Hochtöner bei 2.800 Hertz unbegrenzt bis in den Tiefbass. Das gleiche, darunter angeordnete Chassis läuft bei einer oberen Trennfrequenz von 700 Hertz sozusagen als Subwoofer-Unterstützung ebenfalls bis in den Bass-Keller. Auf diese Weise vermeide man, so Phonar, gegenüber einer klassischen Drei-Wege-Lösung ein elektrisches Filter im sensiblen Tief/Mittelton-Bereich. Auf der Rückseite befinden sich zwei unterschiedlich große Bassreflexöffnungen. Die obere, kleinere wurde für eine schnelle Energieableitung und zur Vermeidung akustischer Phasendrehung auf der Höhe des oberen, breitbandiger arbeitenden Tiefmitteltöners platziert. Mit einem Wirkungsgrad von 89 Dezibel stellt die Veritas P4.2 Next keine hohen Anforderungen an die Verstärkerleistung.
Sehr wohl reagiert sie auf die Qualitäten des Verstärkers, in meiner Kette dem sehr fein zeichnenden, analytischen Soulnote A2 und alternativ dem eher etwas wärmeren, aber dennoch sehr gut differenzierenden Pier Audio Hybrid. In Kombination mit dem Soulnote reproduziert die p4.2 Next die oberen Tonlagen beispielsweise von Louis Armstrongs unlängst veröffentlichtem Live-Album Louis in London, wo er mit viel Spielfreude seine bekannten Hits bei der BBC zum Besten gibt, feiner aufgelöst und tiefer auf der Bühne gestaffelt. Dennoch werde ich den Test mit dem Pier Audio weiterführen, weil dieser insgesamt prima harmoniert und mir mit seinem Preis von 2300 Euro angemessener scheint. Die Hochtonwiedergabe der Phonar p4.2 Next ist das Auffälligste beim direkten Vergleich mit der p9.2 SE, die ihrerseits mächtig mehr Glanz und Details zu vermitteln weiß. Kein Wunder, denn in ihr spielt der kostspielige Ringradiator aus Scan-Speaks Illuminator-Linie. Aber das ist überhaupt kein Grund jetzt und hier das Buch zuzuklappen. Denn in Tarp hat man es verstanden, die Fähigkeiten der Discovery-Kalotte so einzusetzen, dass ihr Defizit zwar im direkten Vergleich klar hörbar ist, aber kaum noch eine Rolle spielt, sobald ich mich auf die Veritas p4.2 Next allein einlasse. Im Gegenteil: Man kann es sogar als vorteilhaft empfinden, dass die oberen Tonlagen etwas zurückhaltender reproduziert werden und damit auch eine wärmere Stimme mit mehr Körpervolumen bei Louis Armstrongs Gesang erlebbar wird.
Und schon bin ich bei einem entscheidenden Punkt meines Höreindrucks. Phonar hat bei dieser Standbox eine Abstimmung hinbekommen, die durch ihr ganzheitliches, homogenes Klangbild ihre Defizite gegenüber der kostspieligeren Konkurrenz aus eigenem Hause hinsichtlich des Erlebniswertes keine Rolle spielen lässt. Das geht sogar soweit, dass ich mich beim einen oder anderen Musikstück frage, ob ich die Veritas p9.2 SE wirklich besser finde. Das ist sie zweifellos, aber: Die musikalische Stimmigkeit der kleinen Standbox ist so gelungen, dass sie vergessen macht, dass sie das eine oder andere in Sachen Detailfülle nicht so perfekt beherrscht. Die Phonar Veritas p4.2 Next strotzt vor Musikalität und Spielfreude und lässt mich entspannt die Musik genießen oder konzentriert mit wippenden Füßen auf der Couchkante sitzen – je nachdem. Die Tatsache, dass der Obertonbereich eher etwas zurückhaltend wiedergegeben wird, schadet auch nicht bei rockigen Songs. „Spirit In The Sky“ von Norman Greenbaum (Deluxe Edition Qobuz 16/44,1) reproduziert die Phonar mit für dieses Genre angemessener Aggressivität und gleichzeitig viel Körperhaftigkeit beim Gesang, so auch bei den Background-Stimmen. Obwohl diese recht laut abgemischt sind, kann man singende Frauen wahrnehmen und zwar ohne kreischende Überbetonung. Das Timbre der 4.2 Next schränkt die rockige Lebendigkeit in keinster Weise ein, nervt nicht, macht nicht müde. Es macht vielmehr auf den nächsten Track neugierig. Das Miteinander der drei Lautsprecherchassis funktioniert bruchlos. Das Tiefmitteltöner-Duo erledigt seinen Part mit nicht vom Hochtöner abweichender Präzision und Dynamik. Die optionale Hochtonanpassung habe ich in meinem Hörraum nicht angewendet, und die beiden Bassreflexöffnungen besitzen keine Schaumstoffpfropfen, die, wie bei der Großen möglich, zum Experimentieren verführen und den Verlauf des Frequenzganges im Bass beeinflussen könnten.