Es wird Zeit, endlich dem Bassbereich Einhalt zu gebieten. Zuletzt habe ich mit dem Zen-Mikrofon gute Erfahrungen gemacht, dieses Mal überzeugt mich das Ergebnis der automatischen Einmessung aber nicht. Buchardt empfiehlt nach wie vor, mit dem Mikrofon den gesamten Raum abzuschreiten. Diese Variante war in meinem Fall definitiv notwendig. Wenn ich ausschließlich an meiner Hörposition gemessen habe, wie ich es bei den Econik SIX erfolgreich gemacht habe, wurde alles korrigiert, aber nicht das, was eigentlich zu korrigieren gewesen wäre. Beim Abschreiten des Raumes wurden meine Raummoden wenigstens korrekt erkannt, aber trotzdem für meinen Geschmack nur unzureichend kompensiert. Mit etwas mehr Geduld und Ausprobieren wäre ich sicher auch mit der automatischen Einmessung zu einem zufriedenstellenden Ergebnis gekommen. Da ich speziell im Bassbereich einen sehr linearen Frequenzgang bevorzuge und einige weitere Geschmackskriterien anzumelden habe, die die automatische Anpassung nicht berücksichtig, habe ich die Entzerrung mit eigenem Messequipment manuell durchgeführt. Dabei habe ich aufgrund meines kleinen Raumes und des geringen Wandabstands der Lautsprecher unter 70 Hertz am meisten zu tun. Darüber hinaus habe ich einen breitbandige Überhöhung um 500 Hertz abgesenkt und zwei kleine Peaks bei etwa 125 und 1.700 Hertz um wenige Dezibel gezähmt. Inzwischen bin ich in dieser Disziplin sehr routiniert und kann nur jeden, der Lust hat in diesem Bereich zu lernen, dazu ermutigen, es einfach auszuprobieren, denn ultimativ entscheiden der eigene Geschmack und die eigenen Ohren über das, was gefällt und kein Auto-EQ. Prinzipiell bietet es sich als Einsteiger oder in Ermangelung von Messequipment jedoch an, sich mit dem Absenken von zu vorlauten Frequenzbereichen zu begnügen.
Durch die Frequenzgangkorrektur kann ich dem Lautsprecher natürlich keine Tugenden anerziehen, die er nicht sowieso schon beherrscht. Es wäre also vollkommen falsch anzunehmen, dass der Lautsprecher bei mit nur so gut klingt, weil ich den Frequenzgang entsprechend entzerrt habe. Seine extrem gleichmäßige Abstrahlung über den gesamten Frequenzgang und auch außerhalb der Hauptachse ist eine dieser Tugenden. Außerdem ist die Grundabstimmung bereits unglaublich gut gelungen. Die Treiber werden genau in ihren Komfortbereichen betrieben und agieren absolut bruchlos miteinander. Zurück bei Anathemas „The Beginning and the End”, bei dem dank der Korrektur jetzt eine perfekte Ausgewogenheit zwischen den verschiedenen Frequenzbereichen herrscht: Nichts stört, jede einzelne Note sitzt, kein Detail wird mehr maskiert. Wenn ein Lautsprecher es schafft, eine durchschnittlich gute Aufnahme wie diese auf ein gänzlich neues Niveau zu heben und sie nicht gegen eine audiophile Hochglanzaufnahme abschmieren lässt, stimmt für mich einfach alles. Genau das schafft der A10. Ich habe es schon oft erlebt, dass das voller werdende Arrangement des Musikstücks schnell ins Unkontrollierte abrutscht, dies ist hier aber nicht der Fall. Und das sogar, obwohl bemerkenswert viele Details herausgearbeitet werden. Egal wo man hinhört, Stimme, Gitarren, Schlagzeug, überall sprüht Energie und eine Transparenz, die ihresgleichen sucht. Die Beckenreproduktion gehört für mich zu den besten, die ich überhaupt jemals gehört habe. Somit spielt der neue buchardt-Hochtöner für mich ohne Frage in der Oberliga mit. Und dass der Tiefmitteltöner ebenfalls zum Besten gehört, was die Treiberwelt aktuell so herzugeben hat, dürfte auch bekannt sein. Wohlgemerkt beides in einem Lautsprecher weit unterhalb der 10.000-Klasse. Insgesamt schafft es der kleine Lautsprecher aber trotzdem nicht gänzlich, dieses bestimmte Gefühl von Echtheit und die Illusion von „Hautnah dabei“ zu erzeugen. Er bleibt tendenziell seinem Monitor-Charakter treu und vermittelt eher einen Eindruck von Präzision und Akkuratesse. Dabei wirken dennoch ausnahmslos alle Instrumente enorm authentisch und hinreißend schön. Für mich persönlich zählt das mehr als das letzte Fünkchen Live-Gefühl, denn mal ehrlich: Nur live ist live. Letztendlich hören wir immer nur eine Interpretation von einem Live-Ereignis durch die Ohren der Produzenten. Und eben dieser Interpretation bleiben die Anniversary 10 hochgradig treu.
Egal was ich höre, ich staune darüber, mit wie viel Hingabe mir kleinste Details präsentiert werden. In „Alba II“ der Folk-Formation Faun vom Album Midgard beispielsweise wird mir das erste Mal so richtig bewusst, dass im Chorus vier verschiedenen Stimmen zu hören sind und nicht nur zwei. An den so wunderbar minutiös nachgezeichneten Klängen der teils exotischen Instrumente, die mir aus Folk-Sessions inzwischen aber auch in Natura bestens vertraut sind, kann ich mich kaum satthören. So richtig verrückt wird es dann bei Musik wie Albéniz Suite Española No. 1, die Rafael Frühbeck de Burgos für Orchester arrangiert und gemeinsam mit dem Philharmonia Orchestra 1968 selbst für Decca eingespielt hat. In Stücken wie Asturias sind die Durchzeichnung, Vehemenz und Attacke, die der Lautsprecher zu vermitteln mag, ohne dass die Bläser auch nur im Geringsten stechend oder überpräsent wirken, normalerweise nur größeren Kalibern vorbehalten. Auch wenn meine Standlautsprecher insgesamt vielleicht noch einen Hauch souveräner und räumlicher zu spielen vermögen, an der Homogenität und Ansatzlosigkeit, die die A10 bei Orchesterakzenten an den Tag legen, kommen sie nicht vorbei. An ihrer unangestrengten, fast beiläufigen Präzision und Transparenz sowieso nicht.
Bei Atli Örvarssons Musik zum Film „Der Adler der neunten Legion“ respektive „The Eagle“ meldet sich der zwar pegeltechnisch, aber in seinem Tiefgang nicht begrenzte Bassbereich eindrucksvoll zurück. Während die Geigen emotional vor sich hin sirren, schlägt die tiefe Percussion druckvoll zu. So spektakulär konnte ich dieses Album selten genießen. Wieder fällt auf, wie viele Details die Aufnahme offenbart. Verschiedene Hall-Räume, Positionierungen von Instrumenten und Stimmen im Stereopanorama: Wer hinhören möchte, erfährt hier sehr viel über die Entscheidungen am Mischpult. Und wer gar nicht so genau hinhören und einfach nur Musik genießen möchte, kann dies ebenso tun. Denn auch wenn Transparenz oberstes Gebot ist, bleibt Musikalität nie außen vor und die Integrität einer jeden Aufnahme gewahrt und ihre besten Eigenschaften werden herausgekehrt.