Schon die Positionierung im Rack wurde unbeabsichtigt zum Testszenario. Der Platz unmittelbar neben dem in der Vorstufe verbauten Schaltnetzteil, wurde mit einem dezenten Brummen quittiert. Ein paar Zentimeter Abstand beendeten die Misstöne. Verbunden wurde der Kopfhörerspezialist mit der Vorstufe symmetrisch wie unsymmetrisch. Durchgehend per XLR-Anschluss verkabelt war ein Sennheiser HD 800. Blickend signalisiert der Positionsstrich auf dem Lautstärkeregler die Startphase, in der die Kathode aufgeheizt wird und die Elektronen in Richtung Anode streben. Bis die Markierung dauerhaft leuchtet ist der Ausgang selbstredend stummgeschaltet. Nach weiteren zehn Minuten sind alle Bauteile stromdurchflutet und bereit für den Klangspaß. „Calling you“, live interpretiert von der Kanadierin Holly Cole, eröffnet den musikalischen Reigen. Ihre Stimme zuckersüß wie rauchig, die Phrasierung wunderbar nachvollziehbar, realistisch die übermittelte Rauminformation des Auftrittsortes – toll.
An dieser Stelle ein kleiner Einschub in Sachen Hören mit Kopfhörern. Die Unmittelbarkeit der Übermittlung der Schallinformation, die gänzlich unbeeinflusst von störenden Raumeinflüssen das Trommelfell erreicht, schafft im besten Sinne die Möglichkeit, eine Aufnahme zu sezieren. Das bedeutet leider auch, Fehler in der Produktion oder Mängel in der Aufbereitung werden aus dem Dunkel ins helle Licht gezerrt. Die Illusion, Hollys Kopf zu sehen, wie er bei der Aufnahme den Abstand zum Mikrofon variiert, hat allerdings überhaupt nichts Fehlerhaftes an sich. Ein perfektes Mitten-Drin-Gefühl vermittelt der Track „Yeppers“ vom Album Ray Barbee meets the Mattson 2: zwei Gitarren, Akustikbass sowie Schlagzeug, alles perfekt im Studio aufgenommen. Das Bühnenfeeling einer Liveaufnahme gibt es nicht, aber dafür die Möglichkeit, zwischen den Becken der HiHat hindurchzuschauen. Wie cool ist das denn, ging mir bei Abhören des gesamten Albums mehr als einmal durch den Kopf, bei dem die obengenannte Besetzung mal durch eine Trompete, mal mit einer Violine tonal erweitert wird. Mit Verve werden die Rhythmen zu Gehör gebracht, wunderbar schwingen die Bleche, ausdifferenziert streicht der Besen über das Fell der Snaredrum. Rauscht ein zugeschaltetes Effektgerät, dann hören wir genau das. Röhren können keine Dynamil? Die Kombination Cayin und Sennheiser beweist das Gegenteil.
Zugegeben, es gibt Musik, bei der eine hochklassige Wiedergabe wirklich nicht nötig ist. Andere Stücke benötigen für das tiefere Verständnis die perfekte Wiedergabe. Die Symphonie No. 3 des polnischen Komponisten Henryk Górecki ist so ein Werk. In der scheinbaren Monotonie der Streicherpassagen steckt mit einer feinen Nuancierung tiefe und unendliche Traurigkeit. Gute Komponenten, wie der HA-3A, lassen es zu, emotional in den Noten zu versinken, belanglose korrumpieren diese Musik. Schon lange nicht mehr in der Kirche gewesen? Mit „Christum wir sollen loben schon“ lässt sich zumindest der musikalische Teil zu Hause nachholen. Die Königin der Instrumente wird nebst Kirchenraum, hier ist es die Sint-Michaëlskerk in Zwolle, wunderbar zwischen den Ohren dargestellt. Der Ton der Orgel ist voller Leben, kraftvoll wie präzise in den tiefen Registern, schillernd in den Höhen. Kurz: Es spielt authentisch.
Nach der protestantischen Kirche in den Niederlanden wechseln ich Genre und Ort. Es geht mit Jean Michell Jarre auf den Amazonas. Sein Album Amazonia wurde speziell für das Hören mit dem Kopfhörer produziert. Es ist eine akustische Roadshow oder besser Schiffsreise auf dem Fluss in Südamerika. Im Fokus steht die Atmosphäre auf der Wasserstraße inmitten des Dschungels. Seine Musik, seine Toncollagen, unterlegen die Tour. Cayin und Sennheiser nehmen einen mit auf die Reise, auf der sich die beiden Schallwandler am Ohr immer mehr aufzulösen scheinen, so perfekt gelingt die Entführung in den virtuellen Raum.
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