Rein schaltungstechnisch gibt es nichts Aufregendes zu berichten, sondern eher solide, aber gut gemachte Hausmannskost: Zwei EL34-Pentoden pro Kanal arbeiten im Class-A/B-Ultralinearbetrieb. Diese Anordnung verwendet eine Gegenkopplung zwischen Anode und Schirmgitter der Gegentakt-Endpentode, was rein technisch etliche Vorteile mit sich bringt, die hier aber nicht weiter vertieft werden sollen. Jedenfalls beruht dieses Prinzip darauf, dem Schirmgitter der Endpentode einen Teil der Anodenwechselspannung zuzuführen, entweder über die Anzapfung der Primärwicklung oder aus einer Drittwicklung. Durch Wahl der Anzapfung der Primärwicklung respektive der Drittwicklung lässt sich die Einstellung der Röhren zwischen Trioden- und Pentodenbetrieb variieren. Beim Cayin MT-35MK2 BT sitzt ein solcher Umschalter in der Mitte der Chassisoberseite gleich hinter der Frontblende. Im Ultralinearbetrieb stehen an den Lautsprecherausgängen 35 Watt Ausgangsleistung pro Kanal zur Verfügung, im Triodenbetrieb immerhin noch 18 Watt. Die Eingangs- respektive Treiberstufen werden von einer ECC83 und zwei ECC82 gebildet. Der Vollständigkeit halber sei noch die Kopfhörerausgangsbuchse auf der Vorderseite erwähnt, eine Fernbedienung gibt es nicht. Außerdem verfügt der Verstärker neben der Bluetooth-Schnittstelle über drei Line-Eingänge sowie Lautsprecherausgänge mit vier und acht Ohm.
Bevor ich mit meinem eigentlichen Hörtest begonnen habe, benötigte ich familiäre Unterstützung. Meine Tochter stellte ihr Apple iPhone 11 Pro zur Verfügung und streamte ihre Musik via diverser Dienste, die ich selbst alle auf meinem Smartphone nicht nutze. Diese Streamingdienste erlauben die spontane Wahl beliebiger Titel aus einem fast unendlichen Pool an Musikstücken. So war ich zum Glück nicht dazu verdonnert, die Musik meiner Tochter hören zu müssen… Jedenfalls klappte die Verbindung zwischen Smartphone und Cayin MT-35MK2 BT problemlos und es klang insgesamt anständig. Ein belastbareres Urteil möchte ich an dieser Stelle nicht fällen, denn datenreduzierte, gestreamte Musik via Bluetooth kann letztlich einer „amtlichen Quelle“ mit verkabelter Verbindung nicht das Wasser reichen. Meine Tochter jedenfalls hatte nichts zu bekritteln – na also.
Also ging es jetzt für den Cayin richtig los, befeuert vom Duo bestehend aus Rega Planar 8 und Clearaudio Charisma V2, die die Signale via Phonostufe EAR Yoshino 834P zuspielten. Wieder einmal habe ich mir für den Hörtest bewusst oft gehörte „Lieblinge“ aus dem Plattenregal gezogen, die mir als Standard dienen, zum Beispiel Automatic for the People von R.E.M.,Warner Bros. Records, 1992. „Man on the Moon“, „Everybody Hurts“ und „Nightswimming“ klangen lebendig und sehr druckvoll. Wieder erkannte ich diese für Cayin typische, gute Grobdynamik, die ein grundlegendes Merkmal fast aller Cayin-Verstärker zu sein scheint. Trotz gegenüber dem Ultralinearmodus nominell nahezu halbierter Leistung im Triodenmodus brach diese tolle Dynamik kein bisschen ein, eher im Gegenteil: Der Tiefton kam sogar leichter, farbiger, federnder und authentischer rüber. Das ist jedoch gewiss ein Effekt, der grundsätzlich sehr stark vom angeschlossenen Lautsprecher abhängen dürfte. Faustregel: Leicht zu treibende Lasten mit hohem Wirkungsgrad wie zum Beispiel stramm aufgehängte Breitbänder oder kleine Zweigwegsysteme mit wenig komplexem Filternetzwerk dürften eher vom Triodenmodus profitieren, schwierigere Kandidaten mit geringerem Wirkungsgrad und der Erfordernis eines höheren Dämpfungsfaktors eher vom Ultralinearbetrieb.
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