Ja, in der Digitaltechnik tut sich eine Menge. Dass ich das Thema Tonabnehmer darüber so sehr vernachlässigt habe, ist dennoch erschreckend. Noch finsterer sieht es in Sachen Ortofon aus. Ein System dieses Herstellers hatte ich vor mehr als einer Dekade beschrieben. Das ändert sich jetzt. Hier kommt „das beste SPU aller Zeiten“.
So bezeichnet zumindest Leif Johannsen, der seit über zehn Jahren die Tonabnehmer des dänischen Traditionsherstellers entwickelt, seine neuste SPU-Kreation. Diese Version des erstmals 1958 vorgestellten Stereo Pick Ups ist übrigens schon seine dritte Variante des Klassikers: Zum 90-jährigen Firmenjubiläum stellte er das auf weltweit 400 Exemplare limitierte 90th Anniversary Modell vor, bei dem erstmals die Metallstruktur, in der der Generator montiert ist und die diesen mit dem Gehäuse aus mit Kunstharz zusammengehaltenen Holzpartikeln verbindet, im Selective Laser Melting-Verfahren produziert wurde. Dabei werden metallene Mikro-Partikel – in diesem Falle Stahl – mithilfe eines Lasers zu einem größeren Gebilde zusammengeschmolzen. Durch Variation der durch den Laser erzeugten Temperatur im Inneren des Werkstücks entstehen dabei amorphe Strukturen, so dass es eine hohe Festigkeit und Dichte und aufgrund seiner Inhomogenität dennoch eine enorm hohe innere Dämpfung aufweist. Daran lag es natürlich nicht allein, dass das 90-er aufs Feinste die bekannten SPU-Tugenden wie Spielfreude, ordentlich Schub im Bass und diese so schwer zu beschreibenden Direktheit mit Feinzeichnung und von einem SPU bisher nicht gekannten, weiten Raumdarstellung verband. Das machte das Jubiläumsmodell damals zu meiner bevorzugten Version des Klassikers, die meinen Ortofon RMG 309i aber leider kurz nach dem Test verlassen musste.
Wie viel Spaß Ortofons Klassiker – egal in welcher Variante – machen kann, wurde mir vor nicht allzu langer Zeit beim Test der vorzüglichen Phonostufe Melto 2 von Lab 12 wieder klar, als ich deren MM-Fähigkeiten ausloten wollte und in Ermangelung eines entsprechenden Tonabnehmers mein SPU Royal mit dem SPU-T100-Übertrager anschloss. Vielleicht war diese Erfahrung ja unterbewusst der Grund dafür, mir jetzt aus dem sträflich vernachlässigten Ortofon-Portfolio das zum 100-jährigen Firmenjubiläum vorgestellte Century zu bestellen. Doch bevor ich dazu komme, noch ein kurzer Rückblick auf das Sondermodell zum 95. Geburtstag, das SPU A95. Hier bestand der Körper, der die Magneten sowie alle beweglichen Teile beinhaltet und mit dem Gehäuse verbindet, aus einer im Selective Laser Melting-Verfahren aufgebauten Titan-Struktur. Leider hatte ich keine Gelegenheit, einmal ausführlich ein A95 zu hören.
Aber egal ob 90th Anniversary, A95 oder Century: Es ist gewiss unproblematischer, einen völlig neuen Tonabnehmer zu entwerfen als Modifikationen an einem seit Jahrzehnten weltweit beliebtem Klassiker vorzunehmen, dessen eingefleischte Fans jegliche Veränderung des Kultobjektes als Sakrileg ansehen könnten. Selbstverständlich möchte Leif Johannsen mit jedem „neuen“ SPU den klanglichen Vorzügen des Klassikers Verbesserungen in anderen Disziplinen hinzuzufügen. Aber selbst eine plastischere Raumdarstellung oder mehr Detailfreudigkeit müssen die Liebhaber der klassischen SPUs nicht unbedingt überzeugen, wie ich von einem Ex-Kollegen hören musste. Er war vor Jahrzehnten zwar in der Lage, die Vorzüge des damals aktuellen SPU Synergy professionell zu würdigen, hielt die zusätzlichen Details und die bessere Durchzeichnung dem Musikgenuss aber eher für abträglich. Wenn man das SPU weiterentwickelt, bewegt man sich zumindest bei Hardcore-Fans dieses Klassikers auf ganz dünnem Eis.
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