Schon während der Einspielzeit begeisterte der Tief-Mitteltöner mit seiner Schnelligkeit und Offenheit. Auch wenn ich es ansonsten lieber vermeide, Klangeindrücke mit Konstruktionsmerkmalen in Verbindung zu setzen, kann hier nicht umhin, das Fehlen jeglicher Frequenzweichen-Bauteile vor dem Tief-Mitteltöner als Grund für die ebenso detailreiche wie luftige Wiedergabe anzusehen. Bei aller Offenheit löst sich der Klang aber nicht so völlig von den Gehäusen, wie ich das vor allem von den Kawero! kenne. Und deshalb beginne ich, The Pure ein wenig im Raum herum zu rücken: Auch bei der Trenner & Friedl Isis, die ebenfalls eine für den heutigen Zeitgeschmack recht breite Schallwand besitzt, hat sich der übliche Aufstellungsort in meinem Hörraum als nicht ideal erwiesen. Also ziehe ich The Pure ein kleines Stückchen weiter auseinander, winkele sie nur andeutungsweise auf den Hörplatz ein und schiebe sie auch noch ein paar Zentimeter weiter zur Rückwand des Raumes: Plötzlich ist der Standort der Schallwandler so gut wie nicht mehr zu orten, die zuvor recht flache imaginäre Bühne gewinnt deutlich an Tiefe und die Darstellung erscheint ein gutes Stück plastischer. Nur eines hat sich nicht geändert: die ungeheure Spielfreude und Spontaneität von The Pure.
Jetzt spielt Einsteins Lautsprechersystem so, wie ich mir das von einem Top-Schallwandler in meinem Hörraum erhoffe – und damit ist es Zeit, auch mal ein bekannte Platten aufzulegen. Überraschenderweise ist es eine, wie ich dachte, schon viel zu häufig gehörte Test-Scheibe, die mich zuerst nachhaltig beeindruckte: Den „Buck Dance“ von Dick Schorys Bang, Baa-Room And Harp glaubte ich in- und auswendig zu kennen. Aber die simplen Bassläufe habe ich in meinem Hörraum noch nie so klangfarbenstark und melodiös erleben dürfen. Selbst bei AudioMachinas Maestro GSE ist mir diese besondere Fähigkeit nicht so bewusst geworden. Fragen Sie mich nicht, warum. Fest steht jedenfalls, dass die Basswiedergabe von The Pure für jemanden, der – wie ich – einen besonderen Hang zu tiefen Tönen hat, geradezu eine Offenbarung ist: Hier strotz der Bassbereich bei den entsprechenden Platten nicht nur vor Kraft und Vitalität, sondern bezaubert auch mit Melodie und Farbe – und das raubt, wie gesagt, den tiefen Frequenzen nicht das mindeste von ihrer fundamentalen Energie.
Zu meinen langjährigen Lieblingsscheiben, die mir für Tests viel zu schade und dafür auch nicht besonders geeignet ist, zählt Jeremy Steig und Eddie Gomez' Music For Flute And Double Bass. Darauf sind nicht nur die beiden auf dem Albumtitel erwähnten Instrumente zu hören, sondern per Studiotechnik oft mehrere von ihnen. Hinzu kommen Effekte wie Octave Divider, Ring Modulator, Mutron III oder Echoplex. Kombiniert mit einer – sagen wir mal freundlich – gewöhnungsbedürftigen Platzierung der Instrumente im Stereopanorama entsteht ein eigentümlich schwebendes, wenig konkretes und griffiges Klangbild, über das ich wegen der wunderbaren Musik aber locker hinweghören kann. Die Einstein-Kette kann den Instrumenten natürlich auch keine anderen Plätze zuweisen, lässt sie aber geerdeter und handfester rüber kommen. Die Effekte scheinen nicht länger Selbstzweck, sondern besser in die musikalisch Aussage integriert zu sein. Die Scheibe klingt nicht mehr ganz so artifiziell, eben einen Hauch lebendiger und echter. Wie schön, wenn man an einer seiner LPs für die einsame Insel auch nach über 30 Jahren noch neue Facetten entdecken kann!
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