ATR – Audio Trade engagiert sich nach der neuen De-Phazz-LP weiter in Sachen Vinyl und hat die Esther-LP wiederaufgelegt: Die originalen Tapes restaurierte Christoph Stickel, Thorsten Scheffner masterte die Aufnahmen im Schneidestudio vor dem Umschnitt in die Lackfolie nach einigen Probeschnitten und Optimal presste in 180 Gramm Vinyl.
In den späten 70er Jahren – zwei Jahre nach der Gründung von Mobil Fidelity Sound Labs und anderthalb Jahrzehnte vor Mike Hobson und Ying Tans Classic Records – sorgte eine LP unter Audiophilen für Aufsehen: Esther, Esther Ofarims erstes Soloalbum, das 1972 bei EMI Electrola erschienen war und 1979 als ATR Mastercut Recording auf den Markt kam. Es war wohl nicht vorrangig der musikalische Inhalt, der die Scheibe zu etwas Einzigartigem machte, sondern die Tatsache, dass nach Auskunft gut unterrichteter Kreise der Spitzenpegel beim Schneiden der Lackfolie bei plus sieben Dezibel lag. Das war selbst in einer Zeit, in der die Abtastfähigkeit eng mit der Qualitätseinschätzung eines Systems korrelierte und leichte Tonarme in Kombination mit leichten Abtastern mit hoher Nadelnachgiebigkeit das Maß aller Dinge waren, ein recht sportlicher Wert, um es mal freundlich zu formulieren. Es ist heute natürlich keine verlässliche Auskunft mehr darüber zu bekommen, ob einer der Beteiligten einfach ein wenig übertrieben hatte oder ob das Ganze geplant war. Auf jeden Fall machte ATR das beste aus der Situation und ließ folgenden Satz auf die Rückseite des Covers drucken: „Daß ATR-Mastercut Recordings verzerrungsfrei abtastbar sind, kann nach Absprache im ATR-Referenzstudio demonstriert werden“. Und damit landete man einen der größten Markeing-Coups in der Hifi-Szene: Ich möchte nicht wissen, wie viele Besitzer einer auf ihrem Plattenspieler verzerrenden Esther in die Koloniestraße 203 in Duisburg pilgerten, um Arm und System überprüfen zu lassen. Falls Ihnen die Adresse bekannt vorkommen sollte: Aus dem noch heute existierenden Studio gingen zwei der wichtigsten deutschen Hifi-Institutionen hervor, Acapella Audio Arts und ATR – Audio Trade.
Der Autor war damals mit seinem Thorens TD160 inklusive Audio Techica AT20SLA rundum zufrieden – bis er die Esther auflegte: Natürlich war die Arm/Systemkombination nicht in der Lage, der riesigen Rillenauslenkung zu folgen und ich fand mich bald darauf im ATR-Referenzstudio alias Audio Forum wieder. In einem der oberen Räume montierte dann Peter Mühlmeyer einen Mayware Formula IV auf besagten Thorens. Das war wohl der Punkt, an dem ich mich von gehobenem Hifi in Richtung High End verabschiedete. Die Folgen sind bekannt und zumindest für die folgenden Jahre dokumentiert: eine schwere Audio-Forum-Abhängigkeit.
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