Auch in Sachen Klang muss man sich von alten Hörgewohnheiten verabschieden. Beim Konzert von Thomas D. beispielsweise gingen die Signale der beiden Keyboards, der Gitarre und des E-Basses nach den Effektgeräten der Musiker direkt ins Mischpult, waren also im Raum nicht hören. Zu vernehmen im Raum war lediglich ein nicht übermäßig heftig gespieltes Schlagzeug und die unverfälschte Stimme des Sängers. Im Regieraum wurde dann neben der Mehrkanalaufnahme auch ein Mix auf zwei Kanäle erstellt, der einerseits als eine Art analoge Sicherheitskopie von einer Studer A812 auf Viertel-Zoll-Band aufgezeichnet und andererseits dem Publikum auf Kopfhörern zugänglich gemacht wurde. Man verfolgte das Konzert über geschlossene Sennheiser-Over-Ears und konnte dabei schon eine Vorstellung davon entwickeln, wie die Musik in etwa von der später produzierten CD, der LP oder – von vielen Produktionen auch angeboten – der Masterband-Kopie klingen würde.
Die bis zu 120 Kopfhörer im Aufnahmeraum lassen sich natürlich nicht individuell in der Lautstärke regeln. Da muss man mit dem Vorlieb nehmen, was vom Kontrollraum vorgegeben wird. Beim ersten Set von Thomas D. passte das auch hundertprozentig. Hätte ich die Möglichkeit gehabt selbst zu wählen, wäre ich bei exakt der gleichen Einstellung gelandet. Bei zweiten Set lag der Pegel dann ein wenig über dem, was ich für mich als Wohlfühllautstärke definieren würden. Eine Einschätzung, mit der ich wohl relativ allein dastand. Die Zuhörer um mich herum wippten nicht nur dezent im Takt, manche packten die Texte und die fetzige, mit einigen feinen Soli von Gitarre und Keyboards im Hammond-Sound garnierte Musik derart, dass sie zu tanzen begannen. Und das hatte natürlich auch wieder einen positiven Einfluss auf die Band. Selbst ein eingefleischter Jazzfan konnte sich der Energie und Emotion dieses so intimen Konzerts nicht entziehen. Die Atmosphäre dieses Studiokonzerts war einfach unglaublich intensiv.
Das hat natürlich auch seinen Preis. Bei den beiden leider schon ausverkauften Incognito-Konzerten gab es beispielsweise sogenannte Early-Bird-Tickets ohne Fingerfood ab 75 Franken. Hungrige Spätentschlossene konnten zum Last-Minute-Ticket mit kleinen Häppchen für knapp 135 Franken greifen – was mir im Vergleich zu den heutigen Preisen von Stadion-Tickets ausgesprochen moderat erscheint. Wer die Idee der Studio-Konzerte im Besonderen und die der überwiegend analogen Produktion von Tonträgern in sehr überschaubaren Stückzahlen im Allgemeinen gut findet und unterstützen möchte, sollte sich ein Premium Supporter Ticket zum Preis von 560 Franken leisten. Dafür bekommt man über eine Stunde vor dem übrigen Publikum Zutritt zum Studio und zum sogenannten Magic Room, der erst als zweite Regie angedacht war, nun aber eine ganz spezielle Akustik aufweist, da ein Freund von Little Konzett dort seine Plattensammlung mit etwa 50.000 LPs untergebracht hat. Laut Discogs-Liste liegt der Wert dieses Vinyl-Schatzes dank vieler gesuchter Erstpressungen, Goldenen Schallplatten und White Labels übrigens bei rund einer Million – da ist es dann schon egal, ob wir von Schweizer Franken oder Euro sprechen.
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