Ob der Audivina auch eine alltagstaugliche Empfindlichkeit besitzt, prüfe ich zuerst direkt am Miniklinken-Ausgang meines MacBooks, auf dem Audirvana 3.5.50 läuft. Beim Scrollen durch den Inhalt der USB-Festplatte bleibe ich bei Bo Hanssons Lord Of The Rings hängen: Mit „Leaving Shire“ beginnt mein kurzer nostalgischer Ausflug. Die Leistung des Mac-Kopfhörerausgangs reicht aus, um mit dem Hifiman angenehme Lautstärken zu erreichen. Auch beim Quer-Check mit anderen Alben verbleibt noch eine Reserve von zwei bis vier Dezibel. Weiter geht’s mit „The Old Forrest & Tom Bombadil“ und dem Audioquest Dragonfly Cobalt. Der bringt noch ein paar Reserven mehr und eine etwas verbesserte Durchzeichnung. Nach den negativen Erfahrungen mit Dan Clark Audios Stealth und Expanse an den Ausgängen der Nagra VI und des AudioDevelopment AD 245 Pico Mixers probiere den Hifiman kurz am digitalen Sechs-Spur-Recorder aus: Die Nagra hat keinerlei Probleme, den Audivina zum Klingen zu bringen. Also wieder zurück zu mobilen Kopfhörer/Wandler-Kombinationen: Mit Chord Electronics Mojo fängt dann der Spaß so richtig an: Das Bass-Intro von „The Black Riders And The Flight To The Ford“ kommt satt rüber und der folgende schnelle Part wird in seiner Vielschichtigkeit sehr fein durchhörbar reproduziert – ich sollte wirklich mal schauen, welche Bo-Hansson-Alben Qobuz anbietet.
Ich wechsele zum Hugo 2 und Billy Jenkins Album S.A.D., das irgendwo zwischen Rock Punk und ein wenig Jazz angesiedelt ist, aber dennoch eine Hymne für alle bereit hält, die allenfalls noch Dixie und Swing goutieren: „ The Jazz Had A Baby (And They Called It Avantgarde)“. Billy Jenkins war bei der Produktion der Tracks wohl nicht allerbester Laune, wie der Titel „Pissed Off Boy“ verrät. Die teils rüden Songs mit viel Gitarrenlärm und vielfältigen Geräuschen im Hintergrund wären für mich alles an andere als ein Freude, wenn Hugo und Hifiman nicht zumindest einen Anflug von Ordnung – und jede Menge Drive – in das Gebrodel bringen würden. Hier ist das keinesfalls übertriebene, aber auch nicht übermäßig zurückhaltende Bassfundament ein weiterer Schlüssel zum Genuss. Wenn zarte Stimmen, Triangeln und Singer/Songwriter in audiophilem Gewand Ihnen mal ein wenig zu viel des Guten werden, lasse Sie Ihre Ohren am besten von Billy Jenkings erfrischen. Aber Vorsicht, Elektronik und Schallwandler sollten schon auf ähnlich hohem Niveau agieren wie Audivina und Hugo, sonst tut man sich mit dieser wilden Melange gewiss keinen Gefallen.
Bevor ich den Audirvina an verschiedenen Kopfhörerverstärken mit und ohne D/A-Wandler hörte, gab es eine erste Annäherung während der Aufnahmen mit De-Phazz, bei der der Hifiman am Phonitor einen extrem guten ersten Eindruck hinterließ: Er agierte im Mittelhochtonbereich so gut wie ohne Auffälligkeiten. Der Frequenzgang stellt sich sehr ausgewogen und linear dar. Auch ohne längeres Aneinander-Gewöhnen könnte ich mich auf den Hifiman verlassen, wenn ich nicht auch beim Mischen Lautsprecher bevorzugte. Was den bei geschlossenen Konstruktionen oft problematischen Bassbereich anbelangt, brauche ich mit dem Hifiman noch ein paar mehr Erfahrungen unter kontrollierten Bedingungen. Fest steht aber für mich schon jetzt, dass der Audirvina nicht zu den übertreibenden, auf kurzzeitig ansprechenden Effekt getrimmten Vertretern seiner Art zählt.
Vor mehreren Jahrzehnten benutzte sehr häufig Gary Peacocks Album „December Poems“, um das Zusammenspiel von Raum und Lautsprecher im Bassbereich zu optimieren. Ich hielt die nun seit langem nicht mehr gespielte LP für so wichtig, dass ich ein zweites, versiegeltes Exemplar im Regal stehen habe. Vielleicht kann das erste Stück, das mit drei Bässen im Mulitplay-Verfahren aufgenommene „Snow Dance“, ja Aufschluss darüber geben, was der Audivina im Bassbereich genau tut. Für den Test streame ich das Album von Qobuz. Einfach klasse, diese wohlvertrauten Basslinien mal wieder zu hören. Und die Wiedergabe erinnert wirklich an die eines großes Lautsprechers im Wohnraum: Die Bässe rechts und rechts erklingen bestens differenziert, kommen mit Nachdruck und sehr lebendig rüber. Das gilt auch für den Viersaiter in der Mitte, der allerdings nach einem charakteristischen Knarzen und dem Wechsel in die tiefsten Lagen plötzlich deutlich voluminöser und ein klein wenig fetter klingt: genau wie damals in meinem Raum. Zum Vergleich ziehe ich kurz den Sendy Audio Peacock zum Vergleich heran. Bei dem ist der Effekt minimal weniger stark ausgeprägt – kein Wunder bei einer offenen Konstruktion Insgesamt lässt der Peacock aber einen Hauch Klarheit und Schnelligkeit vermissen. Auch die Griff-, Saiten- und Atemgeräusche des Musikers sind hier nicht so präsent wie beim Hifiman.