Wie üblich waren die ersten beiden Plattenseiten die von Art Farmer und Jim Halls immer wieder anregenden Album Big Blues, das ich anfangs beim Aufräumen der Justage-Utensilien und nicht auf dem Hörplatz genoss: Das Vibraphon perlte, das Flügelhorn kam mit Biss und Attacke, doch ohne Schärfe, die Bass Drum entfaltete Druck. Die Wiedergabe war fließend, homogen, Klangfarben-stark und insgesamt sehr eingängig, jedoch völlig unspektakulär. Vielleicht, weil ich die anspringende Spielfreude des Verismo noch so ungemein positiv in Erinnerung hatte, schließlich hatte ich es nach dessen Test auch noch einmal bei der Beschäftigung mit Helmut Thieles Plattenspieler und Arm ausführlich genießen dürfen, war ich offengestanden ein klein wenig enttäuscht: In keiner Disziplin buhlte das MC Diamond um die Aufmerksamkeit des Hörers. Es fehlte nichts, das Ortofon lieferte nicht den geringsten Anlass zu Kritik, es spielte stimmig, überaus engagiert und emotional ansprechend. Aber ich hatte auf einen besonderen Kick gewartet. Abends hörte ich dann mit meiner Gattin mal wieder eine unserer Lieblingsscheiben: Jeremy Steig und Eddie Gomez' Music For Flute & Double Bass, klanglich nicht unbedingt eine Offenbarung, weil die Instrumente durch den Einsatz von Octave Divider, Mutron Bi-Phase III, Echoplex und Ring-Modulator wenig griffig und unkonkret erscheinen – es sei denn, man hört die Platte mit dem MC Diamond. Schon während des ersten Stücks merkte meine Gattin an, so gut hätte sie die Scheibe wohl noch nie gehört. Wobei wir uns sicher waren, dass wir sie auch schon in der aktuellen Anlagenkonfiguration – also bereits mit den Børresen 05 SSE, nur ohne MC Diamond – erlebt hatten. Dank dessen extrem hoher Auflösung wirkten die Instrumente nun recht realistisch, während die Effekte quasi als zweite Informationsschicht überlagert waren: einfach großartig! Mit seiner hohen Auflösung und enormen Detailfülle protzt das MC Diamond aber nicht einmal ansatzweise. Die Feininformationen werden nicht in gleißendem Licht präsentiert, sondern fügen sich beinahe unauffällig in den musikalischen Fluss ein. Dass sich das MC Diamond diese holographische Durchzeichnung nicht durch etwaige Frequenzganganomalien erkauft, brauche ich gewiss nicht zu betonen. Oder kennen Sie einen Ortofon-Tonabnehmer, der vom linearen Weg der Tugend abweicht?
Am nächsten Tag lag dann Zakir Hussains Making Music auf dem Teller des LaGrange: Hariprasad Chaurasias Flöten und den sie umgebenden Hall habe ich zuvor nie so differenziert wahrgenommen. Das Spiel auf den Tablas blieb auch in den schnellen Passagen besten durchhörbar. John McLaughlins Gitarre erklang mal voller Farbe, mal mit Vehemenz: Das MC Diamond steht dem Verismo in Sachen Attacke und Schnelligkeit nicht im mindesten nach, stellt diese Tugenden aber nicht in den Vordergrund. Sehr schön! Im letzten Jazz Podium gab es einen spannenden Artikel über die aktuellen Solo-Alben der Posaunisten Joe Fiedler, Sebi Tramontana und Ray Anderson, die natürlich in der Tradition von Albert Mangelsdorffs Solo-Einspielungen Trombirds und Tromboneliness stehen. Da die neuen Produktionen nur in digitaler Form vorliegen, waren die beiden MPS-Alben dann auch die Begleitmusik zum abendlichen Aperitif: Der Diamant des MC Diamond mit Replicant-100-Schliff glitt völlig nebengeräuschfrei durch die Rillen der schon recht betagten Scheiben, und Grund- sowie gesungener Ton des mehrstimmigen Posaunenspiels wurden sehr fein differenziert. Die Bewegungen Mangelsdorffs und seines Instruments waren ebenso gut nachzuvollziehen wie die Interaktion der Klänge mit dem Raum. Wohl kein anderer mir bekannter Tonabnehmer vermittelt so selbstverständlich, ja fast schon beiläufig eine derartige Fülle von Feininformationen, ohne vom Wesentlichen abzulenken.
Die Leistungsfähigkeit des MC Diamond offenbarte sich bisher auch ohne die unvermeidlichen Test-Scheiben. Deshalb lege ich noch einmal einen meiner Langzeit-Favoriten auf, der zwar vor 40 Jahren öfter mal als Referenzscheibe herangezogen wurde, schon seit langem aber nur als Genussmittel dient: Collin Walcotts Grazing Dreams. Inzwischen überrascht die ungeheure Präzision des MC Diamond bei der Wiedergabe des exotischen Instrumentariums schon nicht mehr. Dazu kommen mannigfache, intensive Klangfarben, feine Rauminformationen und eine packende Rhythmik. Am nachhaltigsten beeindruckt mich aber die Energie, mit der Don Cherrys Trompete erklingt: dynamisch scheinbar unbegrenzt, klar, kraftvoll, wenn nötig, auch mit Biss, aber ohne jeglichen Anflug von Rauigkeit. Jetzt aber genug der Schwärmerei: Ich sollte ja nicht nur beschreiben, wie überaus gut mir meine Lieblingsscheiben mit dem MC Diamond gefallen. Da vorher das Transrotor Tamino im Einsteins langem The Tonearm aktiv war, liegt der Abschlusswiderstand an der Phonostufe übrigens immer noch bei 40 Ohm. Nach der Faustregel, Innenwiderstand des Systems mal 10 bis 20, soll der für das MC Diamond zwischen 60 und 120 Ohm liegen. Leif Johannsen empfiehlt ganz entspannt einen Wert größer als zehn Ohm, so dass ich es erst einmal bei 40 Ohm belasse. Das macht einen kurzen Vergleich mit dem Tamino auch einfacher. Weil es so schön war, bleibe ich gleich bei Grazing Dreams: Das Transrotor-System bringt mehr etwas Wärme ins Spiel, agiert aber nicht ganz so offen und leichtfüßig wie das MC Diamond. Letzteres fügt der Musik nicht die kleinste eigene Färbung hinzu: High Fidelity im besten Sinne!