Auch bei Ralph Towners Solo Concert geht es mir nicht um die Beurteilung irgendwelcher Hifi-Disziplinen, sondern um eine eher pauschale Einschätzung des Verismo. Wie das Foto auf der Rückseite des Covers verrät, wurden die Aufnahmen im Amerika Haus in München respektive im Limmathaus in Zürich mit recht feinen Mikrofonen gemacht: vier – zwei Groß- und zwei Kleinmembranmodelle – in der Nähe des Instruments und ein Stereomikro in etwas größerem Abstand. Ob diese Mikrofonierung allein oder zusätzlich noch ein wenig künstlicher Hall für die beeindruckende Raumdarstellung verantwortlich ist, vermag ich nicht zu sagen, wohl aber, dass ich die Platte nur ganz selten – wenn überhaupt – so gut gehört habe. Die schnelle Folge der Töne wird bestens differenziert, die unterschiedliche Intensität des Anreißens der Saiten wird deutlich, und trotz aller Detailverliebtheit steht der musikalische Fluss im Vordergrund. Immer wieder mal hört man auch leise Geräusche vom Publikum.
Der sehr natürlich klingende Applaus macht klar, dass sich das Verismo die Fähigkeit, eine Menge winziger Informationen zu präsentieren, nicht mit Überbetonungen eines Frequenzbereichs erkauft. Es ist ein Muster tonaler Ausgewogenheit. Wie ich als langjähriger Fan der Roksan-Darius-Lautsprecher aus eigener Erfahrung nur allzu gut weiß, können leichte Abweichungen von linearen Pfad der Tugend – vor allem im Präsenzbereich – den Eindruck von Schnelligkeit und besonderen Fähigkeiten in Sachen Dynamik erzeugen. Aber solcher Tricks braucht sich Leif Johannsen nicht zu bedienen. Auch das Verismo steht in bester Ortofon-Tradition: Es spielt tonal ausgewogen und stimmig, vermittelt bei entsprechenden Scheiben eine realistisch anmutende Raumillusion und verwöhnt mit jeder Menge Details. Dank der vorzüglichen Transientenwiedergabe kommt der Klang des Verismo Live-Darbietungen ein gutes Stückchen näher als die Mehrzahl seine Konkurrenten. Wirklich packend!
Auch eher zum Genuss als zum Erkenntnisgewinn lege ich Eberhard Webers Album Orchestra auf: Bei zwei Stücken wird der Bassist von einem sieben- respektive neunköpfigen Bläserensemble begleitet. Die übrigen Titel gestaltet er mit seinem wohl einzigartigen Bass-Sound, Percussion und ein paar Keyboard-Klängen allein. Auch bei dieser Scheibe begeistert mich das Verismo mit seiner sehr guten Durchzeichnung, seiner Klarheit und Offenheit. Dennoch haftet dem Klang nichts Überanalytisches, Kühles oder gar Nervöses an. Auf „One Summer's Evening“ und den folgenden Stücken brilliert das Ortofon dann mit seiner enorm tiefgehenden und dabei bestens kontrollierten Basswiedergabe, die über den Tonumfang eines Viersaiters hinausgeht. Entweder verwendet Eberhard Weber hier ein tiefe fünfte Saite oder die Sounds stammen vom Synthesizer. Egal, diese Menge wohl definierter Tieftonenergie ist ein Erlebnis.
Wie erwartet harmoniert das Versimo ganz hervorragend mit dem Thiele TA01. Nun probiere ich es einmal in Einsteins The Tonearm in der Neun-Zoll-Variante aus. Der ist mit 18,5 Gramm effektiver Masse etwa 4,5 Gramm schwerer als der Thiele. Auch im Einstein fühlt sich das Verismo hörbar wohl: Die Unterschiede zum TA01 sind recht gering. Überraschenderweise erwies sich das Tieftonfundament bei Eberhard Webers Orchestra im Thiele noch einen Hauch mächtiger, dafür umgab die Instrumente beim Big Blues noch eine Spur mehr Luft, wenn der Abtaster vom Einstein geführt wurde. Wie gesagt, die Differenzen zwischen den beiden Armen sind marginal. Das Verismo erweist sich in Sachen Tonarm bisher also nicht als übertrieben wählerisch.
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