Der Lyravox Karlsson ist ein kompakter Aktivlautsprecher, der um den High-End-Thron kämpft. Im Zentrum steht der aufwendigste je von Accuton produzierte Tiefmitteltöner, um den Karlsson von Lyravox herumentwickelt wurde. Auf diesen Treiber zu setzen, war eine sehr lohnende Entscheidung, wie sich im Folgenden zeigen wird.
Vor dem Test haben sich die beiden Lyravox-Gründer Dr. Götz von Laffert und Jens Wietschorke mit mir zu einem Treffen in ihrer Manufaktur in Hamburg verabredet. So habe ich die Gelegenheit, die Marke Lyravox schon vor dem Test kennenzulernen, und erste technische Fragen können geklärt werden. Auch das Musikhören darf natürlich nicht zu kurz kommen, denn dies ist am Ende des Tages das Einzige, was für Jens und Götz zählt. Schon an der Tür der Manufaktur wird die Detailverliebtheit der beiden deutlich. Sie haben ihren Klingelknopf der handelsüblichen Mehrparteien-Klingelanlage durch eine gefräste Spezialanfertigung ersetzt, die ihre Initialen, das Firmenlogo, trägt. Das gesamte Gebäude versprüht einen altehrwürdigen Industriecharme. So auch die Räumlichkeiten von Lyravox, in denen ich herzlich mit einem Espresso und der gebührenden pandemiebedingten Vorsicht begrüßt werde. Nach einer kleinen Führung durch die Manufaktur und erstem Fachsimpeln finden wir uns im Hörraum ein. Trotz des Standorts zwischen Norder- und Süderelbe, hat man vom Hörraum aus einen Ausblick auf die Wahrzeichen Hamburgs: Elbphilharmonie, Michel und Fernsehturm, zwar eher klein, aber immerhin. So sehen das auch Götz und Jens. Sie sind sehr glücklich über ihren Standort auf der Elbinsel Wilhelmsburg – hier herrscht noch echte hamburgische Gelassenheit und die berühmte Veddeler Fischgaststätte ist auch nicht zu weit entfernt. Götz führt mir den Standlautsprecher Karlotta vor und Jens erläutert ein paar seiner Gedanken zum Thema Lautsprecherbau. So erfahre ich, dass die breite Front mit scharfer Kante in Verbindung mit Keramiktreibern mitnichten eine reine Designentscheidung, sondern auch eine Entscheidung technischer Natur ist. Die charakteristische Form der Lyravox-Lautsprecher nebst scharfer Kante wird genutzt, um das Abstrahlverhalten und den spezifischen Frequenzverlauf der verwendeten Treiber zu formen. Da außerdem nahezu jeder Lyravox Lautsprecher beim Kunden eingemessen wird, blickt Jens auf eine ungewöhnlich hohe Anzahl verschiedenster gehörter und gemessener Wohnzimmer und HiFi-Räume zurück. Die dabei gesammelten Erkenntnisse fließen unmittelbar in die Entwicklung neuer Lautsprecher ein. Denn was nutzt einem ein Lautsprecher, der unter Laborbedingungen entwickelt wurde, aber in einem normalen Raum nicht wie gewünscht funktioniert? Eine Schlüsselrolle spielt für Lyravox die aktive Technik. Unerwünschte Faktoren, beispielsweise eines Verstärkers mit unschicklichem Dämpfungsfaktor an einem passiven Lautsprecher, können durch die aktive, unmittelbare Ansteuerung eines jeden Treibers durch seine eigene Class-D-Endstufe umgangen werden. Auch die unvermeidbaren Verluste einer passiven Frequenzweiche fallen weg. Mittels DSP können verschiedene Weichendesigns ungewöhnlich präzise ausgelegt und deutlich schneller getestet werden. Statt sich mit zeitintensiver Bauteilauswahl für die optimale passive Weiche zu beschäftigen, kann man sich anderen Dingen zuwenden. Und genau das machen Jens und Götz dann auch für die nächsten Stunden – sich mit anderen Dingen beschäftigen. Die kleine Manufaktur will schließlich am Laufen gehalten werden. So kann ich bis in den Abend nach Herzenslust meine Musiksammlung auf den zwei Karlottas hören, bevor wir einen Termin für die Lieferung und Einrichtung der kleinen Karlssons in meinem Hörraum ausmachen und ich den Heimweg antrete.
Karlsson vereint gleich mehrere Premieren in sich. Zunächst ist er der kleinste Lautsprecher von Lyravox und der erste mit einem Kunststeingehäuse. Die Verwendung des Highend-Tiefmitteltöners Accuton C168-890 ist nicht nur eine Premiere für Lyravox, sondern Karlsson ist einer der ersten Lautsprecher überhaupt, in dem dieser Treiber arbeitet. Mit seiner großen Schwingspule und innenliegenden Zentrierspinne stellt der Keramiktreiber eine Neuentwicklung Accutons dar. Die gesamte Konzeption des Bassreflexgehäuses ist darauf ausgerichtet, ihm die bestmögliche Arbeitsumgebung zu biete. Zum Tiefmitteltöner gesellt sich ein C25-6-158 Keramikhochtöner, ebenfalls aus der Cell-Serie von Accuton. Beide Treiber verfügen über ein identisches akustisches Zentrum, was ihre Positionierung und Abstimmung in Hinblick auf einen gleichmäßigen Phasenverlauf deutlich erleichtern soll. Zusätzlich kommt ein Air Motion Transformer auf der Oberseite des Lautsprechers hinzu, der den Keramikhochtöner ab 5000 Hertz unterstützt. Eine ungewöhnliche Entscheidung, für einen Lautsprecher, der zwar nicht ausschließlich, aber durchaus gezielt für den Studiobetrieb entwickelt wurde. In der Erprobungsphase des Karlssons hat sich der AMT-Hochtöner jedoch im Studiobetrieb keinesfalls als störend herausgestellt, im Gegenteil: Sowohl Raumdarstellung als auch Sweetspot profitierten deutlich und nicht nur zu Hause ist eine gleichmäßige Hochtonwiedergabe abseits der akustischen Hauptachse höchst willkommen. Obendrein hat sich eine spezifische Konfiguration der Lautstärke und Phasenlage beider Hochtöner zueinander als derart überlegen herauskristallisiert, dass man sich dazu entschieden hat, sie nicht, wie ursprünglich geplant aktiv, sondern passiv zu trennen. Angetrieben wird das Duo von einer 100W-NCore-Endstufe neuster Baureihe von Hypex. Für den Tiefmitteltöner ist eine weitere, im Bridged-Mode betriebene, NCore Endstufe mit 400W zuständig. Vor beiden Endstufen befindet sich jeweils ein D/A-Wandler aus der aktuellen Velvet-Serie von AKM, denen der DSP samt aktiver Weiche zwischen Tiefmittel- und Hochtönern vorgeschaltet ist.