Natürlich war ich gespannt wie denn der Cobra – selbst jetzt in der Mitte des Textes fällt es mir immer noch schwer, nicht „die Cobra“ zu schreiben – nun klingt und verbandelte den Vollverstärker mit meinen neuen Odeon Rigoletto 2020 Zweiweghörnern mit einer Empfindlichkeit von 94 Dezibel pro Watt und Meter, für die die nominell 27 Watt Ausgangsleistung an acht Ohm ja quasi schon einen Leistungsoverkill darstellen. Schon in der Warmlaufphase, in der ich einige Vinylscheiben eher nebenbei durchdudelte, war der typische Audio-Note-Charakter zu erkennen: Es klang satt, schnell und farbstark und alles andere als anämisch. Also eher dralles Curvy Model als klapperdürre Laufsteggrazie. Nach gut eineinhalb Stunden Dauerbetrieb schien sich der Cobra vollends akklimatisiert zu haben und er sprühte jetzt vor Spielfreude. Erstaunlicherweise ließ das Poti trotz der gegenüber meinen Trioden gut zehnfachen zur Verfügung stehenden Leistung einen vernünftigen Regelbereich zu; tatsächlich hatte ich erwartet, es würde aus Rücksicht auf meine Ohren in der Neun-Uhr-Position kleben bleiben.
Dieser Leistungsheadroom sorgte dafür, dass das Bassfundament noch wuchtiger und substanzieller geriet, als ich es zum Beispiel vom meinen eigenen 2A3(H)-Trioden gewohnt bin. Ich war so richtig auf Spaß aus – meine Frau frotzelte ob der Lautstärken „auf Krawall gebürstet“ – und ich hatte zunächst keine Lust auf anstrengende „ernste“ Musik, also war es mal wieder Zeit für die obligatorischen „Hells Bells“ von AC/DC (Back in Black, Atlantic Records, 1980). Beim Losscheppern der Höllenglocken hatte ich zeitweilig Angst um die kleinen GAP 18-Zentimetertreiber der Odeons, so donnerten die Tieftöne durch meinen Hörraum. Letztlich war die Angst unbegründet, zeigten die Tiefmitteltöner doch kaum sichtbare Auslenkungen.
Weiter ging es mit alternativem Rock-Pop aus Island. Nanna Bryndis Hilmarsdottir, Sängerin der isländischen Band Of Monsters and Men, sorgte mit ihrer so besonderen Stimme für eine ganz subtile Spannung in „I Of The Storm“ vom 2015er-Album Beneath the Skin. Der Audio Note Cobra vermochte es, alle Nuancen ihrer Gesangsfacetten herauszuarbeiten und erlebbar zu machen, das war schon Gänsehaut pur. Feinste, leise ausklingende Töne wurden klar und substanziell wiedergegeben. Rein subjektiv schien die Bühne, die dieser Verstärker aufbaute, minimal weiter in die Tiefe ausgedehnt zu sein als in die Breite. Das mag aber durchaus ein Effekt sein, der stark raum-, lautsprecher- und musikmaterialabhängig ist und gar nichts mit dem Cobra zu tun hat, sondern ein Indiz dafür, dass ich für meine neuen Lautsprecher noch nicht die perfekte Aufstellung gefunden habe. Bei der Platte Strangeways, Here We Come von The Smiths (Rough Trade, 1987) beispielsweise relativierte sich dieser Effekt nämlich wieder, ebenso mit Vivaldis Die vier Jahreszeiten (Yehudi Menuhin, His Master´s Voice, 1985). Jedenfalls macht der Cobra wahnsinnig viel Spaß und in der Folge kam über etliche stundenlange Hörsessions so ziemlich alles von Bruce Springsteen über R.E.M. bis Torfrock auf den Plattenteller.
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