Im ersten Hördurchgang widme ich mich The Tune als HochpegeL-Verstärker, um so seinen Charakter auszuloten und später die Einflüsse der Phonostufe und des DA-Wandlers daran zu messen. Also kamen zuerst mein Kenwood-Plattenspieler mit Audio-Technica Tonabnehmer an der Plinius Koru Phonostufe respektive über den Antelope-Wandler der CD-Spieler und der Rechner zum Einsatz. Es liegt erst wenige Wochen zurück, dass ich sehr viel Freude mit dem nur 2000 Euro kostenden neuen Vollverstärker von Audio Exklusiv hatte. Im genannten Preis sind die optional erhältlichen Phonostufe und Fernbedienung allerdings nicht enthalten. Rechnet man die hinzu, ist der Einstein immer noch mehr als doppelt so teuer. Entsprechend erwartungsvoll, aber auch mit einer gewissen Sorge bezüglich dieser Erwartung, beginne ich den Hörtest. Wie heißt doch das Sprichwort? „Das Teuere ist des Guten Feind“ oder so ähnlich. Genauso ist es. Denn der Einstein besticht auf Anhieb durch erheblich mehr Atem. Er holt mit Leichtigkeit die Klangkörper aus der Tiefe des Raumes und zaubert sie konturenscharf und standfest auf die Bühne. Die Flüssigkeit seine Darbietung und das auf den Hörer überspringende Gefühl für Rhythmus machen sofort klar: Hier wird in einer höheren Liga gespielt. Auch die Auflösung im Obertonbereich erledigt The Tune mit seidig-samtener Transparenz. Ich bin beeindruckt. Aber um allzu subjektive Einschätzungen möglichst auszuschließen, wird der Einstein zu meinem nicht so weit entfernt wohnenden kollegialen Freund J.S. gefahren und an dessen Myro Rebell angeschlossen. Das Ergebnis bestätigt in jeder Hinsicht meine heimischen Erfahrungen.
Wieder zuhause gibt es ein entspannendes Abendprogramm: George Harrisons und Ravi Shankars sechs LP-Seiten des Benefiz Konzerts The Concert for Bangladesh. Dieses habe ich wohl 30 Jahre nicht mehr gehört, aber mit dem Einstein die Atmosphäre und die Auftritte von Dylan, Clapton, Russel und den Anderen genossen, auch wenn ich mich in der Reihenfolge der Seiten vertat – wegen dieser dämlichen Plattenwechsler Nummerierung (1/6, 2/5, 3/4).
Der Einstein ist kein Spezialist. Er kann jede Art von Musik. Er kann es auch krachen lassen. Das ist sowohl an den Quadrals als auch an den Myros für The Tune ein Leichtes. Jedoch so richtig zeigen, was er zu leisten fähig ist, kann er bei Jazz und Klassik. Nicht weil er das besser könntr, sondern weil sich hier die Feinheiten und natürlichen Klangfarben anbieten, von ihm bestechend schön herausgearbeitet zu werden. Dieses gilt in gleichem Maße bei Stimmen jedes Genres, die er extrem glaubhaft darstellt.
Kommen wir zur eingebauten MM- oder High-Output-MC-Phonostufe. Ein Verstärker dieser Klasse ohne MC-Option, irritierte mich etwas. Gut, mein eigenes Benz Glider gäbe es auch als High Output Variante und vom kürzlich getesteten Acoustic Signature Plattenspieler lag noch das schön musizierende Soundsmith Carmen, ein pegelstarkes Moving Iron System, in unserem Fotostudio. Also bitte ich um Rücksendung und montiere es diesmal im bewährten Kuzma 4-Point Tonarm auf meinem brandneuen Brinkmann Bardo. Die Phonostufe des The Tune ist intern auf einen Abschlusswiderstand von 200 Ohm oder 47 kOhm anpassbar. Auch ist eine Empfindlichkeits-Veränderung um sieben Dezibel möglich. Dies geschieht wieder mittels Jumpern, kanalgetrennt, also vier Stück. Da dies in der sonst gut erklärenden Bedienungsanleitung des The Tune nicht bebildert ist, griff ich Telefon und fragte Uwe Gespers. Der erklärte mir auch, warum ich in seinem The Tune auf die Möglichkeit verzichten muss, leise MC-Tonabnehmer anzuschließen. Durch die Peripherie innerhalb des Vollverstärkers ist es technisch nahezu unmöglich, einen Fremd- oder Geräuschspannungsabstand zu erzielen, der ein leises MC System brummfrei und rauscharm musizieren lässt. Dies ist aber der Anspruch bei Einstein, und nicht nur unter diesem Aspekt gehören Einstein-Phonostufen zu dem Besten auf dem Weltmarkt. So begründet ist die Beschränkung auf Tonabnehmer mit höherer Ausgangsspannung absolut sinnvoll und respektabel. Wer leise MC-Tonabnehmer betreiben möchte, dem sei die Einstein Phonostufe The Little Big Phono nahegelegt. Sie passt mit 3000 Euro preislich und musikalisch zum The Tune.
Nachdem ich die richtige Anpassung für das Soundsmith-System vorgenommen hatte, war das Carmen sofort wiederzuerkennen, der Charakter derselbe wie beim Acoustic-Signature-Test. Genauso feindynamisch und farbenprächtig klang es, jedoch zu meiner Überraschung mit mehr räumlicher Weite. Insgesamt ein sehr stimmiges Zusammenspiel, wobei ich nicht unerwähnt lassen möchte, dass dazu auch der Bardo und der 4-Point ihren Beitrag leisteten. Diese Kombination zeigt ihr Können besonders bei natürlichen Instrumenten, weil Farbenpracht und Feindynamik auffallende Stärken des Carmen sind. Folglich möchte ich die Phonostufe durchaus als sehr gelungen bewerten. In Verbindung mit dem richtigen Tonabnehmer klingt sie ebenso exzellent wie die Line-Eingänge und sorgt so für jede Menge Hörvergnügen.