Seit Jahren beginne ich jede Hörsession mit Steely Dan’s „Babylon Sisters“ aus dem famosen Gaucho-Album. Die ersten beiden Takte des Tracks sind meine persönliche Messlatte für den typischen Tom-Tom-Klang eines erdig-gespannten Schlagzeug-Sets. Ein Schlagzeuger, der die Toms präzise mittig und mit etwas Schmackes anschlägt, vermag Ihnen einen körperhaft-trockenen, nicht allzu bauchigen Sound zu entlocken. Was die Valvets hier präsentierten, kann ich eigentlich nur mit dem Begriff „richtig“ bezeichnen. Der Eindruck der „Richtigkeit“ blieb nicht nur bis zum Ende des Songs – er begleitete mich bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Monos meinen Hörraum Richtung Fotostudio verließen. Ganz gleich was ich den E1r an organischer, nicht überfrachteter Kost vorsetzte, die Mischung aus Dynamik, Körper, räumlicher Abbildung und Auflösung ist einfach stimmig und kommt dem viel beschriebenen Trioden-Charme im Single-Ended-Modus sehr ähnlich. Vielleicht sollte ich an dieser Stelle erläutern, was ich unter „organischer, nicht überfrachteter Kost“ verstehe: Bei nahezu jedem Single-Ended-Konzept, das mir in die Finger geraten ist, musste ich bei komplexen Strukturen – besonders bei großorchestralen Aufnahmen, moderner elektronischer Musik mit tiefgehenden Subbässen und breit-harschem Sounddesign sowie höheren Lautstärken – Abstriche hinsichtlich Abbildungsordnung und Kontrolle hinnehmen. Aus dieser Erfahrung heraus, war ich mir relativ sicher, dass dies auch bei den kleinen E1r so sein würde. Der Verdacht bestätigte sich nach kurzen Stichproben in Über-Zimmerlautstärke beispielsweise bei Björks‘s „Yoga“ oder Celibidache/Bruckner Symphonie No. 4. Berstein/Barber „Adagio for Strings“ oder Kraftwerks „Autobahn“ indessen, die nicht notwendigerweise nach Verstärkern mit maximaler Autorität verlangen, vermochten die kleinen Valvets derart involvierend darzustellen, dass ich geneigt war, die Dauer-Repeat-Taste meines Lector CDP-7 zu drücken. Folk, Jazz oder Rock, von Joni Mitchell über Avishai Cohen bis zu The Raconteurs, sind eh das Terrain auf dem sich die Valvet E1r absolut ausdruckssicher bewegen: Egal, ob die Live-Atmosphäre auf Joni Mitchells Shadows and Light, die Klavier-Bass-Duointimität auf Cohen’s Duende oder das gezähmte Geschrammel von Jack White auf Consolers of the Lonely: die kleinen Biester schmachten, swingen und rocken was das Zeugs hält.
Da es mir die Valvet E1r sehr angetan hatten und ich sie als hochattraktive Alternative zu einem Single-Ended-Triodenverstärker betrachte, wollte ich ein wenig mehr über die Valvet-Produkte wissen und einen Ausflug in die „Blocks“-Serie unternehmen. Im Visier hatte ich dabei A3.5-Monoblöcke in der MKII-Version, die mir Knut Cornils zeitnah zukommen ließ. Parallel dazu schickte er mir die Valvet L2 Line-Vortsufe mit – doch dazu komme ich später. Die circa zweieinhalbmal so teuren Gegentakt-Endstufen arbeiten ebenfalls im Classe-A-Betrieb, mit nur einem Leistungstransistorpaar im Ausgang und langen mit 50 Watt pro Kanal an acht Ohm nochmal anders hin als die E1r-Eintaktendstufen. Mit dieser Leistung bieten sich natürlich deutlich mehr Lautsprecher als potenzielle Spielpartner an. Wie in der E1r werkelt auch im A3.5 MKII ein Ringkerntrafo im Netzteil. Während dieser für die E1r mit 80 Watt und 25.000 Mikrofarad Siebung mit 8 Elkos ausgelegt ist, fährt der gekpaselte Ringkerntrafo der A3.5 300 Watt und 100.000 Mikrofarad Siebung je Monoblock auf. Knut Cornils verzichtet bei beiden Schaltungstopologien auf das Parallelschalten mehrerer Leistungstransistoren, da diese sich seiner Ansicht nach klanglich nachteilig auswirkt. Auch bei den A3.5 MKII setzt er auf extrem kurze Signalwege – ohne Kondensatoren.
Mein Körpergedächtnis hatte wohl noch das Paketgewicht der E1r gespeichert – denn ich wurde bei der Übergabe durch den Paketboten vom Gewicht der neuen Endstufen doch etwas überrascht. Optisch und haptisch sind die A3.5 selbstverständlich ein anderes Kaliber – dass hier andere Aufwendungen betrieben worden sind, erklärt sich alleine schon durch den Preisunterschied, so sind die A3.5 sind von Werk aus bereits mit hochwertigen WBT0201 Ein- und WBT0703 Ausgängen ausgestattet. Valvet Verstärker werden auch prinzipiell nicht mit den oftmals handelsüblichen, billigen Ein-Euro-Netztstrippen ausgeliefert. Schon den E1r liegen überdurchschnittlich gute Netzkabel bei. Den A3.5 spendiert Knut Cornils allerdings zwei Netzkabel, die sich selbst hinter einigen Netzstrippen nicht zu verstecken brauchen, die genauso teuer sind wie ein Paar Valvet E1r Endstufen.
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