Analog ist die natürlichste Quelle. Daran, denke ich, kann es keinen Zweifel geben. Moment mal, es geht hier schließlich um High-End-Audio. Und deshalb wird es sicherlich Widerspruch geben. Aber wen stört's?
Quintessenz: Der VPI Traveler bewirkt bei mir das, was ein großartiger CD-Player oder DAC oder auch ein großartiger Kopfhörer wie der Audeze LCD-3 – der Test folgt in Kürze – bewirkt haben: In den beiden Wochen nach der Messe in Newport habe ich mehr Musik gehört als im vergangenen Monat, und dabei bin ich ein Musiksüchtiger. Ich höre den ganzen Tag, und sogar auch, wenn wir schlafen. Wie dem auch sei: Typischerweise höre ich zu etwa 80 Prozent der Zeit Digitales von meinem Computer per DAC und den Rest Vinyl. Seit ich aber den Traveler hier für den Test stehen habe, änderte sich das Verhältnis auf etwa 50/50. Ich wühle mich durch meine, wie ich gern zugebe, nicht gerade große Plattensammlung – ein paar hundert Platten – und höre Sachen, die ich seit Jahren nicht mehr aufgelegt habe. Und genau das macht meiner Meinung nach eine großartige Audiokomponente aus: Sie hilft dir, diese magische Beziehung zur Musik aufzubauen. Während du hörst, denkst du an die Menschen in deinem Leben, die Orte, an denen du warst, empfindest Trauer und ungetrübte Freude. Ich denke, Sheile Weisfeld schaut gerade lächelnd herab.
In Ordnung, ich weiß schon, dass ich um ein bisschen Technik nicht herumkomme, wenn ich über einen Plattenspieler schreibe. Die traurige Wahrheit ist, dass ich meine Zeit lieber mit Musikhören verbracht habe. Aber wir tun, was wir tun müssen, um die Rechnungen zu bezahlen. Stimmt's? Wie zum Beispiel Hifi-Geräte hören und darüber scheiben, ein harten Leben. Ernsthaft: Bei Geräten wie diesem wünschte ich, ich könnte das hauptberuflich machen! Der VPI Traveler ist die perfekte Wahl für all jene, die ihre Vinyl-Scheiben mehr genießen möchten und bisher nur einen billigen Allerweltsplattenspieler hatten. Mit 1750 Euro ist der Traveler nach allgemeinem Verständnis nicht billig, aber das Verrückte ist – und die High End Audio Industrie ist ein wenig verrückt – für High High End Standards sind 1750 Euro billig. Wahrscheinlich wäre „erschwinglich“ hier das passendere Wort, um den Qualitäten des Plattenspielers gerecht zu werden. Auch wenn ich VPI damit einen Bärendienst erweise, muss ich sagen, dass ich den Klang des Traveler dem meines doppelt so teuren Scout vorziehe. Ich will nicht sagen, dass das Auflösungsvermögen identisch ist. Ich denke schon, dass der Scout noch ein wenig mehr Ruhe mitbringt. Aber die Leistung, die man beim Traveler für's Geld bekommt, ist – um es mal in Jugendsprache zu sagen – pretty freaking studpid!
Dieser Plattenspieler ist die perfekte, minimalistische Verschmelzung von Form und Funktion. Das Chassis besteht aus Aluminium und Acryl mit konischen Füßen, die zur leichten Ausrichtung höhenverstellbar sind. Der Aluminium-Plattenteller ist mit Edelstahl bedämpft. Der Traveler wird mit einem kardanisch gelagerten, wechselbaren 10-Zoll-Arm geliefert, der den Aufbau zum Kinderspiel macht. Da gibt es nichts zu meckern. Der Teller wird über einen Riemen von einem geräuscharmen Motor angetrieben, der mit 600 Umdrehungen pro Minute läuft und im Chassis montiert ist. Um von 45 zu 33 Umdrehungen pro Minute zu wechseln, braucht man lediglich den Riemen von einer zur anderer Rille des Pulleys auf der Motorachse zu bewegen. In wenigen Minuten hatte ich mein privates Referenzsystem, ein Ortofon 2M Blue installiert und wir begannen sofort zu hören. Um das gesamte analoge Front-End preisgünstig zu halten, verband ich den Traveler mit meiner batterie-gespeisten Ray Samuels F-119 Nighthawk Phonostufe – John Zureks Test finden Sie hier – und zwar mit einem Meter Black Cat Cables Morpheus NF-Kabel. Die sind eine Sensation für den Preis von 125 Dollar: Ich kenne kein anderes NF-Kabel, das den musikalischen Qualitäten des Morpheus nahe kommt und unter 400 oder 500 Dollar pro Meter zu haben ist. Die Kabel harmonierten perfekt mit dem Traveler. Der hat übrigens hinten auf dem Chassis montierte Cinchbuchsen als Stereo-Ausgang. Auch hier ist eine einfache Lösung die beste. Nun noch ein paar technische Fakten, wie man sie auf www.vpiindustries.com/table-traveler.htm findet:
Gleichlaufschwankungen | weniger als 0,02% |
Rumpel-Abstand | größer als 80 dB |
Abweichung von der Nenndrehzahl | unter 0,1% |
Gewicht | 11 kg |
Tellerunwucht | unter 0,08 mm |
Einen ersten Eindruck verschaffte ich mir mit James Blakes „Limit To Your Love“ auf einer 25-Zentimeter-Scheibe mit 45 UpM und die kam flüssig und stimmig rüber. Die gemeine, trällernde TB-303 Basslinie erschütterte den Raum, dennoch war der Tiefbass kontroliert. Das haute mich um! Dann legte ich Radioheads In Rainbows-LP (nicht die beste Pressung, aber auch nicht die schlechteste) auf den Plattenteller: „Nude“ ist mein Lieblingstrack auf dieser Scheibe und es klang warm und gut strukturiert – genauso wie ich es gewohnt bin.