Im zweiten Teil der Bestandsaufnahme zum Thema DSD geht es um Definitionen des Begriffs „nativ“, die Ted Brady in seinem „Corner“ auf www.NativeDSD.com erstmals vorstellte. Der Kollege Dr. David W. Robinson hat mich beim letzten unserer regelmäßigen Skype-Gespräche freundlicherweise auf die Übernahme des Artikel in Positive Feedback aufmerksam gemacht. Vielen Dank dafür
Auf NativeDSD.com dreht sich, wie der Name vermuten lässt, alles um DSD: Hier stehen momentan 445 Alben in DSD zum kostenpflichtigen Download bereit. Außerdem präsentieren Ted Brady und Brian Moura in der unter dem Menü-Punkt „Hardware“ versteckten Rubrik „T&B's Corner“ die neusten und spannendsten News und berichten über bahnbrechende und machmal auch lustige Entwicklungen in Sachen DSD. Hier finden Sie auch eine Tabelle, in der detailliert aufgelistet wird, welche DSD-Formate welcher Wandler verarbeiten kann. Aktuell sind hier 290(!) Geräte gelisted. Initiiert wurde NativeDSD.com von Jared Sacks, dem Chef von Channel Classic Record. Der Name des Herrn oder des Labels kommt Ihnen bekannt vor? Kein Wunder, vor Jahren haben wir Ihnen hin und wieder Produktionen der Firma inklusive Downloads in Hifistatement vorgestellt. Vielleicht lässt sich die Kooperation ja wiederbeleben. Doch nun zu Ted Bradys Artikel, der „nativ“ im Zusammenhang mit DSD definiert und damit einen wertvollen Beitrag zu einer allgemein gültigen Sprachreglung leistet – auch wenn ich persönlich für die Produktion von „nativen“ DSD-Dateien hier und da noch strengere Maßstäbe anlege – und kenntnisreich die Vorgänge in einigen Wandler-Chips beschreibt und damit den Artikel DSD: eine Bestandsaufnahme perfekt ergänzt. Dank an ihn und Jared Sacks für die Erlaubnis zur Übersetzung.
Dirk Sommer
Im Corner des letzten Monats habe ich erwähnt, dass ich einige der Wandler, die ich bei der CES sah – aber nicht hörte, oder wenn, in seltsamen Räumen –, zusammenfassend vorstellen würde. Nun … ich schätze, ich sollte mich wieder in die Ecke stellen und darüber nachdenken, was ich getan habe. Denn ich finde eine Auflistung der neuesten Wandler und ihrer Daten, äh, höllisch langweilig.
Chips, Gate Arrays und Widerstandsleiter-Technologie
Jeder dieser neuen DSD-fähigen Wandler ist bereits verfügbar oder wird es in Kürze sein und hat seine eigene Website. Einige von ihnen verwenden Sabre-Chips, andere Burr Brown DSD 1793 Chips, einige FPGAs (field programmable gate arrays), einige die R2R-Ladder-Technologie und einige kommen ganz ohne digitale Chips aus: Sie nehmen einfach das DSD-Signal und benutzen eine aggressive analoge Filterung und Transformatoren, um Gleichstrom zu blocken, und filtern dann störende Geräusche aus, die entstehen, wenn man versucht, DSD ins Analoge zu konvertierten (alias Noise Shaping).
Was ich interessant finde – und das heißt, viele von Ihnen tun es nicht –, ist der Begriff „nativ“. Verdammt, wir benutzen das Wort auf dieser Website, um unsere Musikauswahl zu beschreiben. Hersteller von Wandlern benutzen es in ihrer Marketing-Literatur, um zu beschreiben, wie sie DSD für den Kunden aufbereiten. Sogar Audiophile und Entwickler von Software-Playern verwenden es um darzustellen, wie USB oder eine andere digitale Verbindung DSD verarbeitet. Es scheint für alle Leute alles möglich zu bedeuten… Aber es gibt eine Definition, und in einem Fall wird der Begriff ziemlich unkorrekt verwendet. So lassen Sie uns einen genaueren Blick darauf werfen. Warum? Weil an der Wurzel der ganzen Angelegenheit die Theorie steht, dass etwas, wenn es direkt und „nativ“, nicht konvertiert und rein ist, eine größere Chance hat, realistisch und mehr wie das aufgenommene Master zu klingen, wenn es dann durch Ihre Anlage läuft und aus den Lautsprechern oder Kopfhörern kommt.
Die drei verschiedenen Verwendungszwecke, die es für den Begriff „nativ“ momentan gibt:
1. „Native“ DSD-Dateien
Also, Digital-Aufnahmen können größtenteils aus drei Quellen stammen: Ein – natürlich – analoges Tonband wird digitalisiert, entweder in PCM oder DSD, oder Musik wird direkt digital in PCM oder DSD aufgenommen. Wir nennen alle dieser drei Varianten „nativ“, wenn das Signal dabei auf digitaler Ebene nicht konvertiert wird – etwa von DSD zu PCM oder von PCM zu DSD – und die Daten dann in derselben Abtastrate und demselben Format erhältlich sind, in dem sie ursprünglich digital aufgenommen wurden. Aus diesem Grund stellt NativeDSD.com sicher, das alle Musik, die wir online verkaufen, entweder direkt vom Analogband in DSD gewandelt oder gleich in DSD aufgenommen wurde und keine PCM-Wandlung durchlaufen hat. Man beachte aber: Bisher müssen Schnitt-Bearbeitungen in PCM vorgenommen werden. Andernfalls müssten Ihnen die Label einen einzigen langen Song verkaufen; wir halten diese Aufnahmen dennoch für „nativ“, denn Stellen mit musikalischer Information wurden ja nicht konvertiert. (Die Konvertierung in PCM und später in DSD zurück betrifft immer nur die Stelle, an der die Bearbeitung vorgenommen wird, nicht die gesamte Datei. ds)
Inzwischen bevorzugen wir es jedoch, von „NativeDSD und mehr“ zu sprechen und sind sind begeistert von der Idee, ALLE „nativen“ Aufnahmen von hoher Qualität anzubieten und auch offen dafür, Musik von Labeln zu offerieren, die Tonbänder direkt in DXD – das ist PCM in einer Qualität von 24 Bit und 352,8 Kilohertz – wandeln oder andere wirklich „native“ Aufnahmen machen. Dieser „und mehr“-Aspekt macht einen deutlich geringeren Teil unseres Katalogs aus, wird aber dennoch angeboten.
Wir glauben, dass unsere Entscheidung nur „native“ Dateien anzubieten, dem Musikliebhaber die Auswahl leichter macht, ohne dass er sich fragen muss, wo die Files herstammten, ob sie konvertiert wurden oder ohne das Wissen des Nutzers up- respektive down-sampled wurden. NativeDSD bietet Dateien in verschiedenen DSD-Abtastraten an. Aber wenn diese Abtastraten nicht die der Original-Überspielung sind, markieren wir diese Dateien einfach als Option. Wenn wir beispielsweise „native“ Dateien in DSD128 haben, werden wir sie auch für diejenigen Kunden, die nicht die Möglichkeit haben, DSD128-Dateien abzuspielen, in DSD64 anbieten – zu einem reduzierten Preis. Wir fordern Sie, unsere Kunden, weiterhin dazu auf, uns und unser Label-Partner an diesem Versprechen und natürlich auch andere Online-Anbieter an diesem hohen Standard zu messen. Wenn Sie etwas nicht wissen, fragen Sie!
2. „Native“ DSD-Verarbeitung im Wandler
Im Jahr 2011 fragte mich Jesus R von Simple Design/Sonore, ob ich ihm helfen würde, eine Datenbank mit Wandler-Herstellern, deren Geräte DSD verarbeiten, aufzubauen. Das war damals recht einfach: Wir begannen mit Mytek und ein paar anderen. Heute gibt es hunderte von DACs, von denen behauptet wird, sie seien DSD-fähig. Wir nehmen sie in die DSD-Datenbank auf, wenn sie DSF- oder DFF-Dateien direkt akzeptieren, das heißt, dass diese nicht vor dem Wandler in PCM umgewandelt werden. Intern können dann alle Schritte und Konvertierungen vorgenommen werden. Dann folgen die Analogstufen, die Stromversorgung und schließlich die Analog-Ausgänge. Man könnte sagen, dass das ultimative Endziel Musikalität ist. Und das wäre wahr. Aber es ist immer wichtiger geworden, zu verstehen zu versuchen, was im Inneren eines Wandler vor sich geht, weil man in den meisten Fällen nicht Dutzende von Wandlern hören und aus dem Gehörten gute Schlussfolgerungen ziehen kann. Auch online-Foren und Diskussionsgruppen neigen dazu, mit Begriffen und Kommentaren um sich zu werfen, die für Kunden eine Blickrichtung vorgeben.
Aus diesem Grund möchte ich zwei Begriffe für die Welt der Wandler definieren: „natives DSD Processing“ und die kleinere Teilmenge „natives, direktes DSD Processing (alias Direkt)“. In beiden Fälllen wird das DSD-Signal nicht in PCM konvertiert und ist daher „nativ“. Im Falle von „Direkt“ wird das Signal über die Behandlung als Ein-Bit-Signal hinaus nicht weiter digital bearbeitet. Für mich bieten beide Technologien große Chancen, eine wunderbare DSD-Wiedergabe zu ermöglichen, gute Netzteile und Analogstufen natürlich vorausgesetzt.
Beispiele für eine nicht direkte, „native“ Verarbeitung von DSD sind alle Wandler, die Sabre 90XX Chipsets verwenden. Hier wird das DSD-Signal digital bearbeitet, üblicherweise in sechs oder acht Bit umgerechnet, wobei es jedoch ein DSD-Signal bleibt, mit DSD-Filtern behandelt und schließlich ins Analoge gewandelt wird. Man kann auch argumentieren, dass die Verarbeitung in FPGAs wie bei PS Audios Directstream, wo Ein-Bit-DSD in 30 Bit, 30 Megahertz konvertiert und dann wieder auf DSD128 heruntergerechnet wird, ein anderes Beispiel für eine nicht direkte, „native“ DSD-Verarbeitung ist. Ed Meitners Upsampling auf DSD128 fällt für mich in dieselbe Kategorie.
Beispiele für „natives, direktes DSD Processing“ sind alle Fälle, in denen TI/Burr Brown Chipsets wie 1792, 1793 und 1795, die die DSD-Verarbeitung unterstützen, in einem Wandler verwendet werden. Sie können auch PCM verarbeiten können, haben aber ein direktes Wandlungsverfahren für DSD. Befremdlicherweise werden sie als PCM1793 oder DSD1793 bezeichnet, wobei der einzige Unterschied in der Pinbelegung besteht. Andere Chip-Sätze, die für „natives, direktes DSD Processing“ konfiguriert werden können, sind CS4398, CS4364, CS4384, WM8741, WM8742 und AK4490. Bei diesen hängt es von Hersteller des Wandlers ab, welche Parameter sie für die Konfiguration des Wandler-Chips wählen.
Schließlich bieten Schaltung ohne Chips wie der Lampizator DSD DAC „natives, direktes DSD Processing“, da sie mit einer komplexen Anordnung von Analogfiltern und solchen zur Gleichstromunterdrückung das „native“ DSD-Signal direkt ins Analoge wandeln. In der Datenbank findet sich eine Unmenge DSD-fähiger Wandler mit anderen Technologien. Diese Schaltungsdesigns mögen wegen einer Menge Gründe DSD nicht als DSD bestehen lassen: digitale Lautstärkeregelung, die eine Umwandlung in PCM nötig macht, Anforderungen durch die beiden Formate, bessere digitale Filter-Maßnahme und so weiter. Diese Schaltungsdesigns mögen dennoch ziemlich musikalisch klingen, ja sogar einigen der oben beschriebenen überlegen sein – wahrscheinlich wegen besserer Analogstufen und einer stabileren Netzteilauslegung –, aber können nicht von sich behaupten, dass sie „native“ DSD-Wiedergabe bieten. Noch einmal: es obliegt den Kunden, diese Hersteller in die Pflicht zu nehmen.
Am Ende des Tages ist die beste Möglichkeit, die Musikalität eines Wandlers zu bewerten, eine Vorführung oder ein eigener Test in den eigenen vier Wänden. Wenn das nicht umzusetzen ist, sollte man zumindest zu verstehen versuchen, wie der Wandler diese besonderen, „nativen“ DSD-Musik-Dateien verarbeitet, die man erworben hat.
3. „Natives ASIO DSD gegen DSD-over-PCM (alias DoP)
Schließlich beginnen Audiophile den Begriff „nativ“ zu benutzen, um zu beschreiben, dass DSD über USB gesendet wird, wobei die vom Hersteller des Wandlers zur Verfügung gestellten ASIO-Treiber benutzt werden. So wollen sie diese Methode vom omnipräsenten DSD-over-PCM (alias DoP) unterscheiden. Letzteres ist ein schrecklicher Name für ein cleveres Verfahren, nicht konvertierte DSD-Daten in sogenannte PCM-Container verpackt über USB zu schicken. Da der Begriff „PCM“ als Teil der Beschreibung verwendet wird, glauben viele Computer-Audio-Einsteiger fälschlicherweise, es handele sich um eine verlustbehaftete Konvertierung in PCM. Da ist es eben nicht. Und deshalb ist es in keiner Weise weniger „nativ“ als einen ASIO-Treiber zu benutzen – auch wenn das Entpacken aus den PCM-Containern ein oder zwei Prozent mehr Prozessor-Leistung beanspruchen mag.
So. Deshalb schlage ich vor, den direkten Versand von DSD über ASIO – oder Linux ALSA oder I2S „raw“ DSD zu nennen, um es vom gepackten DoP zu unterscheiden. Das bedeutet: Wir sollten hier den Begriff „nativ“ nicht benutzen. Nachdem wir „native“ DSD-Dateien bekommen haben und einen „nativen“ DSD-Wandler erworben haben, sollten wir DoP nicht zu einer Art Bösewicht machen, indem wir uns einer Terminologie bedienen, die es „nicht nativ“ klingen lässt.
Ok, genug gepredigt!