Am nächsten Morgen nach dem Frühstück, pünktlich um 11, steht unser Chauffeur vor dem Hotel bereit. Der Chauffeur ist in diesem Fall Firmenchef Marcin selbst. Nach freudiger Begrüßung und einigen kleinen organisatorischen Fragen, die es zu klären gilt, verkündet er, dass er Moonshine als Gastgeschenk für mich besorgt habe. Der Wodka Samogon Podlaski Palony stammt aus der Woiwodschaft Podlachien, dem Nordosten Polens, der für Schwarzbrennerei nicht unbekannt ist. Eine dieser Brennereien, Samogon, hat inzwischen eine Konzession erhalten und ihr Moonshine, frei übersetzt Schwarzgebrannter, ist frei und legal erhältlich. Die Begeisterung mit der Marcin mir den hochprozentigen Tropfen anpreist, kommt der diebischen Freude nahe, mit der er über die Produkte von Ferrum spricht.
Auf dem Weg zum neuen Standort von HEM passieren wir stadtauswärts in einiger Entfernung den alten Firmensitz und begeben uns ins deutlich ländlichere Pruszków. Die Produktionsstätte befindet sich im Obergeschoss eines funktionalen Baus des Stils „Fabrikhalle“. Die drei schmucklos auf ein DIN-A4-Papier gedruckten Lettern H, E und M markieren den Eingang. Es beschleicht mich der Verdacht, dass dieses DIN-A4-Blatt erst für unseren Besuch dort aufgehängt wurde. Innerlich muss ich ein wenig schmunzeln. Dieses Understatement ist mir sympathisch. Im Obergeschoss erstreckt sich ein langer Flur, auf dessen linken Seite alle Türen in den großen, eigentlichen Fertigungsraum führen. Die Türen auf der rechten Seite führen in das Vertriebsbüro, das Büro der Werkstattleitung und eine Tür in einen Besprechungsraum. In letzterem erwarten uns Magdalena Konarska, die neue Marketingmanagerin von HEM und Vertriebsleiterin Dorota Wiejcka mit Getränken und Kuchen. Die Atmosphäre ist genau so herzlich wie ich es von den letzten Zusammenkünften mit Marcin und seinem Team kenne. Wir plaudern zunächst über Kartoffeln, Grütze und den klassischen polnischen Tagesablauf, welcher neben einem ausgedehnten Mittagessen und einem, dem deutschen Abendbrot ähnlichen Abendmahl, zwei Frühstücke umschließt. Da das Gespräch ohnehin schon ums Essen kreist, einigen wir uns gleich auf einen geeigneten Zeitpunkt für unser gemeinsames Abendmahl, welches abweichend von der polnischen Norm heute mit Sicherheit üppiger ausfallen wird. So denken wir zumindest zu diesem Zeitpunkt noch. Schnell werden Gastgeschenke ausgetauscht und ich breche mit Marcin zu einer Vorstellungsrunde durch seine Firma auf.
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