Roger Skoff befürwortet Doppelblindversuche – das erste Mal in seinem Leben!
Jeder von Ihnen, der meine Essays gelesen hat, entweder hier oder in anderen Publikationen, sollte eine gute Vorstellung von meinem Standpunkt zu Messungen und Doppelblindversuchen in High End Audio haben. Sogar jene unter Ihnen, die nie einen Artikel von mir gelesen haben, aber wissen, dass ich bis zum Verkauf der Firma Gründer und Designer von XLO war, sollten sehr schnell herausgefunden haben: XLO ist ein Kabelhersteller und damit seit Urzeiten unter Beschuss von denjenigen – sogar von der Audio Engineering Society und einer Vielzahl anderer Professionals der Audio Szene –, die rundweg die gesamte High End Kabelindustrie als Betrüger, Scharlatane und Verkäufer von Snake Oil und Voodoo bezeichnen.
Bei der Kabelindustrie ist dieser Standpunkt einfach: Letztlich bestehen Kabel doch nur aus Draht, oder nicht? Was sollte daran so speziell sein? Außerdem, wenn Sie einen Receiver, einen CD oder DVD Spieler oder irgendeine andere Komponente – zumindest in einer gewissen Preisklasse – kaufen, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass der Hersteller Ihnen sogar ein Kabel KOSTENLOS zur Verfügung stellt. Dieses müsste doch gut genug sein, oder? Im übrigen, warum würde der Hersteller nicht einfach dieses empfehlen, anstatt mitzugeben? Und überhaupt, haben Sie die Preise dieser Phantasiekabel gesehen, welche die Kabelindustrie Ihnen verkaufen will? Hunderte oder sogar Tausende von Dollar für gerade einmal einen Meter Draht, wo doch jeder weiß, dass man Draht in jedem Baumarkt für ein paar Cent pro Meter bekommt!
Jedes dieser Argumente wurde schon mehr als tausendmal vorgetragen, von mehr Leuten als wir zählen können und die meisten von ihnen können leicht widerlegt werden. Es gibt jedoch einen Punkt, dem man sich schlecht widersetzen kann und der einigen Argumenten mehr Glaubwürdigkeit verleiht: Das ist die einfache Tatsache, dass die Kabelindustrie auf Herausforderungen immer mit Anekdoten oder theoretischen Überlegungen reagiert, wenn die Kritiker einen wissenschaftlichen Beweis in Form von validen Messungen oder – dem Liebling der Kritiker – einen Doppelblindversuch verlangen.
Dies betrifft nicht nur die Kabelindustrie, die hier gefordert ist, sondern auch andere: Irgendwann einmal ist jede High End Komponente – Verstärker, Antiresonanz-Plattformen, Netzfilter, eine scheinbar unendliche Anzahl von „tweaks“ unterschiedlichster Art und momentan sogar digitale Abtastraten – der gleichen Art von Angriffen ausgesetzt und deren Befürworter sind genauso unfähig, ihren Kritiker die gewünschte Art von Messungen oder Doppelblindversuchen zu geben.
Philosophisch betrachtet war mein Standpunkt zu diesem Thema immer sehr einfach: Wenn – und das ist offensichtlich klar – Zehn- oder Hunderttausende glauben, dass es hier hörbare Unterschiede zwischen verschiedenen Produkten gibt und sie meinen, dass diese Unterschiede groß genug sind, um Hunderte oder tausende von Dollars dafür auszugeben, dann müssen derartige Unterschiede sicher existieren. Es ist wie das alte Sprichwort: Du kannst einige Leute eine Zeitlang täuschen, sogar die meisten Leute für lange Zeit aber nicht alle Leute für immer. Oder anders betrachtet: Wenn nicht alle Leute an einem bestimmten Platz zu einer bestimmten Zeit ein bestimmtes Ding sehen, dann sind vielleicht einige der Leute blind oder haben die Augen geschlossen oder schauen einfach in die falsche Richtung. Von Bedeutung dabei ist nicht die Tatsache, dass es manche Leute nicht gesehen haben, sondern alle anderen!
Die Quintessenz daraus jedoch ist, dass es nicht nur eine philosophische Argumentation gibt: erstens, wie ich bereits mehrfach herausgehoben habe, ist der Umfang und die effektive Auflösung des menschlichen Gehörs erheblich größer als jedes mir bekannte Messinstrument. Mit einer minimalen Hörschwelle von 30 Dezibel absolut und dem maximal tolerablen Schalldruck von 130 Dezibel hat das menschliche Gehör – um es einmal wissenschaftlich auszudrücken – einen Messumfang von 100 Dezibel. Wir erinnern uns, die Dezibel-Skala ist logarithmisch, dies entspricht also einem Lautstärkebereich von 100 bis 1010, oder anders gesagt dem zehnfachen Größenumfang.
Kennen Sie irgendein Messequipment, das einen derartigen Messumfang aufweisen kann? Wenn nicht, und wenn die Leute etwas hören können, was nicht einmal das beste Messinstrument bestätigen kann, was kümmern uns dann wissenschaftliche Messungen? Das Problem ist nicht was die Leute hören können, sondern was das Messequipment messen kann!
Ein anderer Punkt besteht darin, dass – wie ich seit Jahren schreibe – viele Unterschiede, die wir bei „suspekten“ Produkten wie Kabel, Kabelbrücken oder Verstärkern hören, auf induktiven oder kapazitiven Entladungseffekten beruhen: dem Freisetzen von phasenverschobener Energie in einem Signalweg, wenn aufgrund einer Veränderung der Signal-Phase entweder ein elektromagnetisches Feld kollabiert oder sich ein Kondensator entlädt.