Weiter geht’s mit einer für Tests ebenso unverbrauchten Scheibe: Hector Berlioz' Symphonie Fantastique mit den Berliner Philharmonikern unter Herbert von Karajan. Natürlich bin ich vorrangig am Klangspektakel „Marche au supplice“ interessiert, senke die Nadel des SPU aber dennoch am Anfang der mit dem dritten Satz beginnenden zweiten Seite in die Rille und bin erstaunt, mit welch tiefer – imaginärer? – Bühne Aufnahme und GTX E verwöhnen und das schon bei recht moderater Lautstärke im ersten Teil von „Scène aux champs“. In den lauteren Passagen kommen die hohen Streicher aber mit so viel Energie, dass ich statt 150 einmal 250 Picofarad als Abschlusskapazität ausprobiere: An der guten Raumdarstellung des Tonabnehmers ändert das nichts, wohl aber ein wenig an der Tonalität der Wiedergabe: Dank der höheren Last agiert das SPU nun im Hochtonbereich eine Spur entspannter und stimmiger. Im Folgenden werde ich bei 250 Picofarad bleiben. Auch damit grollen gegen Ende des Satzes die Pauken dräuend weit hinten auf der Bühne. Bisher habe ich hauptsächlich beim limitierten SPU Century eine absolut überzeugende Bühnenillusion genießen können. Diese erreicht das GTX zwar nicht ganz, es wirft aber dennoch die Frage auf, ob für diese beachtliche Fähigkeit die perfekte Abstimmung des Übertragers auf den Generator oder zu einem nicht unbeträchtlichen Teil auch der MK-Analogue-MM-Entzerrer verantwortlich ist. In Ermangelung einer MM-Phonostufe, die auf ähnlich hohem Niveau spielt, muss ich Ihnen eine Antwort schuldig bleiben.
Im „Marche au supplice“ erklingen dann die Pauken trocken aus Tiefe des Saales, um sich in Lautstärke und Intensität ebenso zu steigern wie die tiefen Streicher. Die Wucht der Bläsereinsätze macht deutlich, dass das GXT keinerlei Einschränkungen bei der Transientenwiedergabe kennt. Nein, der Satz gerät geradezu zu einer Schwelgerei in Sachen Klangfarben, Spielfreude, Rhythmik und Dynamik. Aber dafür sind SPUs ja weithin bekannt. Wie schön, dass das auch für dieses Einstiegsmodell gilt. Noch mehr begeistert mich aber die Raumdarstellung des GTX E!
Bei der nächsten LP geht es nicht im Entferntesten um irgendeine imaginäre Bühne, sondern allein um einen mächtigen Wall of Sound. Nach dem Aufräumen im Arbeitszimmer sind die Scheiben, die vorher die kleine Rock-Sammlung blockierten, in zwei hölzernen Aufbewahrungsmöbeln verschwunden und es ist ein Leichtes, Eric Burdon Declares War herauszuziehen. In „Dedication“, dem ersten Teil der „The Visions of Rasaan“ umgibt das nicht gerade audiophil aufgenommene Piano viel Luft, und Burdons Stimme und der tiefe Background-Gesang besitzen Körper und Wärme. Die metallischen Perkussionsinstrumente bestätigen noch einmal die Wahl der höheren Lastkapazität. In „Roll on Kirk“, dem zweiten Teil des Songs, sorgen dann eine fette Bass Drum und der E-Bass für Drive und Groove. So wie die Scheibe dank des GTX rüberkommt, scheint es geradezu unverzeihlich, dass ich sie seit Jahrzehnten im Regal habe verstauben lassen. Das sich anschließende „Tobacco Road“ weckt beste Erinnerungen an längst vergangene Feten. Bisher hatte ich die Erfahrung gemacht, dass nostalgische Anwandlungen mit alten Party-Hits auf einer High-End-Anlage meist mit Enttäuschungen enden. Dass ist nun mit dem SPU ganz anders. Erst einmal sind dank eines Waschgangs in der Degritter, des elliptischen Schliffs und der vier Gramm Auflagekraft die akustischen Spuren schlechter Tonabnehmer und mangelnder Pflege in der Vergangenheit fast nicht mehr wahrzunehmen. Dann entdeckt man zwar das ein oder andere bisher nicht gehörte Detail wie den durchaus geschmackvollen Einsatz des Halls, aber das ändert nicht das geringste an der emotionalen Wirkung der alten Scheibe. Das GTX bringt den Rhythmus der E-Bass-Linie einfach begeisternd rüber! Solange das SPU bei mir zu Gast ist, werden statt vorrangig Jazz auch vermehrt alte Rockscheiben zum abendlichen Musikgenuss auf dem Teller des LaGrange landen.
Auf einen der Kandidaten dafür will ich aber nicht länger warten und lege ihn gleich auf: mein von Samplern abgesehen erstes Rock-Album überhaupt, Deep Purple In Rock. Während der letzten Jahrzehnte konnte die LP im Regal vor sich hindämmern, denn wenn mir überhaupt einmal der Sinn nach Rock stand, habe ich lieber auf die 25th Anniversary Edition zurückgegriffen. Doch jetzt kommt die vor mehr als 50 Jahren erworbene deutsche Pressung zuerst in die Degritter und dann auf den Plattenteller. Trotz häufiger Party-Einsätze sieht die Oberfläche noch recht manierlich aus, und Knackser sind nur in leiseren Passagen wahrnehmbar. Schon nach den ersten Minuten von „Speed King“ weiß ich, warum ich nach dem Genuss dieser Scheibe Deep-Purple-Fan wurde und alle frühen Alben inklusive Burn erworben habe: Ian Gillans expressiver Gesang, Ritchie Blackmores treibende Riffs und langen Soli und vor allem John Lords Hammond-Sounds haben mich damals sofort in ihren Bann gezogen und tun es auch heute wieder, wenn sie voller Energie über eine High-End-Kette erklingen, an deren Beginn das GTX E mit seiner Spielfreude, rhythmischen Akzentuierung und scheinbar unbegrenzten Dynamik für Gänsehaut sorgt. Da stört es dann auch kein bisschen, wenn nach der rundum stimmigen ersten Seite „Flight Of The Rat“, der erste Song auf Seite zwei, nach audiophilen Maßstäben ein wenig Tieftonenergie bei den Drums und beim E-Bass vermissen lässt. Seine enorme emotionale Wirkung auf mich entfaltet In Rock dennoch.