Im Falle eines Röhrenwechsels lassen sich die Arbeitspunkte der KT170 Beam Power Tetroden mithilfe der Bias-Potis und des Bias-Anzeigeinstruments auf der Chassisoberseite kinderleicht selbst anpassen, auch dieses Prozedere ist im Manual sehr gut beschrieben. Übrigens lässt sich laut Bedienungsanleitung auch eine KT150 problemlos einsetzen. Ein weiteres erwähnenswertes Feature ist die Soft-Start-Schaltung, bei der die Röhren erst verzögert mit höheren Spannungen beaufschlagt werden, was der Röhrenlebensdauer erheblich zu Gute kommt.
Langsam wurde es aber Zeit, endlich Platten aufzulegen, denn um es mal in einfacher Fußballersprache auszudrücken: „Letztlich zählt das was auf dem Platz ist, und das ist, was zählt!“ (Holger Greilich, ehemals TSV 1860 München). Worauf ich hinaus will: Die beste Technik nützt nichts, wenn es am Ende klanglich nicht umgemünzt wird. Apropos Technik: Ich stellte am Verstärker zunächst den Ultralinearmodus ein. Von Coldplay kramte ich das Album Viva La Vida or Death And All His Friends sowie die zugehörige EP Prospekt´s March hervor (beide Parlophone, 2008). Zu meiner Entschuldigung möchte ich vorbringen, dass ich Ende 2008 – nachdem eben diese beiden von Brian Eno produzierten Scheiben erschienen waren, die mir bis heute auch gefallen – tatsächlich dachte, Coldplay könne sich doch noch zu einer anständigen Alternative-Rockband entwickeln. Wie falsch ich lag ahnte ich damals nicht. Egal, jedenfalls ist das interessante „Strawberry Swing“, das mit an die späten Beatles erinnernden Hippie-Gitarrenklängen garniert ist, einer meiner Favoriten-Songs auf dem Album. Und den sollte man laut hören, besser sehr laut: Ungemein farbstark, mit feiner Diktion und perfekter rhythmischer Akkuratesse trieb die Base-Drum den gesamten Song an, als ob sie führte und einen schläfrig singenden Chris Martin hinter sich herziehen musste. Wie ein Schraubstock klemmte der Cayin Soul 170I die Tiefton-Zwölfzöller meiner Lautsprecher ein und ließ nicht die geringsten Zweifel daran aufkommen, wer hier das Sagen hatte.
Nach dem Umschalten in den Triodenmodus ergab sich beim gleichen Lied ein ganz ähnliches Bild: Einen Verlust an Basskontrolle konnte ich keinesfalls feststellen, aber eine kleine Nuance mehr an Spielfreude und eine minimale Zunahme feinster Ausschwinggeräusche. Das alles fand aber auf einem derart subtilen Niveau statt, dass ich es eher in den geschmäcklerischen denn in den qualitativen Bereich einordnen würde. Überhaupt schien diese fast schon überbordende Spielfreude des Cayin eine seiner größten Stärken zu sein. Das Besondere dabei: Dieser „Ich-lasse-dich-jetzt-mal-von-der-Kette-Effekt“ trat auch bei kleinsten Lautstärken auf. Ein oft erlebtes Phänomen bei dicken Leistungs-Kraftmeiern: Häufig vermögen Verstärkerboliden ihre Spielfreude erst entfalten, wenn sie etwas gefordert werden. Nicht so der Cayin, der schien mir stets ab dem „ersten Watt“ voll da zu sein. Es klang stets irgendwie so – und zwar unabhängig vom Betriebsmodus –, als ob jede einzelne Note mit einer kleinen Extraportion Energie aufgeladen wurde, bevor sie ihre Reise vom Lautsprecher zu meinem Ohr antrat. Faszinierend.
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