Nach dem Einschalten gewährte ich dem Cayin zunächst eine volle Stunde zum Aufwärmen und Akklimatisieren, bis ich denn die ersten Platten auflegte. Normalerweise sind die Röhren ja nach circa zwanzig Minuten sowieso voll da, allerdings handelte es sich bei meinem Gerät um ein fabrikfrisches Teil, das ohnehin noch nicht eingespielt war. Das „Einbrennen“ nagelneuer Geräte ist für mich übrigens ein immer wieder spannender Effekt: Ich finde es faszinierend, wie Geräte von Stunde zu Stunde spürbar klanglich zulegen und ihren akustischen Grauschleier nach und nach ablegen. So verhielt es sich auch mit Cayins CS-6PH. Nach gut einer Woche und ungefähr dreißig Betriebsstunden konnte ich schließlich keine signifikanten Veränderungen mehr feststellen und der Charakter der Phonovorstufe offenbarte sich vollends. Ein wesentliches Merkmal war für mich das kräftige und stabile Tieftonfundament, auf dem alles aufbaute. Basstöne kamen gleichwohl wuchtig, aber auf eine fast musikalische, spielerisch anmutende Weise federnd daher, dabei eher schnell als von abgrundtiefer Schwärze geprägt. Hier möchte ich einen technischen Grund nennen und erklären, dass ich ganz klar das stabile, offenkundig astrein ausgelegte Netzteil im Verdacht habe, für diese außergewöhnliche Tieftonperformance verantwortlich zu sein. Das hat so viel Spaß gemacht, dass ich etliche kultige 12“-Scheiben der Electronic-Helden Depeche Mode aus längst vergessen geglaubten Plattenregalecken herauszog. „Precious“ (Mute Records, 2005) oder „Shake the Disease“ (Mute Records, 1985) kamen mit richtig schön fetten Bässen daher, das war schon regelrecht süchtig machend und der Lautstärkepegel häufig nahe der Schmerzgrenze… Wow!
Aber es ging natürlich auch feinsinniger und das Hochtonspektrum sowie der für den Stimmenbereich so wichtige Mittelton standen den untersten Oktaven in nichts nach. Wenn die viel zu früh verstorbene Sängerin der Cranberries, Dolores O´Riordan, „Ode to my Family“ (No Need to Argue, Island Records, 1994) oder „Linger“ (12“, Island Records, 1993) sang, war das von Herz öffnender Feinsinnigkeit geprägt. Subtilste Nuancen und Sibilanten ihrer Stimme wurde wie auf dem Präsentierteller herausgearbeitet, zwar nicht euphonisch, aber weit entfernt von harter Analytik.
Überhaupt erschien mir die CS-6PH ungemein akribisch und detailversessen zu sein. Sehr genau schälte sie feinste und auch leise, eher im Hintergrund befindliche, subtil ausschwingende Töne heraus. Das gelang wohl auch deshalb so gut, weil das Gerät völlig frei von Störgeräuschen und Artefakten agierte, was für eine blitzsaubere schaltungstechnische Auslegung spricht. Auch ohne Signal bei komplett aufgedrehtem Pegelregler war das wahrnehmbare Grundrauschen auf außerordentlich niedrigem Niveau. Hauptsächlich hörte ich mit dem MM-Tonabnehmer Pro-Ject Pick it PRO, der ja von Haus aus mit dem Debut PRO ausgeliefert wird und auch unter dem Namen Ortofon 2M Silver bekannt ist. Aber natürlich probierte ich auch eine MC-Tondose aus, und zwar das Ortofon Quintet Red, um dem MC-Zweig des Cayin auf den Zahn zu fühlen. Und auch hier zeigte sich das erfreulich niedrige Rauschniveau der Phonostufe. Für das Quintet Red war ein Verstärkungsfaktor von 57 dB völlig ausreichend, bei 61 oder 65 dB nahm das Rauschniveau minimal zu.
© 2024 | HIFISTATEMENT | netmagazine | Alle Rechte vorbehalten | Impressum | Datenschutz
Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.