Apropos ruhige Hand: Was jetzt noch fehlte für einen ersten Testlauf war natürlich ein Tonabnehmer, den ich montieren musste. Ich liebe das ja wie Zahnschmerzen. Das liegt unter anderem daran, dass mir aufgrund einer Unachtsamkeit vor längerer Zeit mal mein privates Clearaudio Charisma V2 für 1500 Euro in die ewigen Tonabnehmerjagdgründe entschwunden ist. Daraus habe ich gelernt und mir für Test- und Montagezwecke ein billiges AudioTechnica AT 91/NB für zwoundzwanzigfuffzich angeschafft. Genau, richtig gelesen: Für die ersten Einspielvorgänge mit meiner Testplatte zur Überprüfung aller Einstellungen sowie für die ersten Musikscheiben habe ich tatsächlich einen Tonabnehmer auf diesem Plattenspielerschlachtschiff verwendet, der weniger als ein Promille desselben kostet!
Vertriebler Andrejs Staltmanis ist bezüglich der Verwendung eines geeigneten Tonabnehmers allerdings selbst ziemlich tiefenentspannt: Natürlich könne man zum Ausreizen des vollen Potenzials einen Pickup für 15000 Euro dranschnallen, aber der Klassiker Denon DL 103 für etwas über 300 Euro tut es auch! Nachdem ich sicher war, dass alle Einstellungen stimmten, tauschte ich schließlich das AudioTechnica gegen mein Clearaudio Charisma V2, das ich danach neu kennenlernen durfte, soviel schon vorab. Ach ja: Ein guter, neugieriger und Tonabnehmer-montagetechnisch äußerst versierter Freund brachte zumindest für einen Tag sein Koetsu Black mit, das er natürlich selbst und auf eigene Gefahr montiert hat. Er wollte sein System bei der sich bietenden Gelegenheit auf diesem Setup mal ausreizen und hören, was geht. Übrigens: Diverse Headshells und passende Gegengewichte für alle Tonabnehmer sind bei Reed selbstverständlich im Lieferumfang mit enthalten.
Was mir nach den ersten Tönen unmittelbar auffiel, war eine außerordentlich ausgeprägt wahrnehmbare „Leichtigkeit“. Die Musik war einfach „da“, sie schien mir irgendwie präsenter zu sein, als ob jemand eine Art Kontrast hochgeregelt hätte, so dass der Hintergrund schwärzer, leiser wurde und sich die davor erstrahlende Musik heller und bunter hervorhob. Unangestrengt. Lässig. Schnell. Sauber. Federleicht. Feindynamisch subtil. Diese simple Aufzählung von Attributen ist einfach das, was auf der ersten Seite meines Schmierblatts für Notizen zu den Höreindrücken als Spiegelpunktaufzählung geschrieben stand. Hinter „schnell“ hatte ich übrigens zwei Ausrufezeichen gesetzt. Die Reed-Kombi überzeugte mich unabhängig vom aufgelegten Musikmaterial mit einer leichtfüßigen, völlig unangestrengten Dynamik und einer subjektiv wahrgenommenen „Schnelligkeit“, obwohl die Musik ja nicht auf höherer Drehzahl lief. Ich hatte die Reed-Kombi immerhin circa drei Monate zum Testen bei mir und konnte ihr in Ruhe auf den Zahn fühlen. Und mir wurde schließlich die Ursache für diesen Effekt gewahr: Mein Gehör beziehungsweise mein die Musiksignale verarbeitendes Gehirn sind durch fehlerbehaftet wiedergebende HiFi-Komponenten falsch konditioniert. Es sind ja durchaus nicht nur falsch ausgelegte Bassreflexlautsprecher für hinterherhumpelnde Tieftöne verantwortlich, auch andere Komponenten sind zu teilweise haarsträubenden Fehlern in der Lage. Jedenfalls habe ich den Reibradantrieb des Reed-Drehers als Grund dafür identifiziert, dass diese Musikmaschine diesen stoischen Tieftondurchzug, dieses im wahrsten Sinne des Wortes brutale Drehmoment an den Tag legt, was zu einem substanziellen Schub im ganzen Frequenzspektrum führt.
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