Vor fünf Jahren habe er dann die Idee gehabt, eine Phonostufe mit LCR-Filter und Transistoren zu bauen, da diese leicht das Filternetzwerk mit 600 Ohm treiben könnten. Bei dieser Schaltung würden nicht so viele Transformatoren benötigt, es lägen keine Kondensatoren im Signalweg, es wäre leicht, eine niedrige Ausgangsimpedanz, einen hohen Fremdspannungsabstand und niedrige Verzerrungen zu erreichen, und die Kosten sowie die Gehäusegröße in einem vertretbarem Rahmen zu halten. Soweit er wisse, habe es diesen Ansatz zuvor nicht gegeben. Mir fällt nur eine ähnliche Lösung ein: Auch bei van den Huls Grail lagen keine Kondensatoren im Signalweg. Wenn ich mich recht erinnere, kommt die RIAA-Entzerrung dort aber völlig ohne Kondensatoren aus. Jedenfalls hat Herr van den Hul von einem LR-Filternetzwerk gesprochen. Seine symmetrische Phonostufe ist übrigens knapp 10.000 Euro teurer als der Aurorasound.
Doch zurück zu Karaki san. Der betont in seinen Anmerkungen zum Vida, dass die Spulen die entscheidenden Bauteile gewesen seien. Er habe solche von Hashimoto, Tango und Noguchi ausprobiert. Alle seien nicht schlecht gewesen, ja sogar einigermaßen gut, hätten aber keinen besonderen Eindruck auf ihn gemacht. Einige seiner Freunde hätten ihm dann Lundahl-Spulen vorgeschlagen und er habe sie ausprobiert. Ihr Klangcharakter habe ihm dann von allen am besten gefallen: ein straffer und kraftvoller Mitteltonbereich, aber dezent und ohne Stress. Bevor er Lundahl für die Produktion benutzte, waren aber noch einige Fragen zu klären: Wie konnte er direkt von Lundahl kaufen, um die Kosten zu reduzieren? Wie konnte man die Abweichung von der angegebenen Induktivität minimieren? Üblicherweise liegt die Abweichung bei solche Bauteilen um ±20 Prozent, denn Spulen für die RIAA sind Chokes und damit schwieriger zu dimensionieren als Übertrager. Wie groß darf die maximale Abweichung der Spule sein, wenn die RIAA-Kennlinie mit einer Genauigkeit von ±0,25 Dezibel eingehalten werden soll? Shinobu Karaki machte eine Menge Berechnungen mit Spice, einem Schaltungssimulationsprogramm, und fand heraus, dass man Abweichungen vom Soll-Wert der Spule von ±3 Prozent durch Trimmen der Kondensatoren und Widerstände so weit in den Griff bekäme, dass die Abweichung von der RIAA-Kennlinie maximal bei ±0,25 Dezibel liegen würde.
2010 entschloss sich Karaki san, Lundahl in Schweden zu besuchen, um die Probleme dort zu besprechen und zu lösen. Nach langen Diskussionen stimmte Lundahl zu, für Aurorasound in einem geheimgehaltenen Verfahren spezielle Spulen mit 1,9 und 0,18 Henry mit einer Abweichung von nur ±3 Prozent zu fertigen und sie mit einem Aurorasound-Logo zu versehen. Zu aktiven Bauteilen merkt Shinobu Karaki noch an, dass nach dem Jahr 2000 alle Transistoren nur noch für die Verwendung als Schalter oder Leistungsregler in digitalen Geräten entwickelt und gefertigt worden seien, wobei Rauschen, Linearität und hochfrequente Störungen keine Rolle gespielt hätten. Deshalb eigneten solche sich Transistoren nicht für seriöse analoge Anwendungen. Er habe allerdings noch einen großen Lagerbestand an „New Old Stock“ NEC- und Toshiba-Transistoren aus den Jahren 1970 bis 1980, und das sei ein großer Vorteil, wenn man einfache und gute Verstärker bauen wolle. Er schlägt vor, diese Bauteile analog zu den Western-, Telefunken-, RCA- und Mullard-Röhren „Vintage-Transistoren“ zu nennen. Ich denke, die Ausführungen der Firmenchefs vermitteln einen guten Eindruck von der Aurorasound-Philosophie. Vor der Schilderung weiterer Höreindrücke möchte ich noch nachtragen, dass über Bedienelemente an der Frontplatte des Vida das Ausgangssignal stumm oder auf Mono geschaltet werden kann und ein Subsonic-Filter sowie ein Signal zur Entmagnetisierung des Tonabnehmers aktiviert werden können.
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