Die Kunst des Klavierstimmers liegt nun darin, beim Klavierstimmen eine Kompromisslösung zu finden, die es ermöglicht, alle Intervalle in allen Tonarten zu spielen. Dies bedeutet aber auch, dass die meisten Intervalle eben nicht rein sind, sondern schweben. Seit Johann Sebastian Bach ( wohltemperiertes Klavier!) wurden nun unzählige Möglichkeiten der Klavierstimmung erprobt, die alle einen unterschiedlichen Klangcharakter aufweisen und sogar auf die jeweiligen Konzertbedingungen angepasst werden können. Das ist alles jetzt natürlich sehr vereinfacht, aber diese Schwebungen hört man sehr deutlich beim Akkordspiel und sind ein prägendes Element des Klavierklangs.
Und hier liegt nun eine der ganz großen Stärken der Triode, sie kann diese Feinheiten und die damit verbundenen Stimmungen einfach natürlicher wiedergeben. Und zwar deutlich. Das kommt natürlich bei Freejazz Spielern, bei denen die Musik eher wie ein Verkehrsunfall klingt, nicht zum tragen. Zudem hat die Triode an meinem Lautsprecher genügend Souveränität, um die Größe eines Konzertflügels glaubhaft darzustellen. Tja, was nun? Für jeden Interpreten umschalten? Das mögen die Röhren eigentlich überhaupt nicht. Also einmal festlegen und dann Finger weg. Für immer. Immer! Oder vielleicht doch...
Abschließend lässt sich sagen: Die leicht veränderte Abstimmung des Scorpio sagt mir persönlich sehr zu, denn wenn ich einen Röhrenverstärker vor mir habe, bei dem durch unzählige Zusatzschaltungen alles erdenkliche linearisiert und geregelt wurde und das Ganze dann wie mit einem Transistor klingt, dann kann ich mir eigentlich gleich einen kaufen. Aber hier muss natürlich jeder für sich entscheiden, was am besten gefällt. Wobei hier nicht der Eindruck entstehen soll, dass der Verstärker irgendwie völlig anders klingt, dem ist natürlich nicht so. Es geht hier mehr um Feinheiten. Was Auflösung anbelangt ist sicher noch mehr denkbar, aber hier sollten wir einmal die Kirche im Dorf lassen, zum Preis dieser Geräte eher nicht.
Im Pentodenbetrieb bietet Scorpio noch mehr Grobdynamik, wirkt direkter. Der Bassbereich kommt noch druckvoller und kontrollierter, was sowieso schon eine Stärke der KT88 ist. Das klingt im ersten Moment beeindruckender, allerdings bekommt die Musik im Triodenmodus mehr Ausdruck und Klangfarben, wirkt dreidimensionaler und plastischer. Insgesamt ist die Wiedergabe in beiden Modi mehr kompakt, weniger esoterisch. Bei einer gut aufgenommenen Akustikgitarre kann man den Korpus förmlich sehen, ich kann aber nicht hören, welche Saitenmarke der Musiker aufgezogen hat. Mal etwas überspitzt ausgedrückt. Die Triode legt den Fokus mehr auf den Grundtonbereich. Meine bevorzugte Betriebsart wäre der Triodenmodus, weil dies zusammen mit meinen Lautsprechern am besten klingt und das Musikhören am meisten Spaß macht. Soll es doch, oder? Frecherweise würde ich mal behaupten, die Endstufen sind nichts für Leute, die mehr Zeit damit verbringen in Internetforen kluge Dinge zu schreiben als Musik zu hören.
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