Un-glaub-lich. Kaum fünf Gramm Kopfhörer, gut verpackt in einem dunkelroten Kunststoffgehäuse, liegen vor mir. Ein paar aufgebrachte Gold-Applikationen lassen die bestens verarbeitete Kapsel, ein wenig „Oldschool“ ausschauen. Diese Winzigkeit soll einen koaxialen Zwei-Wege-Lautsprecher Platz bieten?
Ich bewundere schon jetzt, ohne das klangliche Ergebnis zu kennen, die Ingenieurskunst die zur Entstehung des radius W n°4 geführt hat. Als wäre dies nicht genug, werden hier zwei grundverschiedene Schallerzeugungprinizpien kombiniert. Für die tiefen und mittleren Frequenzen kommt ein klassischer Treiber mit einer fragilen Schwingspule zum Einsatz, den Hochton übernimmt, mittig über der Membrane platziert ein Piezo Element…
…Piezo-Hochtöner, war da nicht was? Waren die kleinen Hörner nicht die Hochton-Klangerzeuger der Vorhölle? Ersonnen von skrupellosen Hörgeräteakustikern im letzten Jahrhundert, um rebellische Jugendliche auf Rockkonzerten mittels der Beschallungstechnik zu peinigen? Bevor eine neue Verschwörungstheorie die Welt betritt, nehmen wir besser ein Techniklexikon zur Hand.
Anders als bei einem klassischen Wandler ist bei einem Piezo- besser Ferroelektrischen- Lautsprecher nicht das Zusammenspiel von Spule und Magnet als Antrieb nötig, sondern ein Piezokristall verformt sich ohne weitere Bauteile harmonisch, sobald eine elektrische Spannung anliegt. Sofern keine hohen Pegel erforderlich sind, wie im Falle des vorliegenden In-Ear, entsteht eine superleichte direkt abstrahlende Schallquelle. Mehr akustische Leistung verlangt nach einer angeflanschten Membrane und einem Hornvorsatz. Neben dem sehr übersichtlichen Aufbau des Piezo steht der scheinbar problemlose Einsatz ohne vorgeschaltet Frequenzweiche auf der Habenseite. Obwohl für den antreibenden Verstärker eine ziemlich unbequeme elektrische Last, kann der Piezo ungefilterte größere Leistungen ganz gut vertragen. Hier liegt dann auch der „Hase im Pfeffer“. Im Mitteltonbereich produziert der gemeine Kristallantrieb derbe Resonanzen. Wird das Piezoelement in diesem Spektrum nicht ausgebremst, werden ungeahnte klangliche Niederungen erreicht – siehe oben. Wenige Millimeter von einem sensiblen Hörnerv entfernt, soll diese Art der Hochton-Erzeugung nun also zweckvoll eingesetzt werden? Jawohl, denn es haben sich nicht finstere Gesellen mit unlauteren Absichten der Technologie angenommen, sondern die Macher einer japanische Hi-Tech-Schmiede, deren Gründung mit einem nicht ganz unbekannten amerikanischen Technikpropheten namens Steve Jobs eng verbunden ist.
Denn im sonnigen Kalifornien sollte sich im Jahr 1986 in den Räumen von Apple Computers die Firma radius Inc. gründen. Und es wurde nicht nur das Gebäude geteilt, sondern auch das Firmencredo: „Produkte jenseits aller Grenzen entwickeln“. Ein Unternehmensleitbild das bis zum heutigen Tage für radius Bestand haben wird. In den Folgejahren expandierte der Heimcomputer-Markt vehement. Stetige Anpassungen an die Erfordernisse des Marktumfeldes prägten die Jahre und so änderte sich die Heimat wie auch die Geschäftsfelder von radius. 1999 wurde die zuvor in Japan gegründete Filiale Firmenhauptsitz sowie Namensrechteinhaber. Das amerikanische Geburtshaus sollte fortan unter der Bezeichnung Digital Origin Inc. firmieren. Stand zum Beginn das Bild im Mittelpunkt aller Aktivitäten, rückte nun im Land der aufgehenden Sonne der gute Ton in den Fokus.
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