Am nächsten Morgen begleitete Allesandro Schiavi seinen deutschen Vertrieb und mich noch ein Sück auf dem Weg nach Verona, von wo ich mich per Bahn auf den Weg nach München machen wollte. Wir legten einen Zwischenstopp bei Loris Copiello ein, dem Schreiner, der die konstruktiven Vorgaben des Entwicklers so perfekt in handschmeichlerische Gebilde umzusetzen versteht: Es fällt ungemein schwer, an einer Diapason vorbeizugehen, ohne einmal kurz darüber zu streicheln. Es war wirklich beeindruckend zu sehen, mit welcher Akribie und Hingabe Loris Copiello die komplizierten Gehäuseformen fertigt und ihnen diese attraktive Oberfläche verleiht. Das abschließende Gespräch in der Trattoria um die Ecke zog sich dann auch deutlich länger hin als geplant. Den Zug habe ich aber trotzdem noch erreicht.
Bei der Rückkehr von seiner Italien-Tour hat Rainer Israel dann die Astera in Gröbenzell vorbeigebracht. Für den Anfang habe ich sie einfach gegen die LumenWhite ausgetauscht also auch auf den dieser angestammten Platz gestellt. Und schon bei den ersten Tönen war die Magie wieder da, die ich im Vorführraum von Diapason erlebt hatte. Stimmen und kleinere Jazz-Besetzungen hatten das gewisse Etwas, der Klang löste sich völlig von den Schallwandlern, so dass man mit geschlossenen Augen keine Aussage über ihren exakten Standort hätte machen könnten – den der Boxen wohlgemerkt, nicht den der Instrumente. Die Musik entfaltete sich völlig frei und dreidimensional im Raum: Die Entscheidung, nach langen Jahren mal wieder eine Zwei-Wege-Box auf einem passenden Fuß zu hören, würde den Genuss in den kommenden Wochen sicherlich nicht schmälern – solange ich den vergleichsweise zierlichen Schmuckstücken keine zu extremen Lautstärken oder Tieftonsignale abverlange. Einmal habe ich es probiert, und zwar mit der Kombination aus beidem: Die reine Bläser-Combo Smart Metall Hornets wird bei „Aqualung“ noch durch einen Schlagzeuger verstärkt, und der allererste Kick der Bass-Drum kommt mit ungeheuerem Druck. Wenn der Pegel dann so weit aufgedreht ist, dass das Saxophon Live-Lautstärke erreicht, wirkt die Astera bei diesem einen Kick nicht mehr souverän: Die tieffrequente Energie wirkt plötzlich konturlos, man dreht ganz automatisch ein wenig leiser. Auch für die Diapason gelten irgendwann die Gesetze der Physik – aber das vergisst man nur allzu leicht, denn bei normalem Musikmaterial meistert die Astera völlig unbeeindruckt Pegel und Frequenzen, die ich einem Schallwandler mit diesem moderaten Volumen niemals zugetraut hätte.
Zu den Wiederentdeckung beim Rippen der CD-Sammlung zählt Miroslav Vitous' Solo-Bass-Album Emergence, dass Martin Wieland in den Bauer-Studios in Ludwigsburg aufgenommen hat. Wieder einmal hat er das Instrument in einen großen, luftigen – virtuellen? – Raum gestellt, ohne dass es zu leicht wirken würde. Die Astera macht die tiefen Schwingungen auch körperlich erlebbar. Das gelingt so überzeugend, dass ich das gesamte Album am Stück gehört habe. Hier stimmt wirklich alles: ein Hochgenuss! Wenn es denn nur um die enormen Tiefton-Fähigkeiten der Astera geht, empfehle ich, einmal „Wheel Of Fortune“ anzuspielen. Hier entfaltet Vitous' Bass zwischenzeitlich einen enormen Druck, kommt aber immer bestens definiert rüber. Und die Raumillusion bleibt dabei völlig stabil. Auch bei älteren Rock-Scheiben gibt sich die Altera keine Blöße: Van Morrisons „Whatever Happened To PJ Proby?“ vom Album Down The Road erklingt in der digitalen Variante sehr gut durchgezeichnet, rhythmisch packend und mit jeder Menge Dynamik – vor allem bei der Stimme. Nur wenn man den Song mit übermäßiger Lautstärke angeht, spielt sich der Präsenzbereich für meinen Geschmack einen Hauch zu weit in den Vordergrund. Zwei, drei Dezibel weniger, und schon ist alles wieder im Lot. Natürlich könnte dieser Eindruck auch mehr an der Aufnahme als den Lautsprechern liegen. Erlauben Sie mir, dass ich zur Klärung ausnahmsweise einmal auf eine eigene Produktion zurückgreife, Inga Rumpfs CD White Horses: In „Springtime Shuffle“ wird die so charakteristische Stimme von Flügel, Hammond-Orgel und Bass begleitet, wirkt aber niemals vordergründig oder gar aggressiv. Die Hammond kommt mit reichlich Biss, aber das ist auch richtig so. Die Astera gibt sich im Präsenzbereich keinesfalls zurückhaltend, aber bei der Van-Morrison-Produktion hat wohl jemand ein wenig zu heftig an den Reglern gedreht.
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