Jonas Hellborgs „Drone“ kommt mit tiefem, sonoren Bass-Druck rüber, auch wenn bei einigen der beinahe subsonischen Töne ein bisschen weniger Energie in den Raum fließt als bei großen Mehrwegkonstruktionen. Aber das macht die Unicorn mit ihrer präzisen Durchzeichnung und der enorm schnellen Ansprache schnell vergessen. Bei „It's The Pits, Slight Return“ traue ich mich so nach und nach den Pegel einzustellen, den ich mir sonst nur mit dynamischen Chassis und entsprechender Membranfläche gönne. Die Unicorn machen das klaglos mit und faszinieren mit einem ungemein straffen und soliden Fundament. Dass die schnelle Abfolge mächtiger Impulse differenziert und packend wiedergegeben wird, dürfte nach der Schilderung der bisherigen Klangeindrücke klar sein. Ich gebe auf: In meiner Plattensammlung finde ich nichts, dass die Unicorn in Verlegenheit bringen könnte. Dabei soll nicht in Vergessenheit geraten, dass die ModWright KWA 150 ihren Teil zur Souveränität dieser Leistung beigetragen hat.
Nach den Testscheiben erlaube ich es den Unicorn und mir, in kammermusikalischem Jazz zu schwelgen. Und was wäre dazu geeigneter als Jimmy Giuffre 3, die – soweit ich weiß – einzige Wiederauflage einer Produktion eines anderen Labels auf ECM? Wenn das Foto auf der Rückseite des Covers wirklich die Aufnahmesituation eingefangen hat, gruppierten sich Jimmy Giuffre mit seiner Klarinette, Steve Swallow am Bass und Paul Bley am Flügel um ein einzelnes Stereo-Mikro. Es ist einfach ein Genuss, die ebenso ruhige wie intensive Interaktion der drei Musiker so stimmig, homogen und fast völlig frei von technischen Beimengungen über die German Physiks miterleben zu können. Schon toll, wie realistisch ein einzelner Wandler zum Beispiel die Klarinette in den Hörraum projizieren kann. Der unverstärkte Bass klingt leicht und farbig und der Flügel viel „richtiger“ und tonal ausgewogener als man das bei Aufnahmen aus dem Jahre 1961 gewohnt ist. Meist ist es selbst bei gelungenen Verve oder Blue Note Reiusses der Flügel, der das Alter der Aufnahme verrät. Das ist hier glücklicherweise nicht der Fall: Hier stimmt einfach alles: die Musik, der Klang der Scheibe und ihre Wiedergabe über die Unicorn.
Obwohl ich ja ansonsten nicht gerade ein Fan der menschlichen Stimme bin, werde ich es mit der so geschlossen musizierenden Unicorn mal wieder probieren, mich dafür zu erwärmen. Aber eine Scheibe einer dieser so angesagten (Pseudo-)Jazzerinnen aufzulegen, bringe ich dann doch nicht über mich. Da greife ich lieber zu etwas Handfesterem wie Hans Theessinks wunderbaren Album Slowtrain. Aber beim Titelstück sind es nicht vorrangig die Stimmen – Theessinks Lead und der großartige Background seiner drei afrikanischen Begleiter –, die die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Obwohl die einzelnen Musiker in verschiedenen Zimmern und Sälen aufgenommen wurden, ergibt sich ein unglaublich stimmiger und glaubwürdiger virtueller Raum. Und so bleibt es nicht bei einem Song: Ich höre die ganze Seite. Die Unicorn ermöglichen es, selbst bei bekannten Scheiben neue Aspekte zu entdecken. Ein wirklich außergewöhnlicher Schallwandler!
© 2024 | HIFISTATEMENT | netmagazine | Alle Rechte vorbehalten | Impressum | Datenschutz
Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.