Inwieweit die Praxis der Theorie folgt, werde ich mit einem Sennheiser HD 800 Kopfhörer ergründen. Schon bei der Vorbereitung einer Musik-Demo für die HIGH END 2013 nutzte ich den Kopfhörer-Amp intensiv als Arbeitswerkzeug, und dabei fiel auf, wie herrlich stressfrei auch lange Hörsitzungen mit ihm seien können. Nach einer kurzen Aufwärmphase werden ungemein homogene Klangbilder an die Schallwandler der Kopfhörer entsandt. So fügen sich bei einem Song wie „She was“ von Camille die fragilen Element der Komposition und die bedrohliche Grundstimmung anrührend und nachvollziehbar zusammen. In einem so komplexen Musikwerk wie Le Sacre du Printemps in der Interpretation von Simon Rattle und den Berliner Philharmonikern mit seinen steten rhythmischen Brüchen zerfällt weder das Werk noch das Orchester in einzelne Gruppen, der Verstärker hält das Klanggeschehen stets perfekt zusammen. Anderseits lädt die detailreiche Darstellung geradezu dazu ein, einen virtuellen Rundgang durch die Musikerreihen zu starten. Alles steht am richtigen Platz und bei Bedarf – und einer adäquaten Einspielung – können die Noten der Partituren mitgelesen werden. Atmosphärisch dichte Aufnahmen wie Inga Rumpfs White Horses werden da zu Sternstunden.
Diese sehr durchdringende Art des Musikhörens offenbart mitunter auch Details, die eher zum Schmunzeln anregen. Erhöht etwa der Toningenieur deftig den Nachhall erhöht oder komplettiert eine leicht verrauschte Samplersequenz den Song, so wird dies deutlich wahrnehmbar und versinkt nicht im großen Meer der gespielten Töne. Obwohl sich beim Hören mit dem Kopfhörer das Geschehen im Kopf entwickelt, ist beim Transrotor die Wahrnehmung von Räumlichkeit ein Teil des Hörvergnügens. Die Dimension eines Konzertraumes wird beinahe sichtbar. In Bruno Cocsets wunderschöner Produktion mit Le Basses Réunies von Bachs „Nun komm, der Heiden Heiland“ glaubt man, den Aufnahmeraum mit geschlossenen Augen abschreiten zu können.
Tonal ist beim Transrotor alles im grünen Bereich. Becken schwingen je nach Anschlag silbrig glänzend oder sie scheinen zu explodieren. Violinpassagen klingen solo wie im Verbund klar und fein strukturiert. Schärfe oder Mattigkeit in den obersten Lagen? Fehlanzeige. Der so wichtige Mitteltonbereich vereint Wärme und Präzision. Kraftvoll und abgründig präsentiert sich die Abteilung Tiefton. Beispielsweise scheint der satte Bassteppich in „Time Laps“ von Ludovico Einaudi körperlich spürbar zu sein: Beim Hörtest habe ich wirklich kontrolliert, ob die Lautsprecher auch tatsächlich ausgeschaltet waren. Zwischenzeitlich hatte ich den Eindruck, Freunde der Grobdynamik könnten über das gesamte Klanggeschehen hin kleinere Mängel in ihrer Lieblingsdisziplin entdecken und dem Transrotor zuviel Feingeistigkeit vorwerfen – ein Annahme, die sich in den brachialen Chorpassagen der Grande Messe des Morts von Hector Berlioz dann aber in Luft auflöste. Wird die Klangregelung zugeschaltet, spielte der Verstärker verhaltener – nicht dramatisch, aber in Nuancen gut nachvollziehbar.
Damit biegen wir mit Verve auf den Sonderweg ab, den Transrotor mit seinem Kopfhörerverstärker beschritten hat. Eine Klangregelung an einem Verstärker der HIGH END Klasse: Der Aufschrei der Hüter des reinen Klang ist sicher auch auf den Höhen des Bergischen Landes vernehmlich wahrzunehmen. Auch meine Augenbraune bewegten sich deutlich in Richtung Haaransatz, als ich die Einstellmöglichkeit nach dem Auspacken erblickte. Doch schallt es von den Bergen nicht minder eindringlich zurück, dass die „Transrotorregelung“ mit der Klangregelung, wie wir sie aus früheren Zeiten kennen, nicht vergleichbar ist. Der Eingriff in das Frequenzspektrum erfolge nicht destruktiv großflächig, sondern durch den Einsatz von integrierten Schaltkreisen mit großer Präzision: Im Tieftonbereich arbeitet sie erst ab 100 Hertz abwärts, der Hochtonbereich lässt sich ab acht Kilohertz beeinflussen. Durch die eingangsnah platzierten Bauelement, bleibt den Signalen der lange Weg zu den frontseitigen Potentiometern erspart.
Doch wofür dieser Aufwand, wird der Purist einwenden? Verlassen wir für die Beantwortung der Frage den audiophilen Teil unserer Plattensammlung und begeben wir uns in die Niederungen der Musikindustrie. Viele alte und neue Musikproduktionen sind alles andere als optimal abgemischt, und eine dumpf oder grell klingende „Lieblingsscheibe“, die spontan den Wunsch nach klanglicher Beeinflussung entstehen lässt, hat sicherlich jeder. Im Hörtest funktionierte das „Regelwerk“ praxisgerecht: Natürlich können Fehler in der Aufnahme nur in Teilen korrigiert und nicht völlig eliminiert werden, aber bei vielen Scheiben, die aus dem Bereich der guten alten Rockmusik kamen, steigerte der sanfte Eingriff – zumeist eine Prise Hochton – das Hörvergnügen merklich.