Raumakustik Teil 3 – Raummoden: Fundamentaler Bestandteil der Akustik

16.07.2010 // Uwe Kempe

Die passive Bedämpfung des tieffrequenten Bereiches eines Raumes stellt nach wie vor die wichtigste Methode zur akustischen Optimierung dar. Sie garantiert – die richtige Durchführung vorausgesetzt – die beste erreichbare Übertragungsqualität in Räumen mit guten Proportionen unabhängig von der Hardwarekonstellation. Diese Vorgehensweise erfordert jedoch den größten Aufwand und am meisten Platz. Es werden spezielle, hinreichend effektive passive Absorber im Raum eingesetzt, um die Ausschwingzeiten der Moden entsprechend zu kontrollieren. Damit werden nicht nur die Bandbreiten der jeweiligen Moden vergrößert und so Pegelanhebungen reduziert, sondern auch die Lückenbereiche zwischen den Moden aufgefüllt. Die Durchhörbarkeit bei tiefen Frequenzen wird merklich gesteigert. Aufgrund der großen Wellenlängen der Moden sind hier „druckempfindliche“, reaktive Absorber die beste Wahl, da sie im Bereich der Begrenzungsflächen den höchsten modalen Druck antreffen.

Auch wenn heute poröse Materialien eine weite Verbreitung erlangt haben, sind sie im tieffrequenten Bereich unterhalb von etwa 80 bis 100 Hertz nicht wirklich nützlich und benötigen unnötig viel Volumen. Besser geeignet, breitbandig und sehr platzsparend dimensionierbar sind hocheffektive Membran- und Plattenabsorber oder Verbundplattenresonatoren. Üblicherweise wird hier in einem Rohraum ein Flächenbedarf von „minimal“ 10 Prozent der Raumoberfläche für Bedämpfungsmaßnahmen zugrunde gelegt. Bei hohen Anforderungen an die Wiedergabequalität können natürlich entsprechende größere Flächenveränderungen erforderlich werden.

Sollen punktuelle Probleme im Modalbereich bearbeitet werden – und auch wirklich nur dann – können sogenannte Helmholtz-Absorber eingesetzt werden. Diese auf den ersten Blick recht einfach wirkende Mechanismen erweist sich in der Praxis als sehr anspruchsvoll und erfordert eine große Sorgfalt in der Anwendung. Das hängt in erster Linie mit der erforderlichen Bandbreiten-Güten-Abstimmung auf die zu bearbeitende Mode, zahlreichen Parasitäreffekten und dem vorgegebenen Volumenbedarf für eine bestimmte Energieentnahme zusammen. Für die hochwertige Reproduktion von reinem Audio, wie auch Audio-Video-Konstellationen wird heute eine weitgehend lineare Abstimmung der Ausschwingzeiten bei tiefen Frequenzen – mit sanftem Anstieg bei sinkender Frequenz – favorisiert. Wer einmal eine derart korrekte Durchzeichnung der Basswiedergabe eines solchen Raumes gehört hat, wird in normalen Räumen kaum mehr zufrieden sein!

Die zweite, vorstehend aufgeführte Methode mit aktiven Absorbern hat ihren Ursprung im Bereich der gewerblichen Akustik, aus der sogenannten „noise cancelation“ Technik. Dabei wird, vereinfacht ausgedrückt, über ein Mikrofon das Schallsignal im Raum aufgenommen, durchläuft einen adaptiven Regelkreis und wird als „Antischall“ wieder über eine Schallquelle abgestrahlt. Speziell im Bereich der störenden tieffrequenten Signale für gewerbliche Anlagen gibt es hier mittlerweile sehr effektive Systeme, die statistische Signalanteile unterdrücken können. Für Audioanwendungen besteht aber in aller Regel das Problem, dass es sich um extrem impulsartige Schallsignale handelt, die von den momentan verfügbaren Regelungen und nachgeschalteten Quellen noch nicht in hinreichender Qualität verarbeitet werden können. Es hat zwar immer wieder entsprechende Ansätze auch für den Einsatz in Hörräumen gegeben. Letztendlich gibt es jedoch derzeit kein wirklich erfolgreiches System für Audioanwendungen zur Unterdrückung vom Raummoden. Diese Methode hat deshalb zur Zeit noch keine wirkliche Bedeutung bei der Verbesserung der Akustik kleiner Räume.

Elektronische Vorentzerrungen gehören heute bereits zum gängigen Standard in der Audiotechnik – auch für den modalen Bereich der Räume. Die Leistungsfähigkeit moderner DSP Prozessoren hat hier einen großen Schritt nach vorne bewirkt und in fast jedem gängigen AV-Receiver ist heute eine Raumentzerrung eingebaut. Dies sagt aber leider noch überhaupt nichts über die Wirksamkeit und Qualität, speziell bei tiefen Frequenzen im Raum aus.

Worin liegt nun der Grundgedanke einer elektronischen Vorentzerrung?

Wie die drei Raumbeispiele aus der Praxis gezeigt haben, entstehen an den jeweiligen Positionen im Raum unter Umständen Übertragungseigenschaften mit dramatischen Pegelschwankungen und erheblichen Ausschwingvorgängen. Was nun, wenn man einfach an die Lautsprecher ein Signal sendet, welches bereits die inverse Pegelcharakteristik der gemessenen Situation enthält? So grundlegend falsch ist dieser Gedanke nicht, wenn man einige wesentliche Aspekte berücksichtigt. Den Schwerpunkt bildet dabei die Tatsache, dass man sich zu jeder Zeit des physikalischen Phänomens bewusst sein sollte, welches man bearbeiten möchte. Dies ist besonders wichtig, da man ja durch eine Vorentzerrung nicht den eigentlichen Effekt im Raum verändert, sondern ihm „nur“ eine andere Ausgangsbedingung schafft! Ein absolutes Tabu bildet dabei der Versuch, Anregungslücken im Übertragungsbereich durch die Zuführung von mehr Schallpegel auszugleichen. Dies ist einerseits aus energetischer Sicht völliger Unsinn, da kein Verstärker so ohne weiteres in der Lage ist, an einer bestimmten Frequenzstelle eine Pegelanhebung von, sagen wir, 20 Dezibel (entspricht eine Leistungsverhältnis von 1:100) aufzufüllen, ohne nicht ständig an seinem Limit zu sein. Andererseits liegen die Ursachen für eine Lücke im tieffrequenten Bereich ja alleine in den Moden – wir haben also entweder ein Bereich in dem gar keine Mode im Raum entsteht oder einen Standort im Raum an dem die Mode nicht hörbar ist. In beiden Fällen ist der Versuch, den Pegel anzuheben, völlig sinnlos! Für den letztgenannten Fall kann der Versuch sogar zum Desaster führen, da ja im Druckbereich der Mode, wo sie hörbar ist, der Pegel auch entsprechend lauter wird.

Also bleibt nur die Möglichkeit, modale Bereiche, die zu laut wiedergegeben werden, durch eine entsprechende Entzerrung leiser zu machen. Auch hier sollte man grundsätzlich berücksichtigen, dass die jeweiligen Übertragungseigenschaften stark von den Positionen abhängig sind – eine entsprechende Entzerrung also auf einen lokal begrenzten Bereich hin festgelegt wird. Die Dosis eines Eingriffs durch Pegelreduzierung sollte also immer im Kontext mit den Wellenlängen der jeweiligen modalen Stützstellen und so mit den Druckvariationen über die Hörfläche gewählt werden. Außerdem sollte man grundsätzlich immer im Hinterkopf behalten, dass sehr starke Pegeleingriffe zugleich das dynamische Verhalten der gesamten Wiedergabekette, speziell der Lautsprecher deutlich verändern können. Letztendlich kann man sagen, je weniger schwere Eingriffe mit einer einfachen Entzerrung notwendig sind, desto besser. Und das Ausschwingen der Moden – eine Eigenschaft des Raumes – wird durch eine Pegelkorrektur auch nicht wirklich verbessert!

Noch eine Anmerkung zu den heute gängigen digitalen Filtern, die in aller Regel für die elektronische Vorentzerrung eingesetzt werden: Im Prinzip lassen sich zwei verschiedene Typen von Filtern unterscheiden. Dies sind einerseits die sogenannten IIR Filter, die quasi eine Nachbildung der analogen Filter mit verknüpftem Amplituden-Phasen-Verhalten darstellen und andererseits die sogenannten FIR Filter, die phasenlineare Korrekturen zulassen. Letztgenannte sind für die direkte Beeinflussung von Raummoden nur bedingt geeignet. Dies hat zwei Gründe: Einerseits ist die Funktion von FIR Filtern durch eine Aneinanderreihung von Verzögerungsgliedern – sogenannten Taps – bestimmt. Um bei sehr tiefen Frequenzen eine hohe Filterpräzision zu erreichen – und das ist für die Korrektur von Raummoden nötig – sind sehr viele Taps erforderlich. Dies sorgt dafür, dass ein solches Filter ein sehr langes Delay (100 bis 1000 Millisekunden erzeugt. Ein einzelner korrigierter Lautsprecher hätte also immer mit einer erheblichen Grundverzögerung zu leben. Andererseits ist das phasenlineare Verhalten der FIR Filter für die direkte Beeinflussung der Moden auch gar nicht erforderlich – ganz im Gegenteil erzeugen die Moden an Ihren jeweiligen Frequenzpunkten einen sehr ausgeprägten „Phasenhub“, der durch das entzerrende Filter mit kompensiert werden sollte. Genau diese Charakteristik erzeugen IIR Filter. FIR Filter sind eher dann sinnvoll, wenn räumlich gemittelte Entzerrungen vorgenommen werden sollen.

Der Methode der vorstehend angeführten Auflistung – Schallquellenkonstellationen zur Minimierung der Modaleffekte einzusetzen – hat sich erst in den letzten Jahren so richtig entwickelt. Er stellt jedoch mittlerweile ein mächtiges Werkzeug auf dem Weg zu einer optimalen Wiedergabe tiefer Frequenzen in kleinen Räumen dar. Verschiedene Ansätze haben sich dabei heraus kristallisiert, die aber alle eines gemeinsam haben: Es wird von vornherein die Situation des tieffrequenten Verhaltens im Raum miteinbezogen, mehrere Schallquellen mit teilweise unterschiedlichem akustischen Verhalten oder entsprechenden Aufgaben werden eingesetzt, um eine intelligente elektronische Ansteuerung beziehungsweise ein Signalmanagement zu realisieren. Alle Verfahren nutzen in irgendeiner Weise das spezifische Verhalten der Raummoden aus. Dabei kommt zum Tragen, dass Raummoden auf mehrere Quellen an verschiedenen Orten im Raum sehr unterschiedlich reagieren und ihre Ausbildung/Anregung stark von der Art der Schallquelle und deren Abstrahlverhalten bestimmt wird. Es sollen nachfolgend kurz drei Beispiele beschrieben werden, um die Eigenschaften der verschiedenen Ansätze zu verdeutlichen. Wer sich näher mit dieser Thematik beschäftigen möchte, kann die jeweiligen Veröffentlichungen der Links im Detail durcharbeiten.

 

 

 


Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.