Das DSD-Verfahren wurde anfangs übrigens dafür entwickelt, Masterbänder zu digitalisieren und dann in diesem Format zu archivieren. Da brauchte man keine Schnitte und keine Lautstärkeanpassungen mehr. Der Maximalpegel konnte sicher ermittelt und der Wandler entsprechend eingestellt werden: Man verschenkte weder Fremdspannungsabstand noch hatte man Übersteuerungen zu befürchten. Bei Aufnahmen sah das allerdings ganz anders aus. Auch die Nachbearbeitung mit den üblichen Studioeffekten war im DSD-Format nicht möglich. Kein Wunder also, dass Toningenieure DSD schnell ablehnten.
Wer wie ich bei Plattenproduktionen von der Aufnahme bis zum fertigen Master durchgängig analog arbeitet, empfindet den bei DSD notwendigen Verzicht auf jegliche Nachbearbeitung – um eben die Wandlung in PCM zu vermeiden – nicht als Einschränkung. Mit einer kleinen Ausnahme: Will man ein Masterband in DSD-Files wandeln, muss man ebenso wie früher mit dem Cassettenrecorder bei der Hitparade im Radio die Aufnahme ganz genau am Anfang und Ende eines jeden Songs starten respektive stoppen. Bisher habe ich nämlich trotz vielfacher Versuche niemanden gefunden, der verlässlich sagen kann, ob das Beschneiden von DSD-Files am Anfang und Ende – das sogenannte Trimmen – zwingend eine Wandlung in PCM nach sich zieht. Ein geeignetes Werkzeug hierfür wäre Korgs Software AudioGate, die man auf der Korg-Website kostenlos herunterladen kann. Ob beim Trimmen eines Songs mit AudioGate eine zwischenzeitliche Umrechnung in PCM stattfindet, ließ sich – wie gesagt – nicht endgültig klären. Deshalb habe ich bei den meisten auf Hifistatement angebotenen, kostenlosen DSD-Downloads auf eine Nachbearbeitung mit AudioGate verzichtet. Eine Produktion von DSD-Files, die zwischenzeitlich auch nicht partiell in PCM umgerechnet wurden, ist also nur mit viel Aufwand und unter Verzicht auf die Annehmlichkeiten moderner digitaler Manipulationsmöglichkeiten machbar.
Vielleicht sollte ich noch einmal kurz begründen, warum ich eine Umrechnung von DSD in PCM und umgekehrt unbedingt vermeiden will. Wenn man gewohnt ist, bei der Produktion von Schallplatten durchgängig analog zu arbeiten, auch wenn das zum Beispiel allein für ein wenig Hall mit großem Transport- und Kraftaufwand verbunden ist, will man auch bei Musik-Files auf der Ebene bleiben, die man aus klanglichen Gründen für die bessere hält. Alles andere – wie etwa LPs von digitalen Mastern oder DSD-Files aus Hochbit-Dateien – will mir als eine Art Etikettenschwindel erscheinen. Zudem bin ich weder in der Literatur noch in Gesprächen mit Entwicklern oder Toningenieuren auf die Ansicht gestoßen, dass mathematische Manipulationen einer Musikdatei – damit meine ich natürlich kein Mastering im klassischen Sinne auf digitaler Ebene – klangliche Vorteile bringe. Und auch die eigenen Aufnahme- und Produktionserfahrungen haben gezeigt, dass es umso besser – vor allem offener, dynamischer und lebendiger – klingt, je weniger Eingriffe während oder nach der Einspielung vorgenommen werden. Selbst ein simpler Kompressor oder Limiter wirkt sich meines Erachtens nach nachteilig aus. Und das völlig unabhängig davon, ob man analog oder digital arbeitet.
Gehen wir nun aber mal davon aus, dass wir doch eine puristisch erzeugte DSD-Datei auf der Festplatte liegen haben. Wie wird daraus wieder Musik? Erst einmal benötigen wir eine hochwertige Player-Software. Mangels Erfahrung mit Windows-Rechnern beschränke ich mich hier auf Programme, die auf Mac laufen. Mein Favorit war lange Jahre Sonic Studios Amarra. Aber die Version Symphony 3.0, die nun endlich auch DSD-Files verarbeitet, wandelt diese erst einmal in PCM, damit die ins Programm integrierte Raumentzerrung das digitale Signal entsprechend aufbereiten kann. Im mit dem Computer verbundenen DAC werden also beim Einsatz von Amarra statt DSD-Dateien Hochbit-Files gewandelt. Auch wer Computer aus seiner Musikanlage verbannt hat und seine DSD-Dateien beispielsweise an einen Netzwerk-Player des schweizer Digital-Spezialisten Daniel Weiss schickt, hört letztlich PCM, da hier vor der Wandlung eine Umrechnung in Hochbit vorgenommen wird, damit die interne Lautstärkeregelung funktioniert.
Bleiben noch die Programme Audirvana und Pure Music, mit denen sich der DSD-Datenstrom nach dem offenen DoP-Protokoll per USB an den Wandler senden lässt. Auch wenn DoP für „DSD over PCM“ oder in der Langversion „DSD Audio over PCM frames“ steht, werden hier die DSD-Daten nicht in PCM umgerechnet, sondern lediglich in die für den Versand von PCM-Daten über USB festgelegten Rahmen oder frames „gepackt“. Das Verpacken auf Computer- und Entpacken der Daten auf Wandlerseite bedeutet zwar auch wieder zusätzlichen Rechenaufwand, verbraucht damit Prozessorleistung und führt möglicherweise zu minimalen Klangbeeinträchtigungen, ist momentan aber die einzige Möglichkeit, DSD-Daten vom Computer zum Wandler zu schicken. Und auch zwischen Netzwerk-Playern und -Laufwerken werden DSD-Dateien üblicherweise über DoP ausgetauscht. Einen der ersten, wenn nicht den ersten Netzwerk-Player, der DSD direkt über Ethernet empfängt, hat Ayon Audio in Kooperation mit Stream Unlimited in Wien entwickelt. Auf diesem Weg sollen die DSD-Daten verlustfreier als über DoP transportiert werden. Sie sehen also, auch auf dem Weg zum D/A-Wandler hat es das DSD-Signal nicht immer leicht – hier drohen klangliche Beeinträchtigungen, dort sogar die Umrechnung in PCM.