Audio Video Show Warschau 2024 – Teil 3

01.11.2024 // Finn Corvin Gallowsky

Auf der High End habe ich es nicht zu Pure Accourate Sound geschafft, konnte dies aber auf der AVS nachholen. Unter Pure Accourate Sound haben sich mehrere Spezialisten zusammengetan, um traditionelles HiFi etwas anders anzugehen. Grundsätzlich geht es hier um ein Konzept zur perfekte Anpassung einer Stereoanlage auf den jeweiligen Hörraum. Rose Handwerk bietet dazu mit der Joachim Gerhard Collection geeignete Lautsprecher an. Prinzipiell kann aber jeder vorhandene Lautsprecher genutzt werden. Mithilfe von AudioVeros Accourate werden alle Lautsprecherchassis einzeln korrigiert und auf den Raum angepasst. Jeder Treiber wird mit einem eigenen DA-Wandler-Kanal und Verstärker angesteuert. Für den Endnutzer bleibt die Bedienung über roon oder JRiver dabei unkompliziert und komfortabel. Die Präsentation auf der AVR war sehr eindrucksvoll und bewies die Mächtigkeit von digitaler Raumkorrektur. Die kurze Hörsession wurde teilweise absurd laut, aber dabei nicht im Geringsten unangenehm, wie es sonst auf Messen oft der Fall ist, weil hier eben kein Frequenzbereich gestört hat. Insbesondere der Bassbereich war bemerkenswert. Für die Digital-Analogwandlung kam ein achtfach DAC von okto research zum Einsatz. Dass okto research in Prag entwickelt und fertigt, war mir, obwohl mir die Marke sehr wohl ein Begriff ist, nicht bekannt. Gründer & Entwickler Pavel Krásenský gab mir einen Einblick in die aktuelle Entwicklung. Auf der Show zeigte er drei synchronisierte DACs, die zusammen als ein virtuelles USB-Gerät 24-Ausgangskanäle bereitstellen. Außerdem arbeitet er an der Möglichkeit, einzelne Ausgangs-Kanäle über den internen Chip des Wandlers mit Hoch- und Tiefpassfiltern zu versehen. Eine eigene Fernbedienung ist ebenfalls in Entwicklung.

 

Ferrum ergänzt den WANDLA um einen Kopfhörerverstärker und macht daraus den WANDLA HP. Er soll bis zu 3,5 Watt an symmetrisch getriebenen 50 Ohm bei einem Dynamikumfang von 122 Dezibel liefern. Für alle unsymmetrischen Kopfhörer liegt dem Lieferumfang ein Adapter von Pentaconn auf 6,3-Millimeter-Klinke bei. Sowohl der DAC- als auch der Kopfhörerausgang verfügen wahlweise über eine digital kontrollierte analoge oder digitale Lautstärkeregelung. Der unsymmetrische Analogeingang wird an beide Ausgänge (nach der Lautstärkeregelung) analog durchgereicht. Der WANDLA HP kostet 3.295 Euro. Am Samstag hielten Paweł Gorgoń (Chefingenieur R&D, links) und Hardware-Ingenieur Max Matuszak (mitte) einen Vortrag über Netzteiltopologien unter den aufmerksamen Blicken von Firmenchef Marcin Hamerla (rechts).

 

Im Jahr 2022 habe ich mich erstmals mit Adrian Krupowicz, dem Engineering VP von UNITRA, über die zu dem Zeitpunkt gerade wieder ins Leben gerufene Marke unterhalten. Sein Enthusiasmus ist derselbe geblieben. Nachdem ich im letzten Jahr die Entwicklung der Marke eher in Bildern beschrieben habe, hat sich Adrian dieses Jahr fast eine Stunde Zeit genommen, mir die Marke mit seiner begeisternden Art näherzubringen. Passend, denn vor zwei Montan hat UNITRA seinen offiziellen Start auf dem deutschen Markt hingelegt. In den 70er und 80er Jahren war UNITRA ein Zusammenschluss verschiedener polnischer Produzenten, zu Hochzeiten mit 100.000 Mitarbeitern, die nicht nur für den polnischen Markt entwickelten, sondern deren Produkte unter anderen Herstellerbezeichnung in vielen anderen Märkten vertrieben wurden. 1989 wurde der Zusammenschluss jedoch aufgelöst. 2022 gründete ein Team um Adrian UNITRA neu. Das Erbe der Marke und polnische Ingenieurskunst steht dabei im Fokus. Es wurde Kontakt zu den alten UNITRA-Ingenieuren aufgenommen, um von ihnen zu lernen und die Markengene besser zu verstehen. Bei der Konzeption der großen Doppel-Mono-Endstufe WSH-805 (5.000 Euro) stand beispielsweise der WSH-205 aus den 70ern Modell, wie ein Foto aus einer Powerpoint-Präsentation Adrians zeigt. Dieses Jahr wurde mit dem WSH-605 ein kleinerer integrierter Verstärker inklusive DAC (2 x 110 Watt an 4 Ohm) präsentiert. Die Schaltung wurde komplett neu entwickelt. Ein vom Publikum geliebtes Merkmal teilt er sich mit seinem großen Bruder: Die Aluminium-Kippschalter sind motorisiert und ändern ihren Zustand auch bei Fernbedienung mit einem satten Klick. Weitere Details, die einen Hinweis auf die Detailverliebtheit der Entwickler geben, finden sich am CD-Player. Das E-Paper Display liest die auf der CD enthaltenen Informationen über Artist, Album- und Songtitel aus und zeigt diese an. Selbst der Eject-Knopf besteht aus Aluminium. Ein besonderes Herzensthema Adrians sind aber Plattenspieler. Er ist besonders stolz auf den Direktantrieb. Ihm sind nur zwei weitere Hersteller bekannt, die einen ähnlich aufwendigen Direktantrieb, teilweise als OEM, in Großserie fertigen. Der Antrieb ist auf Präzision ausgelegt und verfügt über zwei Korrekturschleifen. Zum einen sind Sensoren auf der Spulenplatine verbaut, zum anderen gibt es eine optische Rückkopplung. Auf dem Foto der Antriebsbauteile ist die dafür verwendete Lochscheibe über der Spulenplatine zu sehen. Weil ihm in der Praxis eine Messplatte für Messungen an Audio Precisions Signalanalysern fehlte, hat er diese kurzerhand selbst konzipiert und fertigen lassen. Daraus entstanden sind zwei Editionen: Eine Picture-LP-Messplatte zur grundlegenden Justage eines Plattenspielers (59 Euro) und eine Doppel-LP mit erweiterten spezifischen Messignalen (139 Euro). Viele Besucher baten Adrian um ein Autogramm auf ihrer Messplatte. Ob es wohl für Platin reicht? An einem Tisch mit Mikroskop konnte man sowohl die Messplatte als auch Direct Metal Mastering, Lackfolie und eine Pressmatrix optisch miteinander vergleichen. Schlussendlich wurde stolz der erste UNITRA-Tonabnehmer gezeigt, der zwar in Zusammenarbeit mit einem Spezialisten entstanden ist, aber von Unitras Ingenieuren konzipiert wurde. Ganz nebenbei hat UNITRA den unter Gitarristen wohlbekannten Produzenten von Effektpedalen G-LAB übernommen, um ihn am Leben zu halten – polnische Coolness par excellence.


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