Zwei Themen nehme ich dieses Jahr verstärkt wahr. Sie dominieren zwar bei weitem nicht die Messe, aber sind dennoch auffällig. Zum einen ist dies die nach wie vor immer weiter zunehmende Verbreitung von Aktivlautsprechersystemen, Einbaulautsprechern und All-In-One-Zuspielern. HiFi wird langsam immer „unsichtbarer“. Die Zeit der unübersehbaren Stereoanlage samt eines riesigen Stapels Komponenten scheint langsam abzulaufen. Sicher nicht unauffällig ist hingegen das zweite, materialintensive Gesprächsthema: Immersive Audio. Während ersterer Trend eigentlich nichts Neues mehr ist, fristet Immersive Audio noch immer ein Nischendasein. Zurecht, wie der ein oder anderen Leser jetzt vielleicht heimlich denken mag. Im (Heim-)Kinobereich sind objektbasierte Formate wie Dolby Atmos, DTS:X Pro oder auch Auro-3D, welches erst in voller Ausbaustufe AuroMax objektbasiert arbeiten kann, nicht mehr ungewöhnlich. Vorausgesetzt man hat den nötigen Platz, das nötige Kleingeld und vor allem das nötige Knowhow. Im HiFi-Bereich hingegen ist Mehrkanalaudio geradezu verpönt. Um festzustellen, ob nun zu Recht oder nicht, mangelt es auf der HIGH END an geeigneten Systemen.
Für mich beginnt die diesjährige Messe mit der Presse Konferenz der HIGH END Society. Als PR-Managerin der Society gebührt Claudia Kazner die Ehre die Pressekonferenz zu eröffnen. Vorstandsvorsitzender Jürgen Timm berichtet anschließend über Erfolge einiger Mitgliedsmarken. Beispielsweise die Auszeichnung WBTs mit dem Deutschen Innovationspreis 2021 oder das Erschließen von 3D-Druckverfahren bei der Firma Audio Physic. Stefan Dreischärf, Geschäftsführer der HIGH END Society Service GmbH, welche für die HIGH END Messe verantwortlich ist, bedankt sich bei seinem Team und kündigt, begleitet von frenetischem Jubel der Dolmetscherin auf dem Kopfhörer meines Sitznachbarns, Alan Parsons an. Mr. Parsons freut sich sichtlich darüber Steven Wilson, dessen Album The Raven That Refused to Sing (And Other Stories) er co-produzierte, als Markenbotschafter der HIGH END abzulösen. Er berichtet von seinen Anfängen mit digitaler Aufnahmetechnik in Form eines Sony PCM-3324 24-Track-Recorders mit 16 Bit. Nach Jahrzehnten der Digitaltechnik sei der Wunsch nach analoger Haptik wieder gestiegen, weshalb er sich kürzlich eine 32-Kanal Rupert Neve Konsole zugelegt habe. Ein System zur Wiedergabe und Bearbeitung von Material im Dolby-Atmos-Format werde in zwei Wochen trotzdem in seinem Studio eingerichtet. Er zeigt sich außerdem von der Möglichkeit begeistert, dank des Internets auch aus der Ferne Aufnahmen machen und überwachen zu können. Auf Nachfrage eines Pressekollegen erklärt Alan, dass er auf dem legendären Beatles-Konzert am 30. Januar 1969 sehr wohl anwesend war und verweist auf Peter Jacksons Dokumentarfilm The Beatles: Get Back, der sich genau mit diesem Ereignis befasst. Augenzwinkernd merkt er an, dass man ihn in dem Film sogar sehen könne, wenn man sich nur durch 9 Stunden Archivmaterial wühlt. Er äußert sich außerdem zum für ihn offensichtlichen Unterschied eines Tonschaffenden und eines Endverbrauchers. Während der Endverbraucher sein Audioequipment dazu nutzt, Musik zu hören, nutzt ein Tonschaffender Musik, um sein Equipment zu hören. Diese Gesetzmäßigkeit scheint sich für den Audiophilen durchaus zu verqueren. Manchmal bedaure ich jedoch, dass dies mitunter soweit geht, dass Musik zu einem reinen Testobjekt wird. Für den Loudness War hat Alan Parsons eine pragmatische Lösung parat: „Ist die Musik zu leise produziert, dreh lauter. Ist sie zu laut, dreh einfach wieder runter.“ Alles in allem ist das Treffen mit Alan Parsons humorvoll, kurzweilig und eine gute Einstimmung auf die Messe. Da viele Pressevertreter Alan Parsons danach persönlich im Gespräch begegnen wollen, gerät der Fototermin mit dem Vorstand der HIGH END Society etwas chaotisch. Ähnliches kann man von der Organisation der Messe hingegen zu keinem Moment behaupten.
Beim dänischen Traditionshersteller Dynaudio bin ich zur Presskonferenz geladen, auf der die neue Aktivlautsprecherserie Focus vorgestellt wird. Sie umfasst den Zweiwege-Regallautsprecher Focus 10, den Zweieinhalbwege-Standlautsprecher Focus 20 und den Dreiwege-Standlautsprecher Focus 30. In jedem Modell wird der Hochton mit 110 Watt angetrieben. Der Tiefmitteltöner darf je nach Modell aus einmal oder zweimal 280 Watt schöpfen. Die Chassis sind allesamt sehr hochwertig, der Tieftöner sogar der hochwertigste aus dem gesamten Dynaudio Line-Up. Auch der Hochtöner erhielt viele Anleihen aus der Topserie Confidence. Dynaudio ist mit einem aktiven HiFi-Speaker etwas spät dran, dafür ist das Produkt aber wirklich bis ins kleinste Detail fertig entwickelt. Die Streamingtechnik basiert auf der WiSA-Plattform und wurde offen gestaltet, sodass die Lautsprecher auch mit anderen WiSA-Komponenten harmonieren, vorausgesetzt, diese wurden nicht herstellerseitig individualisiert. Dies ermöglicht Streaming von bis zu 96 Kilohertz bei 24 Bit und nur 2,6 Millisekunden Latenz. Die Latenz zwischen den Lautsprechern beträgt dabei etwa eine Mikrosekunde. Da die Lautsprecher DSP-basiert konstruiert sind, ermöglichst dies einige interessante Features. Eins davon ist die automatische Erkennung des montierten Lautsprechergitters, dessen akustische Auswirkung durch eine Anpassung im DSP eliminiert wird. Außerdem sind die Lautsprecher für die Einmesssoftware Dirac Live vorbereitet. Ein passendes Mikrofon und die Lizenz dafür müssen separat erworben werden, so zahlen nur die Kunden hierfür, die diese Funktion auch wirklich nutzen möchten. Der typische, bewährte Dynaudio-Sound, mit vielleicht etwas mehr Attack und Vehemenz als gewohnt, konnte mich in der Präsentation überzeugen. Der Focus 10 wird für einen Paarpreis von 5.000 Euro, der Focus 30 für 7.500 Euro und der Focus 50 für 10.000 Euro erhältlich sein.