Wie die Staus auf den umliegenden Autobahnen beweisen, ist Bayern momentan ein attraktives Urlaubsziel. Wir hatten es glücklicherweise nicht weit bis ins tiefste Allgäu, wo wir mit unserem Aufnahme-Equipment den Trompeter Matthias Schriefl und das Streicherinnen-Trio Netnakium trafen, die nicht nur für alpenländische Urlaubsgefühle sorgten.
Unser Lieblings-Jazzclub, das Neuburger Birdland, hat bis Mitte September Sommerpause: Da drohen auf kulturellem Gebiet Entzugserscheinungen. Als wir Dietmar Sutter einige Kartons sommelier-du-son-LPs auf seinen Hifi-Bauernhof lieferten, schlug er vor, sich einmal Matthias Schriefl und das Trio Netnakisum anzuhören und vielleicht auch aufzunehmen – ein Angebot das wir gerne annahmen. Bei einem Konzert der Vier in der Lagerhalle der Postbrauerei in Nesselwang haben uns dann die absolut ungewöhnlichen, humorvollen und immer wieder mit überraschenden Wendungen verblüffenden Songs derart begeistert, dass wir wirklich für das ein paar Tage später im Bürgerhaus in Oy-Mittelberg stattfindende Konzert eine Aufnahme vereinbart haben.
Nur gut, dass wir die Combo zuerst in der nüchternen – auch wenn der Begriff nicht recht zu einer Brauerei passen will – Umgebung einer Lagerhalle gesehen und gehört haben. Das Bild an der Rückwand der Bühne des Bürgerhauses weckte zumindest bei gebürtigen Westfalen fatale Assoziation an die kommerzielle, geglättete Version sogenannter Volksmusik. Aber davon sind deeLinde und Marie-Theres Härtel sowie Claudia Schwab – oder kurz: Netnakisum – ebenso weit entfernt wie Matthias Schriefl. Der hat zwischen 2007 und 2012 unter anderem drei CDs für dass Jazz-Label ACT aufgenommen und verbindet die ursprüngliche Musik seiner Heimat auf ungeheuer interessante Weise mit Jazz und vielfältigen anderen Einflüssen. Die drei Musikantinnen gehen mit ihrem musikalischen Erbe auf ähnliche Art um. Auch wenn alle Beteiligten studierte Musiker sind, wirken ihre Projekte nie wissenschaftlich verkopft. Die Songs der vier sprühen vor Spielwitz, Esprit und manchmal auch etwas derberem Humor. Einfach Klasse!
Noch ein paar kurze Anmerkungen zur Technik: Die Songs wurden mit je einem Großmembran-Mikrofon für Violine, Viola und Cello und die jeweiligen Stimmen der Musikerinnen aufgenommen. Für Matthias Schriefls vielfältiges Instrumentarium von der Trompete bis zum Alphorn hatte ich die beiden Kapseln des AKG Stereo-Mikros C 422 comb auf Nierencharakteristik geschaltet und zwischen ihnen einen recht breiten Öffnungswinkel gewählt. Gemischt wurden die Signale auf einem achtkanaligen Acousta-Pult. Zweikanalig ging es dann auf die Nagra VI. Obwohl in der digitalen Welt – anders als bei Tonbandmaschinen – jegliche Übersteuerung zu Verzerrungen führt, haben wir wie gewohnt auf Limiter oder Kompressoren verzichtet und einfach etwas niedriger ausgesteuert, um mehr Head-room zu haben. Matthias Schriefls Blechattacken haben uns aber dennoch ganz schön schwitzen lassen. Aber es ist noch einmal gut gegangen und wir haben die Songs ohne hörbare Verzerrungen auf die Festplatte bekommen.
Den Song, den wir für Sie ausgesucht haben, hatte Matthias Schriefl während der kurzen Konzertreise mit Netnakisum geschrieben, nachdem sie in an einer Bergbahn vorbeigekommen waren, die den Namen „6/8 Kombi Almkopf Bahn“ trug. Man muss wohl Musiker sein, damit einem dabei spontan eine Taktart einfällt. Noch ein Tipp für alle, die nicht in südlichen Gefilden geboren sind: Seien Sie tapfer und halten Sie die erste Minute durch, dann beginnt der musikalische Spaß mit dieser taufrischen Komposition erst so richtig.
PS: Das Cover neben den Download-Buttons stammt von Matthias Schriefls im letzten Jahr erschienen Album Schriefl im Himmel, das der Pressetext folgendermaßen rühmt: „Futuristischer Alpen-Jazz? Wohlklang aus Tradition und Moderne? Im Matthias-Schriefl-Trio wird diese Unmöglichkeit zu einer Realität. Die Band kann so gemütlich sein wie eine Milka-Kuh, die ein Edelweiß kaut, aber sie verwandelt sich im Handumdrehen in eine New-Orleans-Marching Band, eine Pop Band mit eingängigen Hits, in ein klassisches Kammerensemble mit Mozartperücken oder in eine Allgäuer Version von Tom Waits.
Viele Stücke hat Matthias Schriefl in über 2000 Höhenmetern geschrieben, teilweise inspiriert von uralten Allgäuer Volksliedern. Sie stecken voller skurriler Ideen, bleiben aber trotz des breiten theoretischen Hintergrunds in jedem Ton und jeder Geste anti-elitär und leidenschaftlich. Sie müssen sich also nicht mit diesem Appetithäppchen zufriedengeben, wenn Sie die „6/8 Kombi Almkopf Bahn“ ebenso unterhaltsam und geistreich finden wie wir. Leider gibt es bisher keine gemeinsame CD von Netnakisum und Matthias Schriefl. Aber wer weiß, was aus den Aufnahmen wird. Auch ein Download in HiRes wäre ja nicht schlecht…
PPS: Immer mal wieder werden wir gefragt, ob man die Musik-Dateien denn nur auf dem Computer anhören oder doch auf der eigenen Festplatte speichern könne. Natürlich ist letzteres möglich. Hier erst einmal eine kleine Bedienungsanleitung für Mac-User: Führen Sie einen sogenannten Sekundärklick durch, je nach Trackpad-Einstellungen durch Tippen mit einem Finger unten rechts auf das Trackpad oder an beliebiger Stelle durch Tippen mit zwei Fingern. Bei der Magic Mouse kann man den Sekundärklick mit Druck auf die rechte (Standardeinstellung) oder linke Maus-Hälfte ausführen. Daraufhin erscheint ein Auswahlfenster, in dem man „Verknüpfte Datei laden‟ oder „Verknüpfte Datei laden unter‟ anklickt. Schon wird die gewünschte Datei heruntergeladen. Wie es unter Windows funktioniert, hat Wolfgang Kemper für Sie notiert: Mit der rechten Maustaste das Download-Symbol anklicken und „Ziel speichern unter...‟ auswählen. Dann erscheint das Fenster, in dem Sie den Speicherort bestimmen können. Dort den „Speichern‟-Button anklicken und schon läuft's.