Kopfhörer mit magnetostatisch angetriebenen Schallwandlern waren vor gut dreißig Jahren ein Thema. Seitdem ist es ruhig geworden um diese Spezies ohrnah aufspielender Flächenstrahler. Seit kurzem drängen jedoch zum einen aus China – HifiMAN – und zum anderen aus den USA – Audez'e – neue Modelle auf den Markt, die in der Kopfhörer-Szene heiß diskutiert und von vielen als das klangliche Nonplusultra des Kopfhörens propagiert werden.
Sowohl die chinesischen als auch die US-amerikanischen Kopfhörer haben nach einem fulminanten Start vor allem in den USA zwischenzeitlich bei uns in Deutschland ihre Vertriebswege gefunden. Die USA dürfen sich mit einigem Recht als das Kopfhörer-Eldorado schlechthin rühmen. Nicht ganz unschuldig daran ist das Internetforum headfi, in dem nonstop und mit großem Enthusiasmus wirklich alles besprochen wird, was mit Kopfhörern und deren Umfeld zu tun hat. Zum Thema magnetostatische Kopfhörer gibt es dort bereits hunderte von Beiträgen mitsamt Vergleichen der Kopfhörer beider Marken miteinander wie mit den Spitzenmodellen mit elektrodynamischem und elektrostatischem Antriebsprinzip. Was mich letztendlich dazu bewogen hat, mir den Audez'e LCD-2 zum Test zu besorgen, waren die Beiträge in headfi, in denen von bislang ungehörten Kopfhörertugenden die Rede ist, wie von einer geradezu körperlich spürbaren, dabei aber fein aufgelösten Basswiedergabe und einer Mittenwiedergabe, die anstelle der eher blutleeren Gangart von Elektrostaten Fleisch an den Knochen habe. Interessiert hat mich aber auch die kontrovers diskutierte Höhenwiedergabe, die von den einen als deutlich zu zurückhaltend beschrieben wird, während die anderen erlöst aufstöhnen, endlich vom Joch überpräsenter Höhen befreit zu sein. Natürlich wird in headfi auch darüber gestritten, welche Kopfhörer-Verstärker optimal mit dem LCD-2 harmonieren, nämlich in erster Linie solche, die bei uns in Europa gar nicht zu haben sind.
Zunächst aber ein paar Worte zum Antriebsprinzip magnetostatischer Kopfhörer, bei denen es sich wie bei elektrostatischen Kopfhören um Flächenstrahler handelt, also um Schallwandler mit im Vergleich zu solchen mit elektrodynamischem Antrieb großflächiger Membran aus dünner Kunststofffolie, die Luft im Takt des Musiksignals verdrängt. Die große Fläche ist bei beiden Antriebsprinzipien unabdingbar, um ausreichende Tieftonpegel zu erzeugen. Ursache für die Membranhübe ist das Musiksignal, das als Strom durch Leiterbahnen auf der Membran fließt und diese im Verbund mit einem die Membran beidseitig umschließenden statischen Feld senkrecht zur Membranfläche in Schwingung versetzt. Im Falle von Elektrostaten haben wir es mit einem elektrischen Feld zu tun, das durch perforierte Statorplatten beiderseits der Membran aus Hochspannung erzeugt wird, während im Falle von Magnetostaten starke Permanentmagneten die Statoren bilden, die wie bei den Elektrostaten deshalb perforiert sind, damit der von der Membran ausgehende Schall nach außen abgestrahlt werden kann. Das für Elektrostaten benötigte elektrische Feld hat den Nachteil, dass der nach diesem Prinzip arbeitende Kopfhörer nicht einfach an eine herkömmliche Kopfhörerbuchse angeschlossen werden kann, sondern ein spezielles Hochspannungsnetzteil erfordert, das üblicherweise in einen speziellen Vorverstärker integriert ist. Magnetostatische Kopfhörer hingegen können an herkömmliche Kopfhörerbuchsen angeschlossen werden, weil das von ihnen benötigte statische Magnetfeld von starken Permanentmagneten bereitgestellt wird, die heutzutage in Gestalt von Neodym-Magneten zur Verfügung stehen. Im Falle der in den siebziger Jahren kursierenden Kopfhörer mit magnetostatischem Antrieb waren die in kleiner Bauform verfügbaren Permanentmagneten relativ schwach, was sich durch zurückhaltenden Basspegel negativ bemerkbar machte. Dank äußerst geringer bewegter Masse – die Membranfolien wiegen im Vergleich zu den Membranen elektrodynamischer Wandler so gut wie nichts – zeichnen sich sowohl Elektostaten wie Magentostaten durch geringste Verzerrungen und die Fähigkeit aus, auch schwachen Musiksignalen nahezu verzögerungsfrei zu folgen. In der Fertigung beider Flächenstrahler steckt viel klangbestimmendes Know-How, nicht zuletzt um langzeitstabile dünne Membranfolien gewährleisten zu können, weshalb sowohl Lautsprecher wie Kopfhörer, die auf diesen Schallwandlern beruhen, stets nur von wenigen Herstellern angeboten wurden. Aktuell gibt es elektrostatische Kopfhörer praktisch ausschließlich von Stax, während ihre magnetischen Alternativen meines Wissens aktuell nur von hifiMAN und Audez'e gefertigt werden.
Audez'e (spricht sich „Odyssey“) ist ein Start-Up-Unternehmen mit speziellem Know-How auf dem Gebiet moderner Messtechnik und der Fertigung und Verarbeitung dünner Membranmaterialen. Die gesamte Produktion des offenen LCD-2 erfolgt im Haus. Dank kräftiger Neodym-Magnete und einer 80-prozentigen Belegung der vierzig Quadratzentimeter großen Folienmebran mit Leiterbahnen wird ein relativ großer Wirkungsgrad des Schallwandlers von nominell 91 dB/1 mW erzielt, wobei Pegel bis 133 Dezibel nahezu verzerrungsfrei realisierbar sein sollen. Verbaut werden pro LCD-2 Schallwandler mit einer Pegelabweichung von plus/minus einem halben Dezibel. Als Material für die Gehäuse kommt karibisches Rosenholz zum Einsatz, von dem man sich eine hohe Resonanzarmut verspricht, und das diesem Kopfhörer zusammen mit einem schwarzen Abschlussblech eine individuelle Note verleiht. Soviel Holz, nicht zuletzt aber auch die großen Nedodym-Magnete sorgen für ein stolzes Kampfgewicht des LCD-2 von einem guten Pfund. Damit der Kopfhörer trotzdem erträglich bleibt, ist der Anpressdruck seiner mit weichen Lederpolstern ausgerüsteter Gehäuse eher mäßig gewählt, wobei dem Druck auf die Schädeldecke durch eine starke Schaumstoffpolsterung entgegengewirkt wird.Auf meinem eher großen und ziemlich runden Schädel sitzt der LCD-2 wie angegossen und drückt auch nach stundenlangem Einsatz weder unmäßig auf die Schädeldecke noch gegen die Schläfen. Für meine Verhältnisse rangiert der sehr hohe Tragekomfort dieses Hörers deutlich über dem eines jeden Stax- oder erst recht jeden leichten Grado-Kopfhörers. Der LDC-2 erreicht den Tragekomfort des eher leichten Sennheiser HD 800. Insofern kann ich die in headfi kursierenden Klagen zum Tragekomfort nicht bestätigen, was sich jedoch bei kleinen Schädeln anders darstellen mag. In Folge der nicht unerheblichen Masse der beiden Kopfhörer-Gehäuse in Verbindung mit dem eher niedrigen Anpressdruck ist es mir ein paar mal gelungen, den Kopfhörer durch eine schnelle Kopfdrehung und durch heftiges Nicken abzuwerfen, wenn ich den Bügel nicht weit genug hinten auf dem Schädel platziert hatte. Für den Jogging-Einsatz kann ich den LCD-2 definitv nicht empfehlen. Aber dafür ist er ja nicht nicht gemacht.