Als Hifi-Tester gibt es, trotz der wechselnden Geräte, so etwas wie Alltag. Letztendlich sind sich viele Geräte, auch mit ihrer eigenen Charakteristik, ähnlich, krasse Ausreißer sind selten. So reagierte ich erst mal ganz entspannt und gelassen auf die Ankündigung, dass ich eine OHM Walsh AE 1000 IS zum Testen bekomme. OHM, da war doch was ganz früher, schon sehr lange her, so in den späten Siebzigern. Vor dem inneren Auge entsteht ein verwischtes Bild von einem Kasten mit einem grauen Baustellenhütchen obendrauf. Die gibt es also wieder und ich kriege einen. Falsch, die Lautsprecher mit dem sogenannten OHM Walsh-Treiber gab es die ganze Zeit, nur nicht in Deutschland. Erst seit zwei Jahren gibt es wieder einen Vertrieb für sie. Omnidirektionalstrahler also. Riesenabbildung, Raumprobleme, keine Ortung und überall Musik, nur nicht da, wo sie hingehört. Na ja, das kann ja heiter werden.
Die nähere Beschäftigung mit den OHM und ihren Vorgängern ist dann schon etwas spannender als befürchet. Davon abgesehen, dass es über die Jahre diverse Modelle gegeben hat, geht alles zurück auf die OHM F und die spezielle Art der Tonerzeugung ist schon recht faszinierend. Das Prinzip ist immer noch dasselbe, wenn sich die Wandler im Laufe der Jahre auch weiter entwickelt haben. Die Konstruktion des als Biegewellenwandlers bezeichneten Treibers funktioniert folgendermaßen: Die kegelförmige Membran eines nach unten strahlenden Chassis ist so konstruiert, dass sie von der Schwingspule nicht nur in eine Richtung bewegt wird, sondern komplett in Biegeschwingungen aufbricht. Diese haben aufgrund des nach oben zulaufenden Durchmesser das Kegels verschiedene Frequenzen, die ringförmig nach allen Seiten abgestrahlt werden. Klingt simpel, muss man aber erst mal hinkriegen. Im Bassbereich arbeitet der Walsh-Treiber wie ein ganz normales, dynamisches Chassis auf ein Bassreflexvolumen, dessen Öffnung sich an der Unterseite der Säule befindet und durch einen fest montierten Fuß die richtige Höhe zum Boden bekommt. Darüber hinaus sorgt der Sockel für ein definiertes Abstrahlverhalten und damit auch eine gerichtete Verteilung im Raum. Theoretisch also ein Vollbereichswandler oder, wie man so gern sagt, ein Breitbänder. Wurde der Kegel bei den Urmodellen noch aus verschiedenen Materialien für die einzelnen Frequenzbereiche zusammen gestückelt, kommt bei der überarbeiteten, modernen Version ein Pappchassis zum Einsatz. Nähere Einzelheiten zum verwendeten Material sind auch auf Nachfrage nicht herauszubekommen. Da Pappmaterialien im Hochtonbereich nicht unbedingt geeignet sind, Frequenzen über zehn Kilohertz sauber wiederzugeben, bekommt jeder OHM Walsh-Treiber noch einen Kalottenhochtöner mit Gewebemembran zur Unterstützung verpasst. Über die Weichenschaltung schweigt man sich aus. Nur soviel: Der Hochtöner setzt leise bei zwei Kilohertz ein und ist ab acht Kilohertz voll wirksam.
Soweit die Theorie. Beim Auspacken freut man sich erst einmal an den verschiedenen Lagen Pappe, die wie bei einer Matrjoschka ineinandergesteckt sind, so dass man irgendwann nicht mehr weiß, wo oben und unten ist. Prompt landet der Lautsprecher erst mal auf dem Kopf beim Auspacken, zum Glück auf einer Matratze.
Die schmalen, quaderförmigen Säulen haben an der Oberseite eine Rundumabdeckung. Nimmt man diese ab, kommt darunter ein schwarzer Drahtzylinder zum Vorschein, der leider keinen Einblick auf den Wandler gewährt. Abnehmen darf man ihn auch nicht, ohne die Funktion des Chassis zu riskieren. Schade, das Ding hätte ich mir zu gern aus der Nähe angeguckt. Meine Freundin sagt spontan: „Die sehen ja doof aus!“ Ich finde sie faszinierend. Die Gehäuseform kann übrigens nach Absprache mit dem Vertrieb auch variiert werden.
Zusätzlich zu den beiden Paketen mit den OHM Walsh kommt auch noch ein kleines mit einem schwarzen Kistchen darin. Vorne ein Power-Knopf, hinten zwei symmetrische Eingänge mit XLR-Buchsen und sechs mit a-f bezeichnete Cinch-Ausgänge. Bei der Kiste handelt es sich an sich um eine digitale Drei-Wege-Weiche, bei OHM Walsh als intelligente Steuereinheit bezeichnet. Genau genommen ist es ein DSP, der zur Raumanpassung genutzt wird. Da es sich bei der OHM Walsh Walsh 1000 IS um ein Beinahe-Ein-Weg-System handelt, das keine Weiche benötigt, wird die Einheit nur genutzt, um pro Kanal auf sieben Frequenzen mit wählbarer Verstärkung oder Absenkung und Güte zu entzerren. Und da die Einheit keine Regler hat, muss man die Einstellungen über den PC vornehmen. Dazu erhält man eine Software, die unter allen Windows-Versionen mit USB-Unterstützung läuft. In dieser kann man nach Lust und Laune den Frequenzgang verbiegen und per Update-Schaltfläche direkt im laufenden Betrieb per USB-Kabel an die Einheit schicken. Und damit man damit nicht komplett im Regen steht, liefert Herr Ertel von Audible Emotions, dem deutschen Vertrieb für OHM, ein oder mehre Presets entsprechend der vorher skizzierten Raumsituation mit. Die Einheit als solche wird entweder zwischen Vor- Und Endverstärker eingeschleift oder über eine Tapeschleife angeschlossen.
Die 1000 IS wird serienmäßig mit der Steuereinheit ausgeliefert und soll in Räumen zwischen 10 bis über 30 Quadratmetern spielen können. Dafür bekam der Walsh-Treiber eine langhubige Aufhängung verpasst, damit er im Bass auch bei hohen Lautstärken im Bereich bis 30 Hertz noch ordentlich Druck machen kann.