Zu diesem Test hatte ich ausgesprochen wenig Lust: Das vertraute Design der Komponenten verhieß wenig Neues, Computer-High-End schien mir deutlich spannender und Analoges ich hatte schon viel zu lange vernachlässigt. Zudem ließen mich die edlen Materialien und die Verarbeitung der Verstärker von einem mehrfach höheren Preis ausgehen. Kurz: Ich erlebte die Überraschung des Jahres.
Wer nicht beruflich mit Hifi und High-End zu tun hat, könnte annehmen, für unser einen wäre jedes einzelne der oft kostspieligen Geräte, die im Laufe der Zeit durch den Hörraum wandern, ein Anlass zur Freude. Wenn man jedoch schon länger im vermeintlichen Schlaraffenland zu Hause ist, freut man sich über die Zeiten, in denen die eigene Kette, die man ja mit viel Sorgfalt optimiert hat, völlig unverändert für den heimischen Musikgenuss sorgt. Natürlich gibt es immer mal wieder das eine oder andere unerschwingliche Ausnahmegerät, bei dem man für jeden Tag dankbar ist, den es noch in der eigenen Anlage bleiben darf. So etwas kommt natürlich am ehesten bei den Gerätegattungen vor, bei denen die eigene Kette schwach besetzt ist oder die entsprechenden Komponenten allmählich in die Jahre gekommen sind. Doch in diese Rubrik fallen der Brinkmann Marconi und die Monos gewiss nicht. Vielleicht hatte meine mangelnde Begeisterung auch damit zu tun, dass während der ersten Hochphase der Marke Audio Exklusiv die schwarz-goldenen Wertanlagen außerhalb des studentischen Budgets lagen und später puristischeres Design eine höhere Anziehungskraft auf mich ausübte. Und damit wären wir bei der Firmengeschichte angelangt.
Gerd Pütz gründete Audio Exklusiv am 1. Oktober 1979. Nach einigen Jahren als Leiter der Entwicklungsabteilung eines großen deutschen Lautsprecherherstellers wagte er den Schritt in die Selbstständigkeit, um seine Idee eines idealen Lautsprechers, nämlich eines Elektrostaten, in die Tat umzusetzen. Sein erstes serienreifes Produkt war dann aber ein dynamischer Schallwandler, die Tubular Bell. Ich kann mich noch gut erinnern, dass auch mich die elegante, schlanke Lautsprechersäule damals so unruhig machte, dass ich sie unbedingt ausleihen und in der eigenen Kette hören musste. Letztlich konnte sie meine damaligen Favoriten zwar in einigen Disziplinen überflügeln, blieb aber in puncto Grobdynamik ein wenig hinter diesen zurück, so dass ich dann doch meinen Boxen treu blieb. Die Tubular Bell begeisterte mit ihrer filigranen, schwerelosen, eher von einem Elektrostaten zu erwartenden Spielweise aber eine große Zahl von – vielleicht reiferen, nicht auf (Grob-)Dynamik fixierten – Musikfreunden und legte so den Grundstein für den Erfolg von Audio Exklusiv. Im Jahre 1981 wurde dann der Plattenspieler vorgestellt, es folgten der erste Elektrostat, der P3, der allerdings so schwierig zu treiben war, dass man ihm eine eigene Endstufe zur Seite stellte. Bald darauf vervollständigte die Vorstufe P2 das Programm. 1986 wurde dann der große Elektrostat P6 präsentiert, der den Ruf des „Pütz-Elektrostaten‟ begründete. Konsequenterweise gab es dann auch bald direktgekoppelte Röhrenendstufen. Nach dem Tod von Gerd Pütz im Jahr 1990 führten seine Frau und seine Söhne die Firma dann noch eine ganze Zeit weiter. 2004 wurde die Geschäftstätigkeit bis auf den Service eingestellt.
Seit 2009 ist Audio Exklusiv nun wieder am Markt zurück: Andreas Schönberg erwarb von der Familie Pütz die Design-, Technik- und Markenrechte. Als langjähriger Freund des Hauses ist ihm daran gelegen, dass eine der ältesten und renommiertesten deutschen High-End-Marken nicht von der Bildfläche verschwindet, wie er auf der Website ausführt. Als Elektrostaten-Fan sieht er natürlich das Potential, das die Geräte auch heute noch haben. Er bringt als ehemaliger Produktmanager und Vertriebsleiter verschiedener großer japanischer Unterhaltungselektronikfirmen jede Menge Erfahrungen in der Branche mit. Für die Wiederbelebung von Audio Exklusiv arbeitet er mit einem kleinen Team freier Entwickler zusammen, um für vor 2009 gebaute Geräte Optimierungsangebote zu erarbeiten und gänzliche neue Geräte zu konzipieren. Bisher umfasst das Programm die Vollverstärker P12 und den noch kräftigeren P112, die Elektrostaten P3.1, die Endstufe P11 und einiges resonanzabsorbierendes Zubehör – und die mich auf den ersten Blick wenig begeisternde Vor/Endstufen-Kombination P7 und P1.
Aber schon bei näherer Betrachtung der beiden Verstärker erwachte ein gewisses Interesse, da mir so langsam dämmerte, dass diese Komponenten nichts mehr mit den vor 20 Jahren gebauten zu tun hatten, sondern eine Reihe von spannenden Innovationen aufweisen. Da wäre als erstes die spezielle Befestigung der Platinen im Gehäuse: Andreas Schönberg nennt das in der Produktinformation „Einsatz von Resonanzabsorbungstechnologien in eigens gefertigten Platinenabstandshaltern‟. Auf der Website kann man dazu lediglich in Erfahrung bringen, dass er und einer seiner Entwickler 2008 sowie im folgenden Jahr zwei Materialien entdeckten, von denen das eine dazu geeignet ist, ein Gerät möglichst effektiv von der Umgebung zu entkoppeln. Das andere Material nimmt Vibration auf und setzt sie in Wärme um, ohne dass die Dynamik der Wiedergabe darunter leiden soll. Wenn Ihnen – wie mir – diese Beschreibung zu wenig konkret erscheint, sollten Sie wissen: Das ist natürlich Absicht. Mehr über die Materialien zu verraten, würde nach Ansicht von Andreas Schönberg nur die Mitbewerber auf den Plan rufen. Schuld daran, dass trotz der recht opaken Beschreibung des Materials meine Neugierde geweckt wurde, hatte Reinhold Martin, der die Basen, Füße und sogenannten Silentplugs gleich nach dem Besuch von Andreas Schönberg in seinen Hörraum ausprobiert hat und seitdem in den höchsten Tönen davon schwärmt. Er hat versprochen, sein Erfahrungen noch vor Weihnachten zu Papier zu bringen.
Doch zurück zu P1 und P7: Nicht nur die Abstandshalter der Platinen sind mit dem speziellen Werkstoff behandelt. Auch ein Teil der Schrauben wurde aufgebohrt und der Hohlraum mit dem geheimnisvollen Material befüllt, das bei der Röhrenvorstufe auch den Knopf des Lautstärkepotentiometers beruhigt. Weiteren Schutz vor Vibration bietet das Gehäuse aus zwei Millimetern Stahlblech, das mit Schwermatten beruhigt wird. Glücklicherweise zählt Andreas Schönberg nicht zu den Entwicklern, die sich eines klangfördernden Aspekts bis in letzte Detail annehmen, darüber aber weitere wichtige Konstruktionsaufgaben vergessen.