Der X1.6 mit hinten liegender Bassreflexöffnung ist kein aufstellungskritischer Lautsprecher, lediglich auf die Standhöhe sollte möglichst genau geachtet werden. Die Treiber überblenden ideal, wenn sich die Ohrhöhe mittig zwischen ihnen befindet. Kleine Abweichungen verzeiht der X1.6 dabei durchaus. Sie können auch durch Anwinkeln der Lautsprecher korrigiert werden. Insbesondere bei kleineren Hörabständen, wie in meinem Fall, zahlt sich Genauigkeit aus und die Bühnen- und Stimmenwiedergabe profitiert enorm von einer korrekten Standhöhe. In vertikaler Ausdehnung strahlen die Bändchen eher gerichtet ab. In horizontaler Ebene sind sie deutlich gutmütiger. Hier gilt die allgemeine Aufstellempfehlung „stark auf den Hörplatz eingedreht“. Mir gefällt letztendlich eine Aufstellung am besten, bei der die Bändchen etwa zehn Zentimeter am Kopf vorbei zielen, anstatt direkt auf die Ohren ausgerichtet zu sein. Dies ist in meinem Raum der perfekte Kompromiss zwischen Bühnenabbildung und Hochtonpräsenz. Außerdem höre ich die Lautsprecher selbst so am wenigsten als lokalisierbare Schallquellen. Durch Eindrehen spielen die X1.6 in auch in Wandnähe unproblematisch, obwohl dies nicht der Aufstellempfehlung entspricht.
Seitdem Peter Gabriel im letzten November eine Tour und sein neues Album i/o angekündigt hat, freue ich mich auf das Konzert diesen Sommer in Berlin. Sowohl auf dem Album als auch live sind seine musikalischen Langzeitmitstreiter Manu Katché, Tony Levin und David Rhodes vertreten. Zu jedem Vollmond wird eine neue Single veröffentlicht. Das Besondere dabei ist, dass jeder Song in drei verschiedenen Mixes veröffentlicht wird. Tchad Blake zeichnet für den Dark-Side-Mix verantwortlich und Mark „Spike“ Stent für den Bright-Side-Mix. Auf Apple Music sind darüber hinaus erste Atmos-Mixes von Hans-Martin Buff verfügbar. Zwei verschiedene Stereomischungen von ein und demselben Song gibt es selten, dabei macht doch gerade diese Erfahrung unheimlich Spaß. Schließlich ist insbesondere in der Popmusik im Gegensatz zur Klassik die Mischung ein entscheidendes kreatives Werkzeug. Ich bin gespannt, welche verschiedenen Details und Elemente die X1.6 aus den zwei verschiedenen Mischungen des Songs „Panopticom“ herausarbeiten werden. Was Peter Gabriel sich bei dem Titel gedacht hat, erklärt er im Full Moon January 2023 Video auf seinem Youtube Kanal. Ich starte mit dem Dark-Side Mix und orientiere mich zunächst mal grob.
Trotz aller Vorschusslorbeeren war ich mir bis zu den ersten Klängen nicht sicher, ob mich das Bändchen überzeugen wird. Meine Bändchen-Vorurteile werden aber ab der ersten Sekunde weggeblasen. Ich befürchtete eine Überbrillanz im Hochton und kalte, emotionslose Mitten. Das Gegenteil ist der Fall, die Raidhos reproduzieren den Song sehr energiegeladen und druckvoller, als ich erwartet hatte, von Kälte oder Emotionslosigkeit nicht der Hauch einer Spur. Insbesondere das Timing vom Bändchen im Zusammenspiel mit dem Tiefmitteltöner fesselt mich sofort. Jeder Impuls, egal welchem Frequenzbereich er entspringt, scheint dieses gewisse Extra an Nachdrücklichkeit und ausgesandter Energie zu haben. Der Bassbereich verfügt über eine angenehme Fülle und Rundheit, büßt dabei aber nicht im Geringsten an Präzision oder Durchzeichnung ein. Ähnliches gilt für den Hochton, auch er liegt eher auf der warmen Seite der Dinge. Wie er gleichermaßen kein einziges Detail unterschlägt, Hochtonglanz liefert, aber trotzdem nie deplatziert, überambitioniert oder gar spitz daherkommt, muss ich erstmal verdauen. Stimmen verleiht die Abstimmung einen körperhaften Grundton, mit weichem, fließenden Präsenzbereich und die X1.6 vermögen, spitze S-Laute zwar aufzuzeigen, aber auch bei nicht perfekten Aufnahmen niemals in den Vordergrund treten zu lassen. Trotz der leicht zurückgenommenen oberen Mitten, respektive tiefen Höhen, spielt die X1.6 mit einer gewissen Direktheit. Sie zeichnet Hallräume, künstlich oder echt auf die Aufnahme gebannt, dadurch sehr scharf umrissen, aber weniger zwischen den Lautsprechern aufgespannt, als viel eher in Richtung des Hörers projiziert. Damit wäre ich beim nächsten Punkt, der Fähigkeit zur Raumabbildung. Diese ist bei den Raidhos enorm groß, im wahrsten Sinne des Wortes. Von meinen Lautsprechern bin ich es gewohnt, dass sie den Raum einer Aufnahme als einen sich von den Lautsprechern nach hinten ausdehnenden Halbkreis reproduzieren. Schallquellen werden dabei unmittelbar auf oder leicht vor oder hinter der Kreisbahn platziert. Viel mehr vermögen meine Lautsprecher nicht zu leisten. Die X1.6 hingegen bilden den Raum als Rechteck ab, das sich sowohl hinter die Lautsprecher als auch weit in Hörerrichtung erstreckt. Schallquellen können dabei vollkommen frei an jeder beliebigen Position in dieser Fläche auftauchen. Im Bright-Side Mix von „Panopticom“ kann ich dementsprechend mit Leichtigkeit feststellen, dass Peters Stimme tiefer in den Mix eingebettet ist, und sich etwas hinter der Lautsprecherebene befindet. Im Dark-Side Mix hingegen steht sie klar im Vordergrund, eher vor den Lautsprechern und spricht mich viel direkter an. Der Dark-Side Mix präsentiert sich insgesamt komprimierter, obwohl er dann im Chorus fast wieder luftiger erscheint. Schlagzeug und Bass formen ein von der Snare dominiertes Fundament, das den Song mit den anderen Instrumenten gemeinsam als Einheit antreibt und der Stimme die wichtigste Rolle zuweist. Als besonders faszinierend ist die Wiedergabe des Sounds, der auf einem Synth wohl irgendetwas mit Chimes oder Bells heißen würde, in der ersten Strophe hervorzuheben. Die blubbernden Glöckchen scheinen aus dem Inneren der Lautsprecher herauszusprudeln, als hätten sie dort ihren Ursprung. Dass Schallquellen hinter der Lautsprecherebene wahrnehmbar reproduziert werden können, ist nichts Neues. Dass Lautsprecher als eigene Schallquelle kaum wahrnehmbar sind, was dann gerne als „verschwinden“ derselbigen bezeichnet wird, ist auch ein bekannter Effekt. Dass zwei Lautsprecher in meinem Raum aber derart homogen als Einheit spielen habe ich selten erlebt. Wie Schallereignisse, die hart nach links oder rechts auf nur einen Lautsprecher gepannt sind, beispielsweise besagter Synth-Sound, gleichzeitig großzügig in die Bühnentiefe platziert werden können, begeistert mich sehr. Im Vergleich verschiedener Lautsprecher hält meine recht nahe Sitzposition bei einer geringe Basisbreite von etwa 1,8 Metern Unterschieden dieser Art das Brennglas vor. Was die X1.6 in dieser Konstellation vollbringt, ist dementsprechend hervorzuheben und man darf schwer davon ausgehen, dass sich diese Fähigkeit bei großzügigeren Sitz- und Lautsprecherabständen potenziert. Doch zurück zur Musik: Der Bright-Side Mix lässt den einzelnen Instrumenten mehr Luft zum Atmen und stellt an einigen Stellen Instrumente prominenter heraus. Hierzu gehören beispielsweise der Synth vor der ersten Strophe oder die Gitarren im Chorus. Beide Tracks offenbaren die Fähigkeiten der Raidhos wunderbar. Insbesondere die individuelle Größe der Instrumente ist sehr ausgewogen auf den Punkt gebracht: Es gelingt nicht nur ihre Positionierung in der imaginären Raumtiefe, sondern auch ihre Ausdehnung in dieser Dimension. So etwas habe ich in dieser ausgeprägten Form mit einem passiven Lautsprecher in meinem Hörraum noch nicht gehört.